Lingua Mortis Orchestra
Interview mit Peavy und André zum Debütalbum des RAGE-Orchesterprojekts

Interview

Lingua Mortis Orchestra

Mit „LMO“ steht uns endlich das erste Album von RAGEs Orchester-Spin-Off-Truppe LINGUA MORTIS ORCHESTRA ins Haus – ein Album, dass völlig neue Einblicke in die bereits als ausgelutscht erscheinende Metal-meets-Orchester-Thematik erlaubt. Und während Gitarrist und Hauptkomponist Victor Smolski noch bis zur letzten Sekunde am finalen Mix arbeitet, schnappten wir uns das deutsche Metal-Urgestein Peavy Wagner und Drummer André Hilgers, um mit ihnen über die Entstehung des Albums, moderne Hexenverfolgungen und die Pläne für kommende Live-Shows zu quatschen. Ganz unverhofft nutzten die beiden darüber hinaus die Gelegenheit, uns ein beeindruckendes Statement zur aktuellen Lage der Musikindustrie ins Mikro zu diktieren – optimistische Zukunftsaussichten für die Metal-Szene inklusive!

Das erste LINGUA-MORTIS-ORCHESTRA-Album gefiel mir schon nach dem ersten Hördurchgang um Längen besser als die letzte RAGE-Scheibe.

André: Das ist natürlich immer Geschmackssache –

Peavy (unterbricht ihn): Ich nehm das aber trotzdem als Lob.

André: Ich finde das auch cool, weil es ja letztlich ein neues Baby für uns ist. Wenn dir das gut gefallen hat, ist das super!

Peavy: Ich muss auch sagen, dass du dieses Album, wenn du es ein paar Mal gehört hast, nicht mehr aus dem Kopf rauskriegst. Das sind wirklich die besten Stücke, die wir seit Menschengedenken gemacht haben, finde ich. Schon von der Komposition der Songs her sind das echte Hammerdinger!

 

Angekündigt habt ihr euer Orchesterprojekt schon vor rund drei Jahren, bis zur Veröffentlichung hat es dann aber doch noch eine Weile gedauert.

Peavy: Das LINGUA-MORTIS-Album sollte eigentlich nach der ursprünglichen Planung schon vor zwei Jahren aufgenommen werden. Es hat so lange gedauert, wir haben es immer wieder rausgeschoben…

André: …weil immer wieder was dazwischen kam. Als „Strings To A Web“ (vorletztes RAGE-Album – Anm. d. Red.) erschien, haben wir im selben Jahr die Tour gespielt und uns gesagt, dass wir im Jahr darauf eine Pause machen und uns auf die Orchester-Sache konzentrieren. Wir haben dann aber mehr Konzerte gespielt als im Release-Jahr. Und dann haben wir uns gesagt, jetzt müssen wir eigentlich wieder ein reguläres Album bringen, so dass wir erstmal „21“ (jüngstes RAGE-Album – Anm. d. Red.) gemacht haben. Dann kamen jetzt zum Glück diese Konzertanfragen vom „70000 Tons Of Metal“ und auch für Wacken und so weiter, so dass wir im Zugzwang waren. Das war eigentlich ganz geil, dann jetzt waren wir unter Druck und das hat wieder funktioniert.

Peavy: Stimmt, im Grunde war Wacken jetzt der „Muss-VÖ“, später durfte das Album nicht rauskommen und genau da erscheint die Scheibe jetzt. Die Bestätigung für Wacken haben wir im Herbst letzten Jahres gekriegt. Und da war eigentlich klar, dass wir das miteinander verbinden müssen.

Obwohl auf dem Album einige Melodien sofort greifen und mich schon beim ersten Hören zum Mitsingen verleitet haben, ist das Material doch sehr komplex. Ich finde es gut, dass ihr da offensichtlich nicht den einfachen Weg gewählt habt, sondern vom Zuhörer auch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit verlangt.

Peavy: Auf jeden Fall, es ist natürlich keine Easy-Listening-Musik. Trotzdem finde ich nicht nur die Melodien, sondern auch das Riffing teilweise wirklich begnadet. Das Riff von „Witches‘ Judge“ zum Beispiel, das aus lauter verminderten Akkorden besteht. Das ist so ein geile, eingängige Hookline, aber so ungehörig – ich hab noch nie so ein Riff gehört! Da hat er sich wirklich sowas von mit Glück beschissen, der Herr Smolski – ich glaube, das weiß der selber nicht, wie er das gemacht hat. Er sagt ja, das hätte er sich alles innerhalb von zwei Wochen irgendwie zusammengestoppelt, aber das kann ich irgendwie kaum glauben. Wie kann man in zwei Wochen nur so viele geile Ideen haben? Das gibt’s doch gar nicht!

André: Was wir schon sagen müssen, ist, dass dieses Album vom Produktionstechnischen her fast an Weltrekord grenzt. Für die ganze Session an sich hatten wir nur vier Wochen Zeit und man merkt wieder, dass die Band – ich sage jetzt bewusst „die Band“ – einfach unter Stress immer gut funktioniert. Und das ist eigentlich ganz gut, weil viele losen da irgendwie ab. Wir haben ja bei unseren Kumpels von BLIND GUARDIAN in den „Twilight Hall“-Studios aufgenommen und da hab ich vorhin schonmal die Anekdote erzählt, wie Peavy angefangen hat, einen Song zu singen, nach einer Stunde raus kam und in der Küche den Hansi (Kürsch, BLIND-GUARDIAN-Sänger – Anm. d. Red.) getroffen hat, der da auch gerade am Proben für seine Songs war. Der hat Peavy ganz ungläubig gefragt: „Wie, schon fertig?“ Da ist wirklich von uns allen richtig Gas gegeben worden.

