As Light Dies - The Laniakea Architecture - Volume II

Review

Die Madrilenen AS LIGHT DIES sind eine Klasse für sich, die sich schwerlich in eine Schublade sortieren lässt. Der in ihrem Kontext oft zu lesende Begriff „Avantgarde“ trifft das, was sie machen, nur am Rande. Auch ihr viertes Werk „The Laniakea Architecture – Volume II“ ist so multidimensional, dass es selbst für Freunde komplexer Kompositionen eine Herausforderung ist. Kein Wunder, dass es mehr als acht Jahre gebraucht hat, einen Nachfolger von „The Love Album – Volume I“ zu präsentieren. Die fortlaufende Nummerierung erschließt sich im Übrigen über die Akronyme der beiden Platten: „TLA“.

Hilfe, Reizüberflutung! AS LIGHT DIES kennen keine Grenzen

Der schwierig auszusprechende Begriff aus dem Albumtitel, Laniakea, stammt aus dem Hawaiianischen und bedeutet in etwa „unermesslicher Himmel“. Er beschreibt den Galaxie-Supercluster, dem unter 100.000 anderen Galaxien auch unsere Milchstraße angehört und ist Astronomen zufolge die aktuell größte bekannte Struktur überhaupt. Ihr ahnt, worauf es hinausläuft.

Die Musik von AS LIGHT DIES ist nämlich ähnlich surreal und schwer (be)greifbar. Wer schon bei Bands wie ARCTURUS aufgrund ihres Hangs zum „Avantgardistischen“ die Flucht ergreift, den bringt dieses Opus wohl an den Rand des Wahnsinns. Von der anderen Seite betrachtet, ist „TLA – Vol. II“ für Liebhaber exzentrischer Songstrukturen und abstrakter Harmonien eine akustische Goldgrube.

„The sky’s the limit“ ist für AS LIGHT DIES obsolet – sie bedienen sich erneut gnadenlos diverser Elemente aus Death, Black, Prog, Folk, Doom, Ambient, um nur einige zu nennen. Das Chaos regiert und das stellen die eröffnenden Worte von „Falling Apart“ auch gleich klar. Der Opener ist so wahnwitzig vielschichtig, dass man kaum einen Anker findet, der Halt bietet. Brutal schnelle Gitarren und Drums, die plötzlich in fast doomige Gefilde herunterfallen oder an anderer Stelle jeweils ihr ganz eigenes Ding machen. Growls, Screams, dann wieder melodische Clean-Passagen und irgendwo dazwischen erklingt eine Violine und/oder ein Piano. Es ist wie ein Strudel, in den man hineingezogen wird und die Orientierung verliert. Das gilt für die meisten Tracks auf „The Laniakea Architecture – Volume II“.

Für leichte Entspannung sorgen zwischendurch Stücke wie das mittelalterlich-folkige „Esus Agápē“ oder „Celephaïs“, das eine kleine Lovecraft-Hörbuchgeschichte mit musikalischer Untermalung ist. So wechseln sich wilde Stilmix-Eskapaden mit weniger komplexen Stücken ab. Von ersteren ist „La Ascensión“ noch am nahbarsten. Hier lässt sich am ehesten so etwas wie eine Lead-Melodie ausmachen.

„The Laniakea Architecture – Volume II“ – am Ende siegt das Chaos

Nach dem letzten Ton von „To Finish“ muss die gemarterte Ohr-Hirn-Struktur erst einmal rebooten, um die Konfusion zu verarbeiten. Auf „TLA – Vol. II“ passiert so viel und oft alles auf einmal. Unbedarften Ohren fällt es dabei schwer, etwas zu fokussieren, den berühmten roten Faden zu finden. Es sind vielmehr jede Menge loser Fäden, die sich nicht für jeden zu einem dichten Gewebe verbinden, sondern eher verknoten. Harmonie- und Melodiesüchtige brauchen, wenn sie sich der Platte überhaupt stellen, Nerven wie Stahlseile, denn Eingängigkeit gehört nicht zu den Sound-definierenden Attributen dieser Scheibe.

Hochachtung vor allen beteiligten Songwritern und Musikern – diese anspruchsvolle Kunstform muss man lieben und leben. Für ihren Schöpfer ergibt das Chaos auf „TLA – Vol. II“ Sinn – ein schlichtes musikalisches Gemüt ist der Komplexität des AS LIGHT DIES-Universums nicht gewachsen. Wer jedoch gern Musik „out of the box“ konsumiert, dem öffnen sich hier neue Horizonte.

09.03.2023
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