Rogers -
Ein Zeichen für alle, die uns Steine in den Weg gelegt haben!

Interview

Mit einem ausgestreckten „Mittelfinger für Immer“ machen sich ROGERS mit ihrem neuesten Release in der ersten Verkaufswoche auf Platz 14 der deutschen Charts breit. Breit ist genau deswegen auch das sicherlich nicht mehr weg zu wischende Grinsen auf den Gesichtern der Punkrocker. Eine fast vollständig ausverkaufte Tour gibt die Kirsche auf der Sahne auf dem Eisbecher und mir genügend Gründe, um mit der Band zu sprechen. Schließlich sind ROGERS quasi alte Hasen auf dem Gebiet des Metals. Wer die Bühne des Wacken-Festivals durchgezockt hat, der stellt sich auch ganz easy dem Bonuslevel: Gespräch mit metal.de. Gitarrist Nico Feelisch nimmt sich die Zeit und gibt im Interview Einblicke zur Entstehung der neuen Platte, der Entwicklung der Band und der persönlichen Einstellung zum Punk Rock.

Hallo Nico. Wo steckst du denn gerade?

Ich bin gerade im Studio. Wir haben uns hier getroffen, um die Tour zu besprechen und etwas zuproben. Aber ich habe jetzt Zeit, um mit dir zu reden.

Sehr gut. Dann fangen wir doch einfach mal an und reden über das Neue. „Mittelfinger Für Immer“ ist ja schon eine klare Ansage. Gegen wen oder was geht das Ganze bzw. wofür steht diese Aussage?

Im Grunde geht der Mittelfinger raus an alle Menschen da draußen, die der Meinung sind, irgendwen unterdrücken zu müssen, Ansagen machen zu müssen und jemanden einfach nicht sein lassen zu können, wie er eigentlich sein möchte. Das ist natürlich zum einen auf das Große und Ganze, also auf die ganze Welt anwendbar, aber auch auf uns bezogen. Es ist schon auch von uns so eine trotzige Art, den Leuten entgegen zu treten, die uns Sachen nicht gegönnt haben, die uns in den letzten Jahren Steine in den Weg gelegt haben. Das ist jetzt einfach unser Zeichen an die Menschen.

Wenn man jetzt den Song alleine nimmt, da geht es dann doch eher darum, den dunklen Wolken, die gerade über einen ziehen, den Mittelfinger zu zeigen. Einfach zu sagen: Scheiß drauf, das zieh‘ ich mir jetzt nicht so hart rein. Ich gucke, dass ich alles noch irgendwie mit guter Laune mache, egal wie Kacke mein Tag gerade läuft und hole noch das Maximum aus allem heraus. Das ist auch immer irgendwie ein Leitfaden für uns als Band gewesen. So ein kleines Motto, nach dem wir leben.

Also ein Lernen durch Erfahrung, gerade im Bezug auf Menschen, die einem nicht ganz so wohlgesonnen sind.

Ja durchaus. Aber das müssen ja auch noch nicht mal Menschen sein, die man persönlich kennt. Es gibt ja auch so Sachen, die man mitbekommt, wo jemand unbekanntes Scheiße über dich verbreitet. Da fragt man sich auch sehr, was das soll.

Rogers haben also auch ihre Internet-Trolle?

Ja klar. Aber da musst du aber auch mit um können, sonst kannst du das mit dem In-der-Öffentlichkeit-sein direkt wieder lassen (lacht). Ich denk mir dann immer: „Ey ja mach doch, mir doch scheiß egal.“ Ich lass mir von denen nicht den Tag verderben. Sollen sie schreiben, was sie wollen.

Für das Video von „Mittelfinger Für Immer“ habt ihr euch offensichtlich etwas Hilfe aus der Fanbase geholt. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Ja genau. Also generell sind wir eine familiäre, sehr fannahe Band. Und wir machen so etwas sehr gerne, bitten Leute uns etwas zu schicken oder sich zu filmen, während sie unsere Songs singen oder so, wenn sie Bock darauf haben. Aber in dem Umfang haben wir das bisher auch noch nie gemacht. Wir haben mal anhand einer Verlosung zum Song von „Die Nachbarn Von Oben“ letztes Jahr, mit ausgewählten Personen ein Video gemacht. Bei „Mittelfinger Für Immer“, der ja echt so eine Mitsing-Nummer ist, haben wir gedacht, wäre es doch cool, wenn alle mitmachen würden. Wir haben dann einen Aufruf gestartet.