Peavy: In der Zeit hätte sich der Hansi nicht mal warmgesungen! (lacht) Das war wirklich unglaublich, ich war selbst überrascht, wie das diesmal gefluppt hat. In allen Phasen, also auch beim Songschreiben und Arrangieren hat alles so dermaßen kreativ gefruchtet. Wir haben eine Pre-Production-Phase bei André zuhause gemacht, der hat ja so ein bisschen Recording-Zeug. Da haben die beiden oben gesessen und an Keyboard- und Drum-Geschichten rumgebastelt, während ich unten in der Küche saß und an den Texten geschrieben habe. Wir haben uns richtig die Bälle hin und her geworfen. Von oben kam dann irgendwann mal eine Stimme runter: „Wir haben jetzt hier grade so einen Chor, kannst du da nicht irgendwas lateinisches dazu machen?“ – „Spiel mal eben vor.“ Und eine halbe Stunde später kam ich dann mit dem Text hoch. Die ganze Zeit hat sich da eins zum anderen gefügt und man hat sich gegenseitig befruchtet, das hat einfach super geklappt. Es kam alles wie von selber und auf einmal stand es da, man musste es nur noch irgendwie einfangen.

 

Wenn man hört, dass eine Band mit einem Orchester arbeitet, ist der erste Gedanke eigentlich, dass die Band dadurch etwas softer klingen wird. Bei euch ist aber genau das Gegenteil passiert, ihr klingt zum Teil wesentlich härter als man euch sonst kennt.

André: Ja, der Plan ist aufgegangen. Du bist jetzt heute der sechste, der das anspricht. Victor hatte schon den Plan, irgendwas neues zu machen, etwas anderes zu machen als es andere Bands machen, die mit Orchester arbeiten. Wir wollten die Härte irgendwie behalten, gleichzeitig aber das Orchester auch mit einbetonieren. Das war eigentlich Victors Plan, zu Anfang konnten Peavy und ich uns noch nicht so richtig was drunter vorstellen. Er hatte irgendwie den Masterplan im Kopf, dann haben die Jungs ihre Ideen ausgetauscht, so dass Peavy dann auch songwritingtechnisch und mit den Gesangsmelodien involviert war.
Die haben viele Sachen ausgearbeitet und ich als Trommler stehe dann erstmal dumm vor dem Berg und habe überhaupt keine Ahnung. Ich spiele auf ein Gitarrenriff – gerne, sofort – aber ich kann mir irgendwie kein Orchester vorstellen. Ich hab da aber – oder vielmehr wir haben – Victor vollkommen vertraut. Ich war selber auch positiv überrascht, wie fett dann letztendlich doch alles geworden ist, weil das war der Plan und es hat einfach fantastisch funktioniert. Du bist heute der sechste von sechs, der es sagt, also müssen wir irgendwas richtig gemacht haben.

 

Ich dachte eigentlich auch, dass sich diese ganze Orchesterschiene inzwischen totgelaufen hätte und man im Grunde alles schonmal irgendwo gehört hat. Da war euer Album für mich nun gewissermaßen der Augenöffner und hat mir gezeigt, was in diesem Bereich doch noch möglich ist. Ihr habt da doch noch mehr zu sagen und seid manche Sachen wirklich neu angegangen.

Peavy: Ja, die Orchester-Sache scheint im Augenblick schon ein bisschen eine Mode zu sein, sehr viele Bands machen sowas. Wobei ich denke, dass wir da zwei große Vorteile haben: Zum einen haben wir über fünfzehn Jahre Erfahrung mit sowas, weil wir ja damals die ersten waren, die damit angefangen haben, und zum anderen haben wir Victor Smolski, der einfach so dermaßen Ahnung von Musik hat. Er hat das alles von der Pike auf studiert und so jemanden haben andere Bands halt nicht.

André: Er ist Gitarrist der Band, er arrangiert das ganze Orchester und produziert die Band auch noch. Das heißt letztendlich, wenn nicht er, wer soll dann wissen, was das beste für den Sound, den MACHBAREN Sound, auch für RAGE ist? Das hat sich über die letzten elf Jahre einfach so herauskristallisiert, auch die Zusammenarbeit mit Charlie Bauerfeind. Charlie nimmt mich schlagzeugmäßig echt vollkommen auseinander und verlangt alles, Victor hat auch alles verlangt und am Ende des Tages lassen sie mich dann noch besser aussehen. Die Jungs haben für das Final Product einen mordsmäßigen Job gemacht und das ist jetzt wirklich keine Eierleckerei oder Honig-um-den-Mund-Geschmiere oder sonst irgendwas.
Wenn Victor mit Charlie im Studio ist – ob das jetzt mit uns ist oder wie auch immer – ich hab’s erlebt, die funktionieren blind! Der Victor denkt was und der Charlie dreht schon an der richtigen Frequenz, ohne dass er was gesagt hat, und ändert das. Das hat mir teilweise während der Recording-Sessions echt Angst gemacht, weil ich nicht nur einen hatte, mit dem ich mich da irgendwie unterhalten musste, sondern es waren zwei. Quasi eins plus eins gleich eins. Das ist schon geil, diese Zusammenarbeit zwischen den beiden, die man schon bei „21“ gemerkt hat und auch vorher schon. Aber jetzt bei diesem Album, glaube ich, merkt man es richtig.

