Sumerian Tombs
Blut bleibt Blut
Interview
Zu den aktuell spannendsten Bands im deutschen Black Metal zählen die Kölner SUMERIAN TOMBS, weil sie klassisches Skandinavien-Feeling mit frischen Ideen und einer packenden Atmosphäre kombinieren. Zudem ist der inzwischen auf Quartettgröße geschrumpfte Haufen Untoter auch einer der angenehmsten Meuten, die man im aktuellen Szenebetrieb so antreffen kann. Daher wird in folgendem Interview auch niemand erst versuchen, besonders trve zu sein oder den tiefenentspannten Umgang miteinander zu verbergen.
Grüßt euch und herzlichen Glückwunsch zum neuen Album! Nachdem euer Debüt bereits in bestimmten Kreisen sehr wohlwollend aufgenommen wurde, sind die bisherigen Reaktionen auf die neue Scheibe “Age Of Eternal Night” ja sogar noch überschwänglicher, kann das sein?
W: Tach auch, Dankeschön und stimmt – bislang ist die Resonanz zum neuen Album doch großen Teils sehr positiv. Da haben wir anscheinend doch irgendwas richtig gemacht!
Generell war euer Erstling für ein Black-Metal-Debüt ein ziemlicher Erfolg. Gab es irgendwas in den letzten drei Jahren, das anders oder besser hätte laufen können?
W: Zumindest in Teilen der Republik ja – bei wieder anderen sind wir überhaupt gar nicht auf dem Schirm. Was hätte besser laufen können? Die Drama-/Drummer-Situation hatte sich von Ende 2023 einmal quer durch bis ins Jahr 2024 etwas holprig dahingezogen – dahingehend keine Konstante zu haben und dementsprechend keine Planungssicherheit zu haben, ätzte schon sehr hart und so wurden unter anderem deswegen Konzertanfragen ausgeschlagen.
Euer Line-up hat sich minimal verändert.
W: Jein. Wir hatten wie gerade erwähnt einige Probleme, einen neuen festen Schlagzeuger zu finden, die sich letztendlich bis in dieses Jahr gezogen haben. Ich denke mal, wer in Bands spielt, kennt das Problem. Das Schlagzeug auf dem Album hat letztendlich M eingespielt, der bei uns Primär an der Gitarre steht aber am Schlagzeug groß geworden und ein hervorragender Trommler ist, was man auch auf den letzten beiden Gigs (Horn Feldpost, Acherontic Arts) hören und sehen konnte.
Auf dem Debüt hat man euren persönlichen Stil schon sehr elaboriert rausgehört. Dahingehend habt ihr aber noch mal eine ordentliche Schippe zugelegt. Zudem ist “Age Of Eternal Night” auch kompositorisch wesentlich epischer und ausgefeilter, während der Erstling generell noch etwas mehr aus dem Bauch heraus, drauflos komponiert klang. Das ist aber nichts Negatives, es kommt eurem Storytelling sehr zugute. Wie seht ihr die Entwicklung, wenn ihr beide Alben vergleicht?
W: Wir waren alle involvierter als beim ersten Album.
K: Was W sagt. Ohne die nächste Frage vorwegzugreifen, war die grundsätzliche Vision des Sounds durch das Demo und das erste Album schon gelegt. Wir wollten dieses mal eine bessere Verschmelzung der Energie des Demos und der Epik des Debuts erreichen. Das ganze fühlte sich schon beim Komponieren richtig an und das Ergebnis bestätigt unsere Vision. Ich zumindest, und ich denke, da spreche ich auch für den Rest der Band, bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden!
Lief das Songwriting ähnlich wie beim Debüt ab?
K: Das erste Album ist eigentlich noch vollständig durch mich geschrieben worden, mit festen Arrangements, bei welchen nur noch die Bass Spuren und die Drums etwas Freiheit hatten. Das war diesmal ganz anders. Auch wenn das Grundgerüst aus meiner Feder kam, haben alle ihren großen Anteil beim ausarbeiten der Songs gehabt. Sei es nun Bass, Schlagzeug aber auch gerade im Gitarrenbereich die Soli von M.
Stichwort Storytelling: Auf dem neuen Album setzt ihr die Geschichte des Pilgers, der auf der Suche nach okkultem Wissen und vampirischen Geheimnissen ist, fort. Ist sein Schicksal mit diesem Album besiegelt? Der abschließende Titeltrack könnte sich sowohl wie das Ende von allem oder der Auftakt zu neuem Horror lesen lassen.
