Ultha
"Einige haben sogar Tattoos von uns..."

Interview

Die Kölner ULTHA sind bei Liebhabern von atmosphärischem, ausladendem Black Metal im Fahrwasser diverser US-Bands (WOLVES IN THE THRONE ROOM, WOE, FALL OF RAUROS) und auch vielen anderen Schwarzwurzlern in den letzten Jahren ständig in Bekanntheit und Ansehen gestiegen , was sich auch durch verstärkte Sichtung der Band auf Shirts und Kutten bemerkbar machte: Überzeugende Musik und Liveshows bei Touren in intimen Clubs, aber auch auf großen Festivals (u.a. Party.San 2017) werden dazu sicher ihren Teil beigetragen haben. Nach dem Debüt „Pain Cleanses Every Doubt“ (2015) und „Converging Sins“(2016) steht bald mit „The Inextricable Wandering“ die dritte Scheiblette – oft das berühmte Make-it-or-break-it-Album – bei Platzhirsch Centurion…, nein Century Media an.
Im Zuge der Veröffentlichung konnten wir ULTHA Fronter Ralph Schmidt für ein paar Fragen gewinnen… woher der Name ULTHA kommt, was für eine Geschmacksrichtung die Band hat und was ihn von den anderen Mitgliedern in der Band unterscheidet, erfahrt ihr im Folgenden:

(metal.de) Was ich ganz gerne machen würde ist, dass ich dir ein paar Fragen stelle, die ein wenig anders als die üblichen Interviewfragen sind. Ich hab mir ein wenig was vorher rausgesucht und wir probieren die einfach mal so gut wie möglich abzuarbeiten.

(Ralph) Finde ich gut. Für viele Interviewer sind wir noch ein neuer Name und dann kommen meistens die üblichen Fragen nach Herkunft des Bandnamens, die Geschichte der Band und warum unsere Songs so lang sind..

Ja. Das weiß ich bei euch sogar. Hab ich in einem anderen Interview gelesen. Lovecraft, richtig? Welche Story war das nochmal?

Korrekt. Die Story heißt “The Cats of Ulthar”. Ich hatte den Namen in einer Liste aus Worten die als Bandname oder Songtitel funktionieren könnten. Als wir dann gezielt wegen eines Namens überlegt haben gefiel uns dieser am besten. Wir haben dann aber das R weggelassen, da es ULTHAR schon gab und die 5 Buchstaben mit den beiden Vokalen außen eine bessere Symmetrie ergaben.

Ist das ne Kurzgeschichte?

Ja, genau. Geht um ein älteres Ehepaar die Katzen hassen und abseits der Stadt Ulthar wohnen. Katzen die dahin wandern kommen nie wieder. Später sind es dann die Katzen, die denen einen Besuch abstatten. Es geht ein wenig um die Natur, die sich am Menschen rächt. Zumindest war das immer meine Auslegung.

Klingt ein wenig wie Friedhof der Kuscheltiere.

Ja, so grob in die Richtung. Auf jeden Fall was das mystische und bedrohliche Feeling angeht.

Wenn du selber Interviewer wärst, was würdest du dich oder deine Band fragen?

Das ist gar nicht so einfach, lass mich kurz überlegen. Hhm, aus der Sicht eines Interviewers der sich noch nicht so intensiv mit uns beschäftigt hat würde ich wahrscheinlich auch fragen, warum unsere Songs so lang sind. Oder vielleicht wie wir es hinbekommen, so viele unterschiedliche, auch nicht-metallische Stile zu vermischen, ohne das es aufgesetzt wirkt.

Bei intensiverer Beschäftigung mit der Band und dem kompletten Output wäre wahrscheinlich die Frage, warum unsere Musik chronisch melancholisch ist, also die Inhalts- und Kontextebene. Denn ich habe auch schon von einigen gehört, wir wären eine depressive Band. Obwohl ich nicht sagen würde wir machen DSBM oder so, ist unsere Musik halt eher schwermütig, nachdenklich oder melancholisch im Ausdruck. Die Texte sind ja äußerst persönlich und zusammen mit Albumcover und Texten soll die Musik eine Einheit bilden. Und es ist nun mal diese allumfassende Schwermut die mich meistens zum Schreiben bringt.

Perfekt, damit hast du gleich auch schon die Antwort vorweggenommen. Wenn du in der Zeit zurückreisen könntest und eine Sache ändern könntest, was wäre das?

Ich würde an den Punkt in meinem Leben zurückkehren, an dem ich das Grundvertrauen in andere Menschen verloren habe um mich selbst zu warnen, wie schwer alles ab diesem Punkt werden wird. “Tu trembles, mon cœur? Tu tremblerais davantage, si tu savais où je te méne.”

Welche Dinge in eurer musikalischen Laufbahn würdet ihr nie wieder so machen?

Naja, wahrscheinlich nicht mehr mit “gewissen Bands” spielen, außer wir holen uns vorher eine ausdrückliche, schriftliche Erlaubnis diverser Internetforen ein.