Peavy: Zumindest was meine Parts angeht, möchte ich mich da aber auch noch mit einschließen. Ich hab zum Beispiel mein Zeug größtenteils alleine mit Charlie aufgenommen, weil Victor uns da einfach blind vertraut hat. Er wusste genau, wir machen das genau so wie er es haben will. Er kam dann irgendwann, wo wir es mehr oder weniger drauf hatten, kurz rein, hat mal kurz reingehört, hat hier und da noch seinen Senf dazugegeben und dann stand das irgendwie. Das klappt einfach blind. Mit Charlie arbeiten wir seit über zehn Jahren zusammen, mit Victor sind es jetzt dreizehn Jahre, und da hat sich einfach ein wirklich gutes Team herausgebildet.

Wie du gerade schon erwähnt hattest, wart ihr natürlich absolute Vorreiter für alle Metal-meets-Orchester-Geschichten. Ich habe mich nun bei „LMO“ immer wieder an frühere RAGE-Orchester-Songs erinnert gefühlt, teilweise hatte ich sogar den Eindruck, dass ihr euch ein Stückweit selbst zitiert. Habt ihr da bewusst das eine oder andere Easter-Egg für eure langjährigen Fans versteckt oder sind die Parallelen eher unbewusst entstanden?

Peavy: Ich will jetzt nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, ob Victor da nicht doch bewusst das ein oder andere Zitat eingebaut hat, aber was meinen Part angeht, denke ich mal nicht. Das kam alles aus dem Bauch heraus und ich denke, wir haben wirklich nur geguckt, dass die Songs das kriegen, was sie brauchen.

André: Victor weiß halt wahrscheinlich auch am besten, was harmonisch zusammenpasst. Ich hab das auch bei „21“, „Strings To A Web“ oder „Carved In Stone“ (die letzten drei RAGE-Alben – Anm. d. Red.) mitgekriegt, wo jetzt kein Orchester mit dabei war, wie geil das einfach harmonisch schon alles zusammenpasst. Und das merkt man dann bei dieser Orchester-Sache umso deutlicher. Dass sich da bei zwölf Tönen, die es ja nur gibt, mal geringfügig ein bisschen was wiederholt, ist ganz normal. Ich könnte dir jetzt einen Haufen Songs und einen Haufen Bands nennen, die sich ständig selbst kopieren. Es mag bestimmt sein, dass der eine oder andere Part da Erinnerungen weckt, aber ich glaube nicht, dass das bewusst passiert ist, sondern einfach intuitiv, weil man weiß, dass es funktioniert.

Peavy: Es ist sicherlich nicht so, dass sich irgendwelche Themen wiederholen, sondern eher bestimmte Stimmungen. Victor hat natürlich auch einen sehr eigenen Stil, wenn er klassische Sachen komponiert. Ich kenne noch mehr klassische Sachen von ihm, die den meisten Metal-Fans gar nicht so geläufig sind. Er hat ja auch schon seine eigenen Symphonien geschrieben und er hat seine ganz eigene Ton-Sprache und da entstehen immer wieder ähnliche Bilder, weil er einfach so musikalisch denkt.

 

Ich habe das auch keineswegs als Vorwurf gemeint, da spiegelt sich wohl auch einfach eure musikalische Identität wieder. Ich habe quasi zu jeder Sekunde erkennen können, dass ich im Grunde ein neues RAGE-Album vor mir habe.

Peavy: Das ist es ja auch. (lacht) Ich war auch beim Entstehungsprozess manchmal wirklich baff, wie gut das zwischen uns harmoniert, wenn wir komponieren. Wir haben wirklich unsere Ideen völlig unabhängig voneinander gesammelt und ich hab dann im Grunde meinen Kram einfach nur bei Victor abgegeben. Von den musikalischen Ideen sind 90 Prozent auf seinem Mist gewachsen und die restlichen 10 Prozent von mir. In den Credits siehst du ja, dass bei zwei Songs („The Devil’s Bride“ und „Eye For An Eye“ – Anm. d. Red.) die Basis von mir stammt und Victor hat sie mit seinen Ideen ergänzt und hat das Ganze natürlich noch ausgearbeitet und orchestriert. Und das passt so homogen zusammen, dass man den Unterschied überhaupt nicht hört, ob das jetzt von mir oder von ihm ist, das klingt wie aus einem Guss. Man kann wirklich sagen, dass wir da unheimlich ähnlich denken, das hat sich im Laufe der Jahre einfach so entwickelt.

André: Unheimlich wichtig waren am Ende des Tages auch unsere Gast-Leute, die sich jetzt zum festen Line-Up etabliert haben. Wir waren bewusst auf der Suche nach Leute, die Bock haben, die richtig geil sind und den entsprechenden Background haben, aber auch dann mit uns auf Tour gehen können. Gleichzeitig wollten wir nicht dieses Namedropping betreiben.