W: Darüber haben auch schon die Jungs vom “Plattnerei Podcast” in der letzten Folge philosophiert. Interessant, wie sehr sich Wahrnehmung, Vorstellung und Interpretation unterscheiden können … Ich habe die Lyrics als eine direkte Fortsetzung zum Debüt geschrieben und die “Geschichte”, wenn man so will, schließt an die Handlung des ersten Albums an und trägt sich fort. Dabei würde ich es belassen, da ich den freien Interpretationsgedanken ganz witzig finde.
Man hat das Gefühl, W hat auf dem neuen Album noch mal bewusster mit den verschiedenen Klangfarben und Registern seiner Stimme gearbeitet, um die Vielfalt und Dynamik der Musik zu spiegeln.
W: Das ist teils bewusst und teils “us de Lameng” [Kölsch Slang für “aus der Kalten” oder “aus dem Bauch heraus” – Anm. d. Red] beim Aufnehmen entstanden. Ich habe die letzten Jahre hier und da neue Erfahrungen sammeln und mit meiner Stimme experimentieren können – sehr zum Leidwesen meiner Dusche!
Fühlt ihr euch eigentlich der Vampir-Thematik im mesopotamischen Kontext für die Zukunft verpflichtet oder wäre es denkbar, dass ihr irgendwann andere Themen anschneidet?
W: Aktuell fühlen wir uns bei den heißen und verlorenen Wüstengeistern Mesopotamiens noch sehr wohl – wer weiß, wohin die Reise geht – und Vampir-Mythen gibt und gab es rund um den Globus.
K: Ich bin da für alles offen. Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende. Es warten noch weitere Zeitepochen! Welche anderen Themen bzw. Regionen fändest du denn spannend?
Ich denke, grundsätzlich passen zu euch die Abgründe verschiedener Mythologien, so auch die, die bspw. noch weiter östlich zu finden sind. Interessanterweise kann ich mir bei euch wiederum weniger biblische und auch keine skandinavisch-germanischen Bezüge so richtig vorstellen, trotz des Frühneunziger-Norwegen-Vibes im Sound.
Aber bevor ihr mich jetzt interviewt: Ihr habt nun schon ein paar Live-Gigs mit SUMERIAN TOMBS gespielt. Angenommen, sämtliche finanziellen und logistischen Faktoren spielen keine Rolle: Was wäre das perfekte Ambiente, um eure Musik live zu inszenieren?
W: Feuer, Blut, Gruft!
Zurück zur Realität: “Age Of Eternal Night” wirkt so geschlossen und filmisch, dass es sich eigentlich für eine Live-Darbietung am Stück eignen würde.
W: Vielleicht mal in 10 Jahren, wenn es uns dann noch gibt …
K: Der Spannungsbogen des Albums würde für ein Konzert perfekt passen. Mal schauen was die nächste Zeit bringt!
Wie kam es zu dem 4-Track-Bonus-Album “Ritus”? Ungewöhnlich ist ja ebenfalls, dass ein Bonus-Track die erste Single darstellt, wie in eurem Fall mit “Savage Dream Of Wrath And Blood”, bei dem Kerem von IMHA TARIKAT mitwirkt.
W: Zu Kerem: Fragen kost nix!
K: Wir wollten dieses Mal gerne etwas anderes als beim Debut versuchen. Dort hatten wir ja als Bonus-CD einen 8 Spur-Tape-Mix des Albums beigefügt. Dungeon-Synth-Stücke hatten wir auch schon, also warum das ganze nicht konsequent weiter denken und etwas elektronischer werden? So sind zumindest “The Ascent” und “The Dawn” entstanden. “The Offering” war neben “Savage Dreams Of Wrath And Blood” sogar mit als erstes entstanden. Ich wollte aber nicht nur BATHORY-Worship haben. “Savage Dreams…” war eigentlich auch regulär für das Album vorgesehen, fühlte sich später aber nicht mehr richtig im Fluss des Albums an, weshalb “Epitaph In Blood” geschrieben wurde. “Savage Dreams…” war aber dabei zu gut um diesen nicht auch regulär im Studio aufzunehmen. Und Kerem hat den Song dann mit seinem zarten Stimmchen vergoldet.
Mit IMHA TARIKAT, CHAPEL OF DISEASE, THE NIGHT ETERNAL, SUMERIAN TOMBS und ULTHA kommen gleich mehrere verdammt gute und für die aktuelle Szene wichtige Bands aus Köln. Das war aber noch nicht immer so, kann das sein? Wie seht ihr die Entwicklung der lokalen Szene bei euch?