Hätten uns dann nur drei Leute etwas geschickt, hätten wir uns das wahrscheinlich in der Form auch eher geklemmt, aber da direkt so viele Menschen mitgemacht haben und wir generell sofort echt hohes Feedback zu der Aktion bekamen, haben wir uns entschlossen, ein absolutes Mitmach-Video mit Einblendung des Textes im unteren Bereich, wie so eine Karaoke-Version, zu machen. Klar haben wir auch darauf herumgedacht, zu dem Song eine Art Story zu entwickeln und zu drehen. Aber eigentlich geht es ja in dem Lied darum eine gute Zeit zu haben, also lass uns doch einfach die Leute fragen, ob sie Bock haben, sich dabei zu filmen und dann hauen wir das alles zusammen.

Die Platte generell ist schon sehr zynisch und sozialkritisch. Seid Ihr persönlich auch eher die Zyniker vom Dienst oder haben sich bei der neuen Platte eher so gefühlte tausend Sachen angesammelt, die jetzt raus mussten?

Haha. Nein eigentlich sind wir eher positive Menschen. Von daher eher zweites. Wir nutzen natürlich unsere Songs, um Sachen zu verpacken oder Themen anzupacken, die uns aufregen. Das müssen wir ab und an mal rauslassen (lacht). Ich glaube, das wird aber auch erwartet von einer kritischen Band. Aber egal, wie positiv du durchs Leben gehst, gibt es immer wieder Dinge, die einen aufregen, ist halt immer nur eine Frage, wie man damit umgeht. Wir verpacken es dann kunstvoll zynisch (lacht).

Aber ihr achtet schon immer darauf, das Ganze leichter zu verpacken und nicht mit dem Vorschlaghammer mit Argumenten um euch zu knüppeln.

Ja, wir sehen uns wirklich überhaupt nicht als Moralapostel. Jeder Mensch hat das Recht sich seine eigenen Gedanken zu machen. Was wir immer schon wollten und auch machen, ist, zum Denken anzuregen. Das passiert natürlich, in dem wir unsere Meinung raushauen, aber gleichzeitig nicht in Form einer Band, die meint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Diskussionen sind wichtig, reden ist wichtig. Dazustehen und nur zu sagen „Alles ist scheiße“ bringt nichts. Diese Haltung bringt niemanden und uns auch nicht wirklich weiter.

Vor einiger Zeit habt ihr in einem Interview gesagt „Punk Rock muss nicht immer alles in Schutt und Asche legen. Man kann sich auch etwas aufbauen und versuchen damit eine breitere Masse zu erreichen.“ Welcher Moment war für dich das ultimative Zeichen, dass ihr mit dem, was ihr macht, auf dem richtigen Weg seid?

Da würde ich direkt sagen, nach unserer ersten Headliner-Tour letztes Jahr im Frühling.
Ich denke da an den Gig in Köln. Wir sind ja eigentlich Düsseldorfer, haben aber eine Show in Köln gespielt, natürlich dann auch mit der Hoffnung, dass auch viele aus Düsseldorf nach Köln rüberkommen. Ja und dann bist du da in dieser Halle und dann ist die einfach mega gefüllt. Und als wir dann von dieser Bühne runter sind, kommt unser Schlagzeuger, der Dom an, und sagt: „Ey krass. Ich habe gerade erst gecheckt, dass die alle nur wegen uns da waren.“ Ja und das ist so ein Moment, da sind uns allen so die Augen aufgeploppt.

Wir sind halt echt eine Band, die supersuperviel spielt. Die da auch extrem viel Wert darauf legt. Wir haben halt auch unfassbar viele Festivals oder auch Suppourt-Touren die letzten Jahre gespielt und dann machst du deine eigene Tour und da siehst du dann erst, ganz blöd gesagt, was wirklich hängen geblieben ist. Das ist halt mega schön. Das siehst du bei der aktuellen Tour halt auch wieder, das wir in größere Hallen umlegen dürfen, weil der Gig Monate vor dem eigentlichen Tourstart schon ausverkauft ist.