Peavy: Das machte in der jetztigen Situation auch noch keinen Sinn.

André: Genau. Die Jeannette Marchewka war mit uns zum Beispiel beim „70000 Tons Of Metal“, da hat sie noch Geige gespielt. Wir wussten aber, dass sie auch Sängerin ist, und haben sie dann Demos einsingen lassen, wie viele andere Sängerinnen auch. Ich war jetzt auch sehr baff, wie geil das mit Peavys Stimme harmoniert. Victor hat da sehr lange irgendwelche Demos mit Peavy zusammen gecheckt und probiert, welche Stimmen da zusammenpassen. Hinzu kam dann noch die Dana Harnge, die eigentlich mal vor einiger Zeit eine Gitarrenschülerin von Victor war. Dabei hat sich dann herausgestellt, dass sie Sopran singt und eine richtig amtliche Ausbildung hat.
So kommt das eine zum anderen. Henning Basse war ein alter Kumpel von mir, mit dem ich schon immer mal was machen wollte. Den hab ich dann ins Spiel gebracht, den haben die Jungs auch gecheckt und er hat sich als die perfekte Wahl erwiesen. Ich war überrascht wie geil die beiden – aber auch die ganzen anderen Stimmen – miteinander harmonieren. Überhaupt, wie das ganze eingebettet ist, dieses Gegeneinander und Miteinander und so, da hat man schon ein ziemlich gutes Händchen dafür gehabt. Das zeigt auch wieder, dass zum Beispiel Victor genau wusste, welche Stimmen wichtig für welche Parts sind.

Peavy: Wir haben das von vorne herein für vier verschiedene Stimmen komponiert, das sollte schon so ein bisschen Musical- oder Opern-mäßig klingen. Nenn es meinetwegen „Metal-Oper“, so war das schon von der Komposition und vom Textkonzept her ausgerichtet. Insofern haben wir dann eigentlich nur noch die richtigen Stimmen gesucht, die dazu passen. Dass ich einer der Sänger sein werde, war klar, und die anderen mussten einfach alle dazu passen. Da standen wirklich eine ganze Menge Leute – gerade bei den Sängerinnen – zur Auswahl, die haben sich alle viel Arbeit gemacht und haben die Parts, die wir für sie ausgearbeitet hatten, als Demos für uns eingesungen. Da muss man sich an dieser Stelle auch nochmal bedanken, auch bei denen, die es jetzt letztendlich nicht geworden sind. Die haben sich da viel Mühe gemacht und ich denke, es hat in den meisten Fällen nicht am Können gelegen, sondern einfach an der passenden Stimme, die eben irgendwie zu meinem Organ passen musste. Und da fanden wir die jetztige Kombination eben am besten.

In der Geschichte, die ihr auf dem Album erzählt, geht es um die Hexenverfolgungen der frühen Neuzeit. Die Handlung basiert dabei auf einer wahren historischen Begebenheit.

Peavy: Exakt. Wir haben das Thema auf einem von Victors Solo-Alben schon einmal angerissen, das war damals aber noch ohne Gesang, da haben wir nur Original-Texte zur klassischen Musik von Victor zitiert. Wir fanden immer, dass das Thema da nur unzureichend gewürdigt wurde, und dachten, da geht noch einiges mehr. Bevor wir überhaupt mit dem Komponieren angefangen haben, war uns also schon klar, dass wir diese Thematik als Textkonzept nehmen wollen. Mir fiel dann eine konkrete Geschichte ein, wo ich eine ganze Menge Literatur darüber gesammelt habe, als ich vor Jahren schon zufällig mal drauf gestoßen bin. Das ist eine Geschichte, die in Gelnhausen, einer kleineren Stadt in der Nähe von Frankfurt, spielt und speziell in den Stadtarchiven noch sehr detailliert aufgezeichnet ist.
Und zwar war damals, im Jahre 1599, der Schultheis von Gelnhausen, Johann Koch, für die Gerichtsbarkeit zuständig und als Hexenrichter dafür berüchtigt, dass er ziemlich viele Leute – über dreißig, glaube ich – auf den Scheiterhaufen gebracht hat. Da gab es die Witwe eines evangelischen Pfarrers, Elisabeth Strupp mit Namen, die in der Gemeinde damals sehr hoch angesehen war, weil sie sehr viele wohltätige Sachen gemacht und sich beispielsweise um Arme und Kranke gekümmert hat. Aber dann wurde sie von Neidern angeschwärzt und als Hexe bezichtigt, obwohl es berechtigte Zweifel an ihrer Schuld gab. Zum Beispiel wurde ihr ein Kirchenraub zur Last gelegt, womit sie eigentlich –  was sich dann erst Jahre später herausstellte – nichts zu tun hatte.
Dieser Hexenrichter wollte jedenfalls an ihr ein Exempel statuieren, dass sein Gericht eben nicht parteiisch ist und reichere oder gesellschaftlich höher angesehene Leute nicht besser behandeln würde als Arme. Deswegen hat er sie dann auch zum Tode verurteilt und hinrichten lassen. Da waren ziemlich viele Leute geschockt, dass auch so eine angesehene Person wie sie auf dem Scheiterhaufen landen konnte. Ein paar Jahre später stellte sich heraus, dass alles falsch und gelogen war und es sich um einen Justizirrtum handelte. Johann Koch wurde daraufhin seines Amtes enthoben und ist dann innerhalb der nächsten drei, vier Jahre wahnsinnig geworden, hat sich von ihr verfolgt gefühlt und ist 1603 in wahnsinniger Umnachtung gestorben.
Das ist wie gesagt alles in Aufzeichnungen verbürgt und ich fand es sehr spannend, diese ganze Thematik an einer wahren Begebenheit zu schildern. Wenn man wirklich real existierende Personen anführt, kriegt das Ganze irgendwie ein Gesicht und das macht es noch interessanter und tiefschürfender.