Nein, Spaß beiseite, wahrscheinlich würden wir weniger Kompromisse eingehen und uns nicht mehr unter Wert verkaufen. Klar kann es vorkommen als junge Band mal für einen Kasten Bier 800 Kilometer zu fahren und vor 12 Leuten zu spielen. Ist sicher eine lehrreiche Erfahrung und bereitet einen darauf vor was für ein “Grind” eine Tour sein kann. Aber das blieb uns bei ULTHA weitestgehend erspart, weil wir durch die alten Bands schon genügend Kontakte hatten und gleich Interesse an der Band bestand. Aber dieser unglaubliche Stress sich in ein Auto zu quetschen und solche Brutalo-Aktionen zu machen muss echt nicht mehr sein.

Wie würdest du eure Musik mit einer Geschmacksrichtung beschreiben?

Wie ist das gemeint?

Ja, schon die geschmacklichen Sinne zum Beschreiben nutzen, also sauer, bitter, süß

Achso… dann wahrscheinlich “bitter-süß”, da sich unsere Musik ja aus diversen Teilen zusammensetzt die unterschiedliche Attribute mit sich bringen: Da ist das melancholische, kalte und verzweifelte des Black Metal, ebenso wie die “schönen” Melodien des Dark Wave. Es geht nicht um Zerstörung oder Hass, eher um dieses Gefühl der Verzweiflung, was nicht immer schlecht schmeckt.

Googlet ihr euch selber als Person oder als Band und lest dann was über euch so geschrieben wird oder interessiert das eher nicht?

Manchmal mach ich das schon um zu schauen was man über mich online so herausfinden kann, denn da ich ja im öffentlichen Dienst arbeite wäre es unter Umständen nicht so gut. Ob da jetzt jemand schreibt, dass er mich oder meine Musik scheisse findet ist eher sekundär. Meine Kolleginnen und Kollegen wissen zwar, dass ich Musik mache, aber nicht welche oder wie die Band heißt. Meine Schüler wissen nichts davon.

Was ULTHA angeht, da google ich uns eigentlich nicht selber für Reviews oder so, aber wenn man nach dem Hashtag #ULTHA zum Beispiel bei Instagram sucht, ist es manchmal ganz interessant was die Fans da so drunter verlinkt haben.

Welches musikalische Klischee (muss nicht Metal sein) kotzt dich/euch am meisten an?

Da gibt es einige. Zum Beispiel das im Neofolk so sehr mit Nazischeiß kokettiert werden muss; das im Black Metal so oft erst das Image stehen muss bevor man Musik schreibt; generell Verbohrtheit im Metal und dieser oftmals fanatische Purismus das eine Kategorie von Metal nur dann “echt” ist, wenn sie alle Normen erfüllt die irgendwann irgendwer mal diktiert hat; der verdammte Drogenkonsum unter Musikern; das im Punk und Hardcore oft über Unity, Crew und so was geredet wird, über Menschen-, Frauen- und sonstige Rechte philosophiert wird, man vorne rum einen auf Bussi-Bussi Gesellschaft macht und dann hintenrum so oft einfach der selbe, gutbürgerliche Stammtisch-Tenor herrscht…etc pp. Ich weiß schon, warum ich mich aus so vielem lieber raus halte und alleine zuhause bleibe.

Ich geb dir nun ein paar Stichwörter bzw. angefangene Sätze und du probierst die einfach kurz in 1-2 Sätzen oder vielleicht mit ein paar anderen Stichworten zu beantworten mit dem was dir in den Sinn kommt.

Guilty Pleasures?

Ich kann “Monopoli” von Klaus Lage auswendig mitsingen.

Köln ist…

…eine gute Stadt zum Leben, wenn man mal den Fluch des Karneval außen vor lässt.

Journalisten sind …

…je nach Aufgabengebiet, Motivation und Interesse zwischen wichtig und gut verzichtbar.

Musiker sind …

…je nach Aufgabengebiet, Motivation und Interesse zwischen wichtig und gut verzichtbar.

Wie würdest du für dich/euch Erfolg definieren? Seid ihr schon erfolgreich, gibt es noch weitere Dinge die ihr erreichen wollt oder reicht euch das, was ihr momentan habt?

ULTHA ist unser Hobby. Dieses trägt sich aufgrund von Gagen und Merchandise mittlerweile selbst. Wir bekommen tolle Shows angeboten in Ländern die wir so nie besuchen könnten, haben die Chance mit Bands zu spielen die wir schätzen, vor Leuten die sich interessieren für das was wir tun. Wir bekommen Feedback dazu, wie viel unsere Musik und die Texte manchen Menschen bedeutet; einige haben sogar Tattoos von uns. Das ist mehr Erfolg als wir uns je vorgestellt hätten.

Auf Tour oder nach den Konzerten eher Alkohol oder entspannen bei ein wenig was zu rauchen?

Kommt auf die Person in der Band an. Für mich weder noch. Ich freue mich meistens eher auf das Essen, was ich mir vor der Show gebunkert habe und eine Cola.

