Affector - Harmagedon

Review

Zugegeben, um in diesem Jahr ein Konzeptalbum über das Ende der Welt zu veröffentlichen, bedarf es keiner sonderlich großen Fantasie. Der Weg, den AFFECTOR dabei gehen, ist jedoch eher ungewöhnlich. Die Liedtexte setzen sich über alle gebräuchlichen Konventionen von Versmaß und Reim-Schemata hinweg, da sie fast ausschließlich aus Versen der Bibel zusammengesetzt wurden. Dennoch ist „Harmagedon“ kein missionarisches Werk geworden, man nutzt das oberste Lehrbuch der Christenheit lediglich als ergiebige Fundgrube für allerlei endzeitliches Textmaterial.

Dem Textkonzept folgen die Songstrukturen, was alleine bereits hätte reichen dürfen, um das Material in die Prog-Ecke abdriften zu lassen. Tatsächlich ist es aber wohl eher der musikalische Background des holländischen Drummers Collin Leijenaar, der sonst für Neal Morse die Sticks kreisen lässt, und des deutschen Gitarristen Daniel Fries, der für die Parallelen zu Prog-Metal-Größen wie SYMPHONY X und DREAM THEATER sorgt. Wirklich neu oder innovativ ist der AFFECTOR-Sound damit nicht, dafür aber ziemlich gekonnt umgesetzt und erstklassig dargeboten. Bereits 2008 begann das Kreativduo mit dem Songwriting für „Harmagedon“ und dementsprechend ausgereift klingt das Material auch.

Bassist Mike LePond (SYMPHONY X) und Sänger Ted Leonard (ENCHANT, SPOCK’S BEARD, THOUGHT CHAMBER) komplettieren die Besetzung, als Gastmusiker sind zudem die vier Keyboard-Größen Neal Morse (ex-SPOCK’S BEARD), Alex Argento, Derek Sherinian (u.a. BLACK COUNTRY COMMUNION, ex-DREAM THEATER) und Jordan Rudess (DREAM THEATER) dabei, die den jeweiligen Stücken deutlich ihren Stempel aufdrücken und damit für Abwechslung sorgen. Die großartig arrangierten Orchesterparts wiederum stammen nicht aus der elektronischen Konserve, sondern wurden vom polnischen „Sinfonietta Consonus“-Orchester eingespielt. Trotz dieses extensiven Namedroppings sind es aber vor allem die starken Kompositionen, die „Harmagedon“ zu einem Fest für Prog-Fans machen.

Von der zweigeteilten Overtüre, die die wichtigsten musikalischen Themen des Albums bereits einführt, bis zum hymnischen „New Jerusalem“ leistet sich „Harmagedon“ keine Aussetzer und unterhält auf höchstem Niveau. Einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass bei einer derart hohen Ideendichte das Material insgesamt ein wenig überladen wirkt. Es passieren eigentlich immer in mindestens zwei verschiedenen Instrumentalstimmen spannende Dinge und dringend benötigte Verschnaufpausen sucht man dazwischen vergeblich. Aber so ein Weltuntergang ist eben kein Zuckerschlecken und so muss man sich eben mit der Ruhe nach dem Sturm begnügen, wenn die gute Stunde Spielzeit vorbei ist und man sich eine kurze Pause vor dem unvermeidlichen nächsten Hördurchgang gönnen darf.

18.05.2012
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