 

Der Spannnungsbogen erstreckt sich über das ganze Album hinweg und erreicht seinen Höhepunkt in „Eye For An Eye“, das mir auf Anhieb eine dicke Gänsehaut verpasst hat. Daran schließt sich dann mit „Afterglow“ noch eine Art Epilog an, der gewissermaßen die Brücke in die Gegenwart schlägt. Wie weit haben wir uns in euren Augen von solchen Hexenjagden heutzutage entfernt?

Peavy: In unserer Gesellschaft heute würden wir natürlich keine Leute mehr verbrennen. Aber diese geistige Energie, die dahinter steckt, dass wir Menschen ausgrenzen, mobben und uns Sündenböcke für unsere Probleme suchen, die ist ja nach wie vor da. Das sieht nur ein wenig anders aus, heute wird dann halt Internet-Mobbing gemacht, was letztendlich auch schon zum Tode von vielen Leuten geführt hat. Man kriegt das ja mit, wie viele sich dann da umbringen, weil sie ständig gemobbt werden.
Aber es gibt tatsächlich noch Hexenverfolgungen in diesem alten Stil mit Verbrennungen und allem in Papua-Neuguinea. Da gab es vor wenigen Wochen erst mehrere Fälle, wo mehrere Frauen vom Mob wegen Hexerei gelyncht oder lebendig verbrannt wurden. Das wird zwar jetzt gerichtlich geahndet, aber bei den einfachen Leuten, die teilweise noch in Stammesverbänden leben, ist das nach wie vor da, da lebt das Mittelalter noch. Es ist also nach wie vor ein Thema, was noch nicht aus der Welt ist, man sollte es nicht glauben.

Traurig aber wahr. Lass uns lieber wieder über die Musik sprechen: Ihr habt das Album mit dem „Orquestra Barcelona Filharmonia“ in Spanien aufgenommen.

Peavy: Wir haben mit zwei Orchestern gearbeitet. Die Credits in der Presse-Info sind unvollständig, da fehlt noch einiges.

André: Wir haben wegen der wesentlich besseren Räumlichkeiten in Spanien aufgenommen und in Belarus, in Minsk, haben wir nochmal Sektionen aufgenommen, also einzelne Streichersektionen als Overdub. In Spanien gab es einfach einen größeren Raum, da konnte man also auch ein größeres Orchester aufnehmen, und in Minsk hat Victor dann noch Feinheiten mit einzelnen Sektionen aufgenommen.

Peavy: Den Chor und die Bläsergruppen haben wir auch in Minsk gemacht.

André: Und das alles per Großmonitor und Skype. Wir müssen mal bei Skype anrufen, ob sie uns für die Werbung hier nicht einen Deal anbieten wollen… (lacht)

 

Nach Weißrussland hat Victor ja auch familiäre…

André: (unterbricht) Belarus! Weißrussland gibt es nur in Deutschland – das haben wir vorher noch gelernt. Weißrussen gibt es nur in Deutschland, hat er erzählt. Aber egal, wir wissen, wovon wir reden.

Peavy: Das ist aber nur interessant, wenn du Englisch sprichst.

André: Ah ok, „White Russian“ gibt es also nicht. Doch, als Getränk. (lacht)


Ihr wollt das LINGUA MORTIS ORCHESTRA aber auch auf die Bühne bringen. Mit welchem Orchester werdet ihr da zusammenarbeiten?

Peavy: Da werden wir mit dem Orchester aus Barcelona arbeiten und zwar aus einem ganz simplen logistischen Grund. Das haben wir bei unserem letzten Konzert mit Orchester gemerkt, wo wir auf dem „Rock Hard Festival“ gespielt haben und auch wieder mit unseren Leuten aus Minsk arbeiten wollten. Wir haben aber so kurzfristig gar keine Visa für sie bekommen, weil das ja außerhalb der EU liegt und es sehr kompliziert ist, für weißrussische Leute die passenden Visa zu bekommen.

André: Und es kostet auch richtig Geld.

Peavy: Ja, das ist sehr teuer. Von daher haben wir gedacht – nicht, dass wir nachher noch was absagen müssen – diese Probleme umgehen wir, indem wir direkt mit einem europäischen Orchester arbeiten, für das wir keine Visa brauchen. Und so sind wir dann halt auf die Spanier gekommen.

 

Was können wir von der Tour erwarten? Wollt ihr das Album in voller Länge aufführen?