Das ist natürlich sehr frisch, aber ich kann mir vorstellen ihr seid wie andere Künstler im Dauer-Schreib-Modus mit vielen neuen Ideen. Gibt’s schon erste Entwürfe für nachfolgende Musik oder steht die nächste Zeit erst mal ganz im Zeichen von Touren und Promoten von “The Inextricable Wandering”?

Also, das ist tatsächlich noch sehr früh, denn das neue Album ist ja noch nicht einmal draußen. Aber ja, ich funktioniere nur so glaube ich. Da ist schon eine ganz grobe Ideen für den Nachfolger, vor allem in Hinblick auf die Themen und das Konzept. Zusammen mit “Converging Sins” und “The Inextricable Wandering” soll es eine Art Triologie ergeben. Natürlich noch nix konkretes und ausgearbeitetes.

Es gibt ja Bands die legen sich alles vorher konzeptmäßig zurecht, haben in ihren GuitarPro Files alles bis auf die letzte Note geplant und nehmen dann so auf. Passiert das Songwriting bei euch ebenso oder gibt es old school auch Jam-Sessions wo Ideen dann gemeinsam ausgearbeitet werden?

Ich kenne mich leider noch zu wenig mit Software auf dem Computer aus um da was alleine komplett zu komponieren und für mich auszuarbeiten. Es gibt bei uns schon noch diesen Old-School Aspekt, dass wir im Proberaum zusammen an den Songs arbeiten. Allerdings arbeite ich schon Ideen und teilweise ganze Songs aus und sag den anderen, wie ich mir diverse Parts vorgestellt habe. Das probieren wir dann gemeinsam aus und arbeiten mit den Ideen, schreiben sie um, arrangieren neu etc. bis es ein ULTHA-Song ist.

Das Maximale was ich an technischem Fortschritt nutze ist, dass ich mich mit dem Iphone selbst beim Spielen eines Riffs filme, damit ich die Melodie und Akkorde nicht vergesse. Den Rest schreibe ich dann im Kopf. Es ist wirklich nicht leicht sich alles zu behalten, wenn Songs 15 Minuten lang werden und viele verschiedene Riffs und Nuancen vorkommen. Und während ich zum Beispiel Joggen gehe kommt mir dann Inspiration für eine andere Melodie, für Dinge die ich gerne von den Drums oder Bass hätte. Das kann ganz schön anstrengend werden. “The Avarist” war beispielsweise ein Song, der echt lange gebraucht hat bis er fertig war. Es gab natürlich gewisse Parts die gingen schnell, aber dann den Song zusammen zu setzen war langwierig. Jetzt ist er aber ziemlich perfekt, finden wir.

War der Grund für “Gallows” und “We Only Speak In Darkness” um ein paar kleine Ruhepunkte mit im neuen Album zu haben? Auf “Converging Sins” habt ihr ja schon ein wenig mit anderen Genreeinflüssen gespielt, auf dem Debüt gab es das noch nicht, das war relativ straightforward, oldschool Black Metal in klassischer Besetzung. Aber 7 Minuten Synthieloops dürfen sich sonst nur URFAUST erlauben. War das Absicht, so Trance zu erzeugen? Solche Zwischenspiele bzw. die Art wie man die einzelnen Tracks dann arrangiert beeinflussen ja auch sehr den Fluss eines Albums.

Ja, ich finde das hast du schon ganz gut beschrieben. Ein Album muss fließen können, muss kongruent sein. Wir haben aber auch ganz bewusst Kontrastpunkte mit hineingebracht. Es geht ja bei allem was wir machen primär um ein Gefühl das sich durch das Album zieht. Da nutzen wir auch mal andere Methoden. Ich meine, die ersten beiden Songs auf dem Album sind schon eher ziemliche Brecher. Da direkt dann noch einen heftigen Song nachzuschieben wäre super anstrengend und einfach zu viel. Wir würden das so nicht hören wollen und primär machen wir die Musik ja für uns. Dadurch, dass wir diese eher ungewöhnlichen, Metal-untypischen Tracks mit drin haben haut der nachfolgende Track dann wieder doller rein.
Also ja, das war schon Absicht, dass wir die Songs an diesen Stellen aufs Album genommen haben. Wir wollen uns ja auch ständig weiterentwickeln und neue Sounds ausprobieren. Den Vergleich mit URFAUST kann ich nicht ganz nachvollziehen, da deren Musik ja sowieso in diese Trance-Richtung geht, wir spielen ja eher schnelleren Metal. Aber es war definitiv Absicht, diese Trance musikalisch aufzubauen. Das hast du auch bei unseren Liveshows. Statt ein großes Bühnenbild zu haben wollen wir lieber die Musik sprechen lassen und unterstützen diese Atmosphäre dann durch die nicht vorhandene Lichtshow und den Nebel, statt durch ausgefallene Performance oder mit Corpsepaint/Kapuzen davon abzulenken.

Alles klar, damit bin ich so ziemlich durch, gibts noch Schlussworte?

Nein, eigentlich nicht. Wäre wieder ein Klischee das keiner braucht. Aber dir danke für das Interview – ich mag es Fragen zu beantworten die man nicht schon 100x beantwortet hat.

Quelle: Century Media, Ralph Schmidt
25.09.2018
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