Dann bekommst du die Verkaufszahlen geliefert und denkst dir echt so „Wow. Krass.“ Obwohl es in dem Moment natürlich extrem dröge ist, dafür Verkaufszahlen zu nehmen oder es daran zu messen. An der Stimmung bei den Shows kannst du es natürlich auch sehen. Also die Zeiten, wo bei unseren Auftritten richtig miese Stimmung herrschte, sind vorbei. Das waren aber auch die Zeiten, wo wir das noch nicht so gut konnten und andauernd besoffen waren auf der Bühne (lacht).

Aber es ist halt jetzt echt heftig zu sehen, dass hunderte von Menschen in eine Halle kommen, um dich zu sehen. Und dann singen sie noch deine Songs mit, das ist noch krasser. Die kennen deine Texte auswendig, das ist Wahnsinn.

Wo fühlt ihr euch denn wohler: die größere Bühne oder eher der kleine Club?

Gleichermaßen. Darüber philosophieren wir oft, immer mit dem Ergebnis, dass es sich die Waage hält.Beides ist schön. Klar, im Club bist du näher an den Leuten, bekommst die Emotionen direkt mit, das ist dann direkt etwas mehr fürs Herz. Auf der anderen Seite bedeutet Club auch immer, selten draußen und an der frischen Luft. Bei jeder Clubtour wird immer irgendwann einer krank und steckt alle um sich herum an. Also ist da dann auch immer etwas leiden mit angesagt.

Das ist bei Festivals bei geilstem Wetter meistens eher nicht der Fall. Da ist alles meistens sonnig, alle gut drauf. Wir sind halt auch absolute Sonnenkinder. Aber da fällt die persönliche Komponente zum Publikum natürlich weg, weil du einfach viel zu weit entfernt bist. Aber da überlegen wir uns auch immer irgendwas, wie z. B. kleine Akustik-Sets am Merchstand. Wir finden das alles geil. Hauptsache wir können live spielen. Wir haben immer einen Menschen mit dabei, der Videos von unseren Gigs macht und alles so für uns mit aufnimmt und wenn du dir das dann im Nachhinein anschaust, gibt das noch mal extra Energie.

Energiegeladen läuft es auch bei der Geschwindigkeit eurer Veröffentlichungen. „Mittelfinger Für Immer“ ist jetzt nur wenige Monate nach dem letzten Album veröffentlicht worden. Wie gut ging euch die neue Platte von der Hand?

Unterschiedlich, um ehrlich zu sein. Das Musik schreiben an sich, dass läuft immer irgendwie weiter. Da haben wir auf Tour, oder wenn wir mal zuhause waren, immer weiter gemacht, dass passiert konstant. Studio allerdings fällt immer schwer am Ende. Aus dem einfachen Grund:Irgendwann musst du die Entscheidung treffen, dass der Song fertig ist, dass du nicht mehr daran herumbauen kannst oder darfst. Irgendwer meinte mal, es ist wie, wenn du den Pinsel weglegst beim Malen. Das ist aber ein falscher Vergleich.

Beim Bild kann ich immer wieder noch mal ran und was hinmalen, wenn dir was auffällt. Hier ist es eher so, dass dir jemand das Bild wegnimmt, und schweißt es in Plastik. Dann kannst du nicht noch mal so einfach dran und was ändern. Das ist immer verdammt schwer. Klar gibt es Songs, da spielst du in einer Rutsche alles ein und es ist geil (lacht), aber dann sind da auch Songs, da denkst „Ach komm, hier noch ein Knöpfchen drehen, da noch ein müh anpassen.“ Da zerledert man sich ordentlich.

Auf dem Album „Augen Auf“ sind echt circa zwei-vier Songs, wo ich jetzt denke „Scheiße, da fehlt mir was.“ Wird keinem jemals auffallen, aber mir schon. Davon darf man sich jetzt aber auch nicht fertigmachen lassen. Bei „Mittelfinger Für Immer“ fühlt es sich aber gerade an, als hätten wir das Maximum herausgeholt.

Du bist aber auch diesmal die hauptbeteiligte Person in Sachen Songwriting? Wie läuft das Bauen von Texten denn bei dir ab?