Peavy: Definitiv. Wir fangen erstmal an mit zwei Festival-Auftritten, beim „Masters Of Rock“ in Tschechien und in Wacken. Da weiß ich jetzt nicht genau, wie lang unsere Spielzeit ist, ob wir das gesamte Album dann in dieser Zeit umsetzen können, wenn es zeitlich möglich ist, werden wir es natürlich machen. Bei den Einzelshows werden wir auf jeden Fall das gesamte Album spielen, plus alles andere, was noch so geht.

 

Werdet ihr dann auch das Story-Konzept mit einer entsprechenden Bühnenshow oder Beamer-Einspielungen unterstreichen? Oder habt ihr euch diesbezüglich noch keine Gedanken gemacht?

Peavy: Eigentlich hatten wir vor, André bei der Show zu verbrennen.

André: So wie bei SPINAL TAP: Ich explodiere bei jeder Show – und für jede Show kommt dann ein neuer Trommler. Bei diversen Drum-Parts wäre es vielleicht vonnöten!

Peavy: Da wirst du schon von ganz alleine explodieren, da brauchen wir nichts dazu tun! (beide lachen)

André: Also so weit sind wir noch gar nicht, dass wir uns Gedanken über das Bühnenbild machen könnten, wir müssen jetzt erstmal nach den Terminen gucken. Wir haben schon einige Shows, die bestätigt sind, aber noch nicht spruchreif, da warten wir noch ein bisschen. Das geht teilweise auch bis ins nächste Jahr rein und wir versuchen jetzt ein ziemlich geiles Package zusammen zu schustern. Und dann müssen wir natürlich gucken, wie wir das Ganze auf der Bühne inszenieren. Fakt ist, dass das Barcelona-Orchester dabei ist, und dass unsere Sängerinnen und der Henning mit dabei sein werden, worauf ich mich tierisch freue. Peavy, Victor und ich sind natürlich auch dabei, klar. Wir wissen aber noch nicht mal, wann und wo wir mit wem proben. Das ist alles logistisch natürlich einfacher, wenn wir zu fünft oder zu sechst für die Proben nach Barcelona fliegen, anstatt mal eben zwanzig Leute hierher zu holen.
Das ist aber alles noch nicht spruchreif, wir konzentrieren uns jetzt erstmal auf den Veröffentlichungstermin. Das „Masters Of Rock“ ist die erste Live-Show, da werden wir vorher proben und versuchen natürlich dann – nee, wir versuchen nicht, wir werden! Wir werden da definitiv unser bestes geben, um schon anhand der YouTube-Videos, die es danach definitiv geben wird, auch schon Werbung für die nächsten Shows zu machen. Man muss am Internet ja nicht alles hassen, finde ich.

Peavy: Du liebst doch alles!

André: Ich liebe alles am Internet – außer die Download-Zahlen natürlich. Gut, im Zuge der Veröffentlichungen jeden Monat, wenn ich sehe, dass 120-140 CDs jeden Monat rauskommen, da kann der gemeine Fan, der kein Geld mehr hat, definitiv nicht mehr alles kaufen. Natürlich heißen wir diese ganzen Downloads auf irgendwelchen Filesharing-Plattformen nicht gut, aber wir können da sowieso nix dran ändern und bauen natürlich dann doch noch auf den Fan, der lieber das anständige Artwork in der Hand halten möchte. Und qualitativ brauche ich keinem da draußen zu erzählen, dass es eh ein tierischer Unterschied ist zwischen einer anständigen CD und einem gut gemachten MP3-File. Wer eine gute Anlage zuhause hat, der wird wissen, wovon ich spreche. Und die Audiophilen werden wieder mehr.

Peavy: Der Vinyl-Absatz steigt wieder rapide, da hast du auch eigentlich das wertigste Produkt. Ich kann dazu noch sagen: Support your artist, don’t burn it or you will burn! (lacht)

André: Das ist halt das Problem, du gibst dir da jetzt richtig Mühe im Studio, der Victor und der Charlie versuchen noch, diverse Frequenzen rauszufiltern und so weiter – am Ende des Tages, wenn da irgendeiner aus dem Internet eine MP3-Datei mit 256 Kilobyte saugt, hörst du das sowieso nicht mehr. Das ist eigentlich schade und es soll einfach der Fan da draußen nochmal irgendwie mitbekommen, dass das für alle Bands – ich rede nicht nur über uns – die noch die Möglichkeit haben, in ein anständiges Studio zu gehen, dieselbe Situation ist. Wir können froh darüber sein, dass wir noch die Möglichkeit haben, in ein großes Studio zu gehen, viele Bands sind gezwungen, zuhause Heimrecording zu machen, weil sie kein Geld dafür kriegen. Kauft einfach die CD und ladet sie nicht runter, weil es ist einfach bares Geld, was wir hier auch verpulvern, um eine gute Qualität abzuliefern.

Peavy: Das muss man auch mal sagen: Ihr müsst nicht glauben, dass wir irgendwelche reichen Säcke sind, denen da alles egal wäre. Wir müssen davon leben und können das gerade so. Jeder, der uns beklaut, der nimmt uns wirklich die Brötchen morgens vom Frühstücksteller.

André: Victor hat gerade als Produzent jeden Pfennig und jede Minute der letzten vier, fünf Wochen da reingesteckt –

Peavy: (unterbricht ihn) Ich würde eher sagen, der letzten vier, fünf Monate!

André: Ja, da steckt auf alle Fälle schon richtig viel Arbeit dahinter!

