Bathory - Blood Fire Death

Review

Die Geschichte von „Blood Fire Death“ beginnt im Schweden der späten Achtziger. Glam-Rock im Stile des nationalen Exportschlagers EUROPE dominiert die Musiklandschaft. Von der Death-Metal-Explosion, die sich in wenigen Jahren in dem skandinavischen Königreich ereignen wird, ist bist auf wenige Ausnahmen noch nichts zu spüren. Ein Umstand, unter dem auch Thomas Forsberg a.k.a. Quorthon leidet. Zwar hat er mit seiner Band BATHORY international Erfolg, wird von den Musikerkollegen seiner Heimat aber eher belächelt.

Der ruppige Black Metal, dieser satanische Krach, den BATHORY komponieren, begeistert zwar weltweit den beinharten Metal-Untergrund, ist für Musiker mit Pudelfrisuren, die lieber trendigen Disco-Rock spielen und möglichst viele Mädels flachlegen wollen, schlicht nicht sexy genug. Quorthon findet einfach niemanden, mit dem er seine musikalischen Visionen teilen kann. In den Achtzigern verschleißt er, wahrscheinlich auch wegen seines großen Egos, unzählige Mitmusiker, von denen meistens nicht einmal die Namen überliefert sind.

BATHORY – Ein Mann, eine Band

„Es wird aber langsam besser“, erklärt er in einem Radio-Interview, das er im Jahr 1987 gibt. Der damals 21 Jahre alte Quorthon stellt sich Fragen zum neuesten BATHORY-Release „Under The Sign Of The Black Mark“ und erwähnt dabei, dass er inzwischen zwei Musiker gefunden habe, mit denen er bereits seit einigen Monaten zusammenarbeite. Einer davon ist der Schlagzeuger