1476 - In Exile

Review

1476 aus dem berühmt-berüchtigten Städtchen Salem, Massachusetts, USA, veröffentlichen dieser Tage mit „In Exile“ das Nachfolgewerk zu ihrem wunderbaren 2016er-Werk „Our Season Draws Near“. 1476 schicken sich jedoch mitnichten an, den literarischen Schatz von New Englands berühmten Söhnen H.P. Lovecraft, E.A. Poe oder Stephen King zu plündern, das Duo wählt für „In Exile“ einen persönlicheren und anspruchsvolleren Ansatz.

„In Exile“ sucht nach Antworten

Denn 1476 bedienen sich zwar ihres düsteren Erbes, aber nicht auf eine oberflächliche Art aus Erzählungen über Hexen, Ghoule oder Tentakelwesen aus dem Kosmos gespeist, sondern unmittelbarer, ohne Erzählungen anderer Personen als Zwischenmedium. „In Exile“ sucht nach der Antwort auf die komplexe Frage, wohin Menschen gehen, wenn sie sterben und dies jeweils betrachtet aus einer individuellen Perspektive – und so vielschichtig und divers diese Antwort in jedem einzelnen Fall ausfallen mag, so ist auch „In Exile“ geraten.

1476 erschaffen damit eine ziemlich eigene Art von Dunkelheit und Melancholie. Eine außergewöhnlich ungestüme, ungeordnete und emotional berührende Eigensinnigkeit tritt auf „In Exile“ zum Vorschein, die sich stilistisch nicht klar einordnen lässt, und dadurch überaus spannend wird. „Wayward Occult Rock“ ist das mitgegebene Label, das eine vage Umschreibung versucht. „Dark Folk Rock“ ist es auch irgendwie.

Dabei nutzen 1476 zwar in erster Linie folkige Elemente, aber auch ein ordentlicher Anteil Post-Punk und Post-Rock ist vorzufinden. Dies ergibt einen Sound, der sich auf den ersten Hördurchgang problemlos den britischen Inseln zuordnen ließe, aber auch Skandinavien mit einbindet: Düstere NEW MODEL ARMY trifft auf die Romantik von SÓLSTAFIRs „Svartir Sandar“, der Neofolk von HAGALAZ’ RUNEDANCE auf traurige irische Folk-Gitarren und Pub-gewohnte Gesänge, rotzige urbane Klänge auf Naturverbundenheit, auch HEXVESSEL kommen spontan mal in den Sinn. Zur Betonung des ungestümen Elements werden im Kontrast zu den stellenweise lockeren Akustikgitarren auch immer wieder gern Black-Metal-Ausbrüche und flott-treibende Passagen eingebaut. Die Gefahr, dass „In Exile“ mit seinen oft getragenen Melodien zu flockig oder gar poppig klingen könnte, wird damit hinreichend schnell gebannt. Wem der klassische Pagan-Horror-Kriminalfilm „The Wicker Man“ ein Begriff ist und das bekannte Foto von Christopher Lee vor dem Holz-Götzen vor Augen hat: Ungefähr so klingt „In Exile“.

Die Magie dieses Albums erschließt sich allerdings erst nach genauerer Behörung. Die Gesangsstimme von Mastermind Robb Kavjian ist als durchaus gewöhnungsbedürftig einzuordnen, aufgrund der Variabilität und insbesondere durch einen sehr persönlichen und latent verletzlichen Klang passt diese aber ganz wunderbar zu dieser Soundmelange. Das Album nutzt sich damit auch nach vielen Hördurchgängen nicht merklich ab, sondern schmeichelt sich ganz heimlich in den musikalischen Alltag ein und erobert dort seinen Platz.

1476 transportieren Emotionen

„In Exile“ lebt eher von seiner Emotionalität, von seiner Spezialität und den ungeschliffenen Ecken und Kanten, denn von einer objektiven Hitformel. Und auch wenn die Antwort auf die Frage nach dem Jenseits, dem Universum und dem ganzen Rest doch letztlich wieder unbeantwortet bleibt, so bietet 1476 auf „In Exile“ einen schönen Rahmen, um hierum mal wieder seine Gedanken kreisen zu lassen.

13.07.2023

Iä! Iä! Cthulhu fhtagn!

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