W: IMHA TARIKAT und NIGHT ETERNAL kommen aus Köln? Wusste ich auch nicht. Scherz bei Seite – ich denke, die lokale Szene entlang des Rheins war immer stark präsent und fördert seit Jahren schon mächtige Stücke Musik ans Licht. Es gibt vielleicht mal Phasen in denen mehr passiert: Wir haben gerade das Album veröffentlicht – Kerem und IMHA TARIKAT feiert im Juni Release und ULTHA haben sich für dieses Jahr auch noch angekündigt, soweit ich weiß… Irgendwas ist anscheinend hier im Wasser.
K: Köln ist halt das neue Berlin. Punkt.
[Der Autor hat in bester Absicht und falscher Gewissheit hier möglicherweise den einen oder anderen Act nach Köln gesteckt, der dort gar nicht hingehört. Wer sie findet, darf sie behalten.]
Ohne, dass SUMERIAN TOMBS eine politische Band ist, positioniert sich manch einer von euch als Privatperson sehr deutlich und unmissverständlich gegen Faschismus, Krieg und ähnlichen Blödsinn. Gerade im Black Metal, inzwischen aber wohl leider in jedem Subgenre, ist das keine Selbstverständlichkeit. Wo ist für euch die Grenze als Band, wenn es darum geht, wo ihr spielt, Interviews gebt, Alben veröffentlicht usw.?
K: Ohne hier die Band politisch positionieren zu wollen, denn gerade hier sollte die Musik im Vordergrund stehen, gibt es bei uns klare Grenzen, die intern auch besprochen werden, sollte dies notwendig werden. Wer uns privat kennt, weiß wo wir herkommen und wo wir stehen, die Grenzen sollten also für diejenigen offensichtlich sein. Für alle anderen gilt: Als Vampir gilt folgender Leitsatz. Blut bleibt Blut, ist immer rot und gleich guter Lebenssaft, egal welches Geschlecht eine Person hat oder mit welchem sich diese identifiziert, woher eine Person stammt, welche Wurzeln oder welche Hautfarbe sie hat.
Beim letzten Mal haben wir noch nach euren Lieblingsalben mit Vampir-Thematik gefragt. Wenn SUMERIAN TOMBS eine metal.de-Delegation zum Filmabend in den Proberaum laden würden – welche Filme habt ihr in der Vorauswahl und welche Getränke dürfen wir mitbringen?
W: Wenn wir schon bei „Vampir-Filmen“ bleiben: “Dracula” (1958) mit Christopher Lee, “Salems Lot” (Film oder Serie – geht beides) und am Ende noch “Dracula – Tod aber Glücklich”!
K: “So Finster Die Nacht“, “Let Me In”, “Lost Boys” und natürlich “5 Zimmer, Küche Sarg”. Was schwebt Dir denn da vor Johannes?
Die komplette “Twilight”-Reihe natürlich! Spaß beiseite. Unkreative Wahl, aber geht immer: Murnaus “Nosferatu” von 1922. Ich sehe aber in eurer Musik auch die Atmosphäre alter Sandalen-Epen à la “Die 10 Gebote”. Für den Durst bringen wir natürlich eine Stiege unseres Metal-Hell-Bieres und selbstgemachten Mexikaner mit. Sieht aus wie Blut und man fühlt sich am nächsten Morgen auch entsprechend untot.
Wie sehen denn eure Live-Pläne in näherer Zukunft aus?
W: Nach dem Acherontic Arts Festival wird es erst einmal wieder ruhiger – gegen Ende des Jahres und vermehrt ab 2026 könnte man wieder mit uns rechnen.
Danke für das Interview. Die letzten Worte gehören euch!
K: Danke Johannes, aber die letzten Worte gehören dir! Da ja jetzt einige Zeit seit dem Review verstrichen ist, wie siehst du “Age Of Eternal Night” im Vergleich zum Debüt?
Ugh, kalt erwischt! Ich muss demütig gestehen, ich hätte noch einen Punkt mehr geben können und sollen. Es ist in jeder Hinsicht besser als euer Debüt. Zu meiner Verteidigung: Wenn man vom ersten Album schon so angetan war und “nur” zwei Wochen mit dem Album verbringen kann, bis die Review erscheint, bewertet man lieber etwas vorsichtiger.
