3 - The Ghost You Gave To Me

Review

Die Realität scheint manchmal über einen wahrhaft rabenschwarzen Sinn für Humor zu verfügen. Da kommt 3-Frontmann Joey Eppard im März aus seiner Aufnahmebox, wo er unter anderem gerade erst gedichtete Textzeilen wie „tidal controls, warping the poles“ oder „emanating epicenter, brutal waves born to vapors clung“ eingesungen hat, setzt sich vor den Fernseher und wird prompt von den Nachrichten über das schwere Erdbeben und den folgenreichen Tsunami überrascht, der mit seinen fatalen Auswirkungen auf das Atomkraftwerk in Fukushima auch ein halbes Jahr später noch für Schlagzeilen gut ist. Man könnte jetzt wahlweise über Verschwörungstheorien oder merkwürdige Zufälle spekulieren, stattdessen ist es aber viel ergiebiger, die Musik von 3 einfach für sich stehen und auf sich wirken zu lassen.

Auch wenn Joey Eppard selbst transzendente Inspirationsquellen für „The Ghost You Gave To Me“ ins Feld führt, ist die Scheibe letztlich doch von dieser Welt. Post-Rock hin oder her, gekocht wird hier auch nur mit Wasser, sprich: mit ganz normalen Gitarren-Riffs, Melodien und Rhythmen. Da mögen das sphärische Intro „Sirenum Scopuli“ und der sich nahtlos anschließende Opener „React“ noch so mystisch, abgehoben und verträumt daherkommen, letztlich hat man doch einfach eine Band vor sich, die Spaß am Musizieren hat. Die überragenden Qualität dieses Albumauftakts mindert das jedoch in keinster Weise. Hier zelebrieren 3 allergrößte Post-Rock-Kunst für die Ewigkeit.

Leider bewegt sich nicht das gesamte Album auf diesem überragenden Level. Mit schöner Regelmäßigkeit wechseln sich auf „The Ghost You Gave To Me“ Weltklasse-Stücke mit „nur“ durchschnittlichem Stoff ab. Trotzdem hält das Quartett die Spannung über die knapp einstündige Spielzeit hinweg aufrecht und leistet sich vor allem keine echten Aussetzer. Die anfangs abgehobene Musik wird mit fortschreitender Spieldauer immer greifbarer und bodenständiger. Im Mittelteil finden sich einige angenehm hart rockende Titel, während nach dem monumentalen 7-Minuten-Epos „Only Child“ die durchaus radiotaugliche Akustik-Ballade „The Barrier“ das Album beschließt.

Kategorisieren lassen sich 3 nach wie vor nur sehr schwer. Nach dem atmosphärischen Post-Rock-Start finden unter anderem hart groovender Prog-Metal („High Times“, „Numbers“), Tribal-Rhythmen („The Ghost You Gave To Me“) und eingängige Ohrwurm-Hits („Afterglow“) ihren Platz auf der Scheibe. Das klingt an einigen Stellen verdächtig nach COHEED AND CAMBRIA, an anderen tendieren 3 in Richtung DREAM THEATER, ohne sich mit diesen auf einen Frickel-Wettkampf einlassen zu wollen, und wer genau aufpasst, kann sogar stellenweise die Genre-Vorreiter PINK FLOYD heraushören. Und sind wir mal ehrlich: Wer keine Lust hat, das Gehörte genau zu analysieren, für den sind 3 ohnehin die falsche Band.

03.10.2011
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