Du hast gerade aber schon gemeint, dass die Audiophilen wieder mehr werden. Gibt einem das nicht Hoffnung, dass dieser große Abwärtstrend der letzten Jahre, gestoppt werden kann und die Metal-Szene auch kommerziell überleben kann?

André: Ich kenne keine genauen Zahlen. Ich bin selber Konsument und natürlich auch Musiker, so dass ich da in beiden Welten lebe.

Peavy: Wir wissen eigentlich auch immer nur das, was uns unsere Plattenfirma erzählt.

André: Fakt ist einfach, glaube ich, dass die Musikindustrie langsam aber sicher wieder versucht, sich durch die Fans selbst zu regenerieren. Weil die Fans da draußen mittlerweile auch nicht mehr jeden Scheiß kaufen, das muss ich einfach so hart sagen. Es gibt sehr viele Plattenfirmen, die alles mögliche auf den Markt geworfen haben – und davon sind auch die Plattenfirmen mittlerweile geheilt. Es wird jetzt nur noch das gefeaturet, was auch Qualität bringt und es ist jahrelang schief gelaufen, dass wirklich alle mögliche Scheiße auf den Markt kam. Es hat natürlich in den letzten Jahren auch unheimlich viele gute Bands gegeben. Es gibt einen Haufen Bands, die irgendwie – ich will jetzt nicht sagen das Rad neu erfunden haben. Aber VOLBEAT haben irgendwas neues gemacht, CALLEJON haben irgendwas neues gemacht, AIRBOURNE machen nix neues, aber die machen es frisch. Es gibt garantiert einen Haufen Bands, die es verdient haben, auch groß zu werden, VOLBEAT beweisen das ja gerade.
Wir sind schon so lange dabei und wir machen das ja nicht nur für uns, wir machen das auch für die Fans. Der Fan bekommt bei uns ein tierisches Produkt, wo wirklich Herzblut dahinter steckt, wo alles reingesteckt wurde, mit Bonus-Songs, mit aufgewerteter DVD, die wir da noch dazupacken, und allem Zipp und Zapp. Wir sind wirklich bemüht, alles mögliche zu machen, um den Fan glücklich zu machen, dass er weiß, was er da kauft. Und das wissen die Plattenfirmen mittlerweile zu schätzen, die wollen nur noch solche Sachen auf den Markt bringen. Der gemeine Fan meckert „wird alles immer aufgepumpt?“ – nein, so ist es ja nicht! Es ist ein Kaufreiz. Das ist einfach nur ein Kaufreiz, das muss man einfach auch mal von der geschäftlichen Seite her sehen. Und der Fan da draußen, der hat auch keinen Bock mehr auf diese ganze Verarsche und auf diese Billigproduktionen, die teilweise da draußen rauskommen, der möchte Qualität haben. Das ist das, was ich meinte, um die Klammer jetzt wieder zu zu machen, dass sich die Metal-Szene – ich sage bewusst, die METAL-Szene – selbst wieder ein bisschen versucht zu regenerieren, dass der Fan wieder auf Qualität geht und nicht auf Masse. Und das ist das, was es eigentlich schon seit Jahren immer in der Metal-Szene gab und durch das Internet mal kurz wieder weg war.
Aber es liegt ja nicht alles nur am Internet, sondern es liegt einfach auch an dem ganzen Überfluss an Bands. Die Musikinstrumente sind günstiger geworden, es kann ja mittlerweile jeder Musik zuhause machen. Ich habe auch versucht, Songs für das Album beizusteuern, und bin ständig zwischen Moll und Dur hin und her gesprungen, die Jungs haben sich kaputt gelacht und fanden es cool. Ich meine, ich bin Trommler, aber ich habe zumindest versucht, irgendwas zu machen. Ich habe aber am Ende des Tages auch gemerkt, dass ich es lieber lasse und mehr Schlagzeugspielen übe. Aber der Versuch ist da. Und viele versuchen es und bringen es dann aber auch echt raus und versuchen, das dann irgendwie an den Mann zu bringen. Und der gemeine Fan hat einfach die Schnauze voll, gerade in Zeiten von Facebook, Spotify und diesen ganzen Internet-Sachen, die ich alle begrüße.
Man kann über Facebook oder über MySpace meckern soviel man will, für kleine Bands ist das eine gute Plattform, aber auch für den gemeinen Fan, um zu merken: „Ey, das finde ich ja eigentlich richtig scheiße, die brauche ich gar nicht beachten.“ Die Bands stellen alle ihre Sachen irgendwie online, wie sie gerade Bock drauf haben. Und für uns ist das wiederum eine Möglichkeit noch mehr Leute zu erreichen, die vielleicht sagen: „RAGE? Die gibt’s noch?“ Weißt du, es gibt so viele Schläfer da draußen, die überhaupt gar keine Zeitungen mehr kaufen und auch im Internet nichts damit zu tun und überhaupt gar keinen Plan mehr davon haben, welche Bands es noch alles gibt. Überleg mal, Peavy gibt es nächstes Jahr dreißig Jahre!

Peavy: (lachend) Na hör mal, nächstes Jahr gibt es mich fünfzig Jahre!