Jedes Mal auf anderen Wegen. Komplett unterschiedlich. Supergutes Beispiel dafür, wie es laufen kann oder wie man es gar nicht machen sollte, ist eigentlich der Song „Einen Scheiß Muss ich“ („Augen Auf“). Ich habe mich mit einem alten Kumpel getroffen und halt so überlegt, etwas uns noch so für die damalige Platte fehlt. Frei nach dem Motto:Lass uns mal, etwas richtig freches, Asoziales machen. So unkompliziert wie möglich, einfach nur Bock machen und heftig abgehen. Das war die Grundidee in Kombination mit noch drei-vier Bier (lacht) einfach auf der Gitarre herumzimmern und mal sehen, was dabei herauskommt.

Oft stehe ich aber einfach nur irgendwo und dann fällt mir eine Textzeile oder eine Melodie ein und dann muss ich mir die aber dann auch schnell notieren oder merken, damit mir die nicht flöten geht, was auch schon oft genug passiert ist. Und dann so „Kacke, das hätte ein Meisterwerk werden können“ (lacht). Manchmal kommt auch einfach durch nen absoluten Hirnfurz heraus, die perfekte Idee (lacht).

„Wo immer du gerade bist“ ist ja eher vom Text her ein Track über Liebe, Beziehungsenden, Dinge, die im privaten nicht so rund laufen. Wenn wir die Idee mal weiterspinnen, was lief denn bei dir in letzter Zeit so richtig mies oder so richtig bombig?

Ähm… kleine Probleme? Ich glaube, es gibt natürlich immer so grundsätzliche Dinge, die bei einem schief laufen können, wie jetzt zum Beispiel, wie in dem Song beschrieben, bei einer Beziehung. Aber ansonsten kann ich mich eigentlich nicht beschweren. Im Grunde geht alles bei mir (lacht). Im Grunde ist alles gut. Aber ich halt mir auch immer, wenn mir was Blödes passiert vor: ganz im Ernst, was für ein Luxus, dass ich in Europa lebe und solche Probleme habe. Das darf man auch nie vergessen. Wir sind in einer sehr luxuriösen Position in diesem Land.

Sicherlich ist hier nicht alles geil, bei Weitem nicht. Es gibt richtig krasse Probleme und viel Scheiße, die hier abgeht. Aber um ehrlich zu sein, als Mensch mit einer deutschen Staatsbürgerschaft, hast du schon richtig gewonnen. Wir regen uns über Kleinigkeiten nicht mehr so auf, wie „dein Kaffee ist zu heiß“ (zitiert aus „Hartes Leben“/“Mittelfinger Für Immer“).

Oder, wenn alle durchdrehen, wenn Instagram oder Whats App mal nicht funktionieren.

(lacht) Ja. Mann, Das war so geil gestern (Anm. der Red. Abend vorher gab es einen etwas größeren Systemausfall diverser Social Media-Plattformen). Ok, zugegeben kurz habe ich mich auch etwas aufgeregt, weil eine lange Sprachnotiz nicht durchgegangen ist (lacht), aber auf den anderen Seite, wars mir auch egal. Hat mir auch sehr gut gepasst, da ich sowieso finde, dass uns Handys und der ganze Social Media-Kram echt viel zu viel Zeit raubt.

Überleg‘ mal, wenn du auf Tour bist und weißt, du fährst jetzt vier Stunden auf der Autobahn dahin und so denkst: „Krass, was soll ich denn vier Stunden im Auto machen?“ Ja und dann düdelst du mit dem Handy herum und zack sind mal eben vier Stunden deines Lebens weg. Da habe ich das Gefühl Lebensqualität zu verlieren. Und wenn dann die Plattformen down sind, kann mir auch keiner auf den Keks gehen (lacht).

So das war es auch schon. Ich danke dir Nico. Hast du denn noch letzte Worte an die Metal.de-Leser?

Ja, was kann ich denn mal Schönes an die Community rausschicken. Auf jeden Fall ganz liebe Grüße an die Leser. Wir finden es wirklich mega geil, dass wir innerhalb eines Bereiches, in dem es eigentlich um Metal geht, stattfinden dürfen. Danke noch mal, dass das so einfach und offen klar geht. Wir haben letztes Jahr auf dem Wacken gespielt und das war so geil. Wir selber sind innerhalb von Genres überhaupt nicht festgefahren und deshalb feiern wir das sehr, das wir auch im Metal-Bereich dabei sein dürfen(lacht). Also fettes Danke dafür!!

 

Quelle: Rogers, Nico Feelisch
28.03.2019

It`s all about the he said, she said bullshit.

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