Atreyu - Lead Sails Paper Anchor

Review

Wer kennt ihn nicht, Michael Endes märchenhaften und romantischen Roman „Die unendliche Geschichte“, der uns vor Augen führt, dass durch das Träumen und das Eintauchen in eine Fantasiewelt Ideen und Gedanken entstehen, die in die Wirklichkeit übertragen werden können, indem wir in der Realität unsere Sinne für die alltäglichen Wunder und Geheimnisse öffnen? Wer kennt sie nicht, die Charaktere dieser wundervollen Geschichte, wie den Protagonisten Bastian Balthasar Bux, mit dem sich ein jeder von uns auf die ein oder andere Weise identifizieren kann, die kindliche Kaiserin, die uralte Sumpfschildkröte Morla, den Glücksdrachen Fuchur oder den zehnjährigen Grünhäuter namens Atreyu? Es ist genau dieser kleine aber mutige Krieger, „der Sohn aller“, nach dem sich die fünf aus Südkalifornien – genauer gesagt Orange County – stammenden Jungs benannt haben und seit ihrer Gründung 1998 mit abwechslungsreicher und vielseitiger Musik ihren Weg gehen.

Zwar haben Fans der ersten Stunde mit späteren Alben der Band immer weniger anfangen können, aber ATREYU sind sich selbst stets treu geblieben und haben mit jedem Album eindrucksvolle Entwicklungen durchgemacht, die letztendlich in „Lead Sails Paper Anchor“ gipfelten und sich damit mit einigen unerwarteten Überraschungen an der Spitze des MetalCores zurückmelden. Obwohl sich MetalCore und Innovation (mittlerweile) fast ausschliessen, beweisen ATREYU nun das Gegenteil und verblüffen auf dem neuen Album nicht nur mit neuen Arten des Gesangs – ob rau und melodisch, frech und rotzig oder klangvoll und clean, es ist für wirklich jeden etwas dabei – und des Spiels, vor allem in den melodischen Parts, sondern auch mit einer fast schon unheimlich anmutenden Instrumentierung. So erklingen neben türkischen Lauten, Trompeten, Streichern und einem Piano auch Operngesang und eine Pedal Steel Guitar. Einflüsse von Thrash („Doomsday“), Industrial („Honor“), 80er Metal („Blow“), Alternative („No One Cares“) und Country („Lead Sails (And A Paper Anchor)“) verwerten ATREYU souverän und lassen die Songs auf diesem Album so abwechslungsreich klingen, wie selten in diesem Genre und generell bei anderen Bands gehört.

Highlights des Albums sind der thrashige Opener „Doomsday“, der mit einigen ziemlich geilen Gitarrenmelodien und dem groovenden Chorus schnell begeistert, die erste Single des Albums „Becoming The Bull“, die sich lyrisch mit Selbstbetrachung und Selbstkontrolle beschäftigt und mit seinem stampfenden Beat und dem melodischen Mitsing-Refrain („…back and forth, this trouble consumes our soul…“) ein echter Hit ist, und das melancholische „Lose It“ mit seinen breit gefächerten Gesangstechniken. Aber auch die groovige, leicht punkige Nummer „Falling Down“ und die akkustische Country-Ballade „Lead Sails (And A Paper Anchor)“, die sich textlich mit dem Gefühl von Heimweh beschäftigt, sind echte Hinhörer.

Aber nicht nur einzelne Songs, sondern auch das Cover finde ich erwähnenswert, denn die Abstimmung der Farben ist perfekt und das – zugegeben – recht simpel gestaltete Motiv ist echte Kunst. Bis jetzt mein Highlight der Cover-Artworks 2007!

Insgesamt ist „Lead Sails Paper Anchor“ eine klangliche, fast schon zu perfekt produzierte Reise durch die vielfältige, bunte Welt ATREYUs, die fesselt und garantiert, daß dieses Album so schnell nicht mehr aus dem CD-Player genommen bzw. langfristig auch immer wieder seinen Weg dorthin zurück finden wird.

21.08.2007
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