André: Ich meine doch die Band RAGE. Und da draußen laufen Fans rum und wundern sich: „Häh, die Band gibt’s immernoch?“ Weißte, das ist schade. Und dem kann man durch die Werbung im Internet schon wieder ein bisschen entgegenwirken und das finde ich wiederum gut. Die Downloads nicht, wer findet die Downloads schon gut? Die Qualität ist echt scheiße.

Peavy: Ich hoffe, dass gerade die Kiddies, die jetzt in diese ganze Geschichte neu einsteigen, das wieder entdecken, dass Musik gut klingen kann. Dass also Musik auch ein Klangerlebnis sein kann und nicht nur irgendwelche Hamster-Geräusche, die man sich da über diese Mini-Kopfhörer irgendwie den ganzen Tag in den Kopf dröhnt. Das ist doch kein Musik-Genuss, das ist doch lächerlich! Da kannst du dir genauso gut einen Rasenmäher oder einen Rasierer anhören, das klingt genauso.

André: Was ich bemerke, ist, dass bei den Konzerten jetzt immer unheimlich viel mehr jüngere Leute am Start sind. Ich erkläre das mal ganz dumm so, dass das alles Kiddies sind, die unsere Kinder sein könnten. Die sind mit Eltern aufgewachsen, die wie wir aufgewachsen sind, noch mit LP, noch mit Kassette, noch mit diesem Bewusstsein, dass man Musik kaufen muss. Das haben die in die Wiege gelegt gekriegt. Und dazwischen war mal irgendwann eine Generation, die damit aufgewachsen ist, dass ihnen das scheißegal ist. Aber jetzt sind unheimlich viele Vierzehn-, Sechzehn-, Achtzehnjährige im Publikum, die zuhause die LPs von ihrem Vater hören – und das ist geil! Das kommt jetzt wieder, das ist die neue Fanschicht. Und das ist das, was ich meine, dass sich diese Metal-Generation jetzt gerade selbst regeneriert, weil sie wieder Bock auf gut gemachte Musik hat. Und das merkt man jetzt.

 

Das heißt, wir können dann doch eigentlich relativ optimistisch in die schwermetallische Zukunft blicken.

André: Ich hoffe es.

Peavy: Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass Nuclear Blast uns heute noch erzählten, dass sich das ganze – zwar noch immer auf einem relativ niedrigen Niveau, aber doch – gefangen hat. Jahrelang stürzte das irgendwie ins Bodenlose, aber der Absturz ist jetzt wohl gebremst.

André: Das verteilt sich alles, du hast vielleicht weniger CD-Verkäufe, dafür hast du jetzt mehr offizielle Downloads. Wobei das mit den offiziellen Downloads immernoch so ein Nagel im Auge jedes Musikers ist, weil die Abrechnungsart immernoch nicht so richtig klar ist. Das kannst du mit einer normalen CD nicht vergleichen.

Peavy: Sprich, für einen Download kriegst du nix.

André: Das ist nix, eine Lachnummer! Das sind 0,0000005 Cent oder so.

Peavy: Da kommt gar nichts beim Musiker an.

André: Klar, die Filmindustrie hat sich selbst regeneriert, die hat ein Format wie BluRay auf den Markt gebracht. Ich hab selber zuhause einen etwas größeren Fernseher und dann gucke ich mir nicht irgendwelche gedownloadeten DivX an, wo ich Augenkrebs von kriege, das macht man einfach nicht.

Peavy: Komischerweise sind die Leute immernoch bereit, Ohrenkrebs zu kriegen. Leute, hört euch mal ein richtig gut produziertes Album auf einer richtig guten Anlage an. Da liegen Welten dazwischen, das hat nichts mit dem zu tun, wie ihr normalerweise euer Zeug über irgendwelche kleinen Hamsterboxen, kleine Mini-Kopfhörer oder euer Handy konsumiert. Das ist lächerlich, das ist kein Musikgenuss!

André: Wenn ich das vor Jahren gewusst hätte, dass sich MP3 so etabliert, hätte ich mir das Wort echt geschützt. Das MP3-Format war, glaube ich, mal dazu gedacht, um irgendwelche Musikdateien auf Homepages im Internet austauschen kannst. Dass du heute in jedem Küchen-, Badezimmer- und Autoradio MP3-Dateien abspielen kannst, dass sich dieses MP3-Format so etabliert, ist unfassbar. Hätte man das mal vorher gewusst! Und wenn du jeden Tag nur noch 224 Kilobyte-MP3s hörst, bist du es natürlich irgendwann gewohnt. Aber ich kann jedem da draußen nur sagen: Leg die ’87er WHITESNAKE in deinen CD-Player und hol sie dir auf einen Stick und vergleich das – dir fliegt der Arsch aus der Hose, da sind Welten dazwischen!

Peavy: Oder hol dir mal einen richtig guten Plattenspieler mit richtig guten, großen Boxen und leg da mal das Vinyl auf, so wie man noch in den Achtzigern Musik gehört hat. Das hat nichts mit dem zu tun, was ihr kennt.

André: Deswegen: Wir geben unser Herzblut, haben unser Herzblut für dieses Album gegeben, Victor am meisten, und er wird es für den perfekten Mix noch weiterhin tun. Bestraft uns nicht mit Downloads, kauft das Album und besucht uns auf Tour, Dankeschön!

Peavy: Amen, Pastor Hilgers hat gesprochen! (lacht)

23.07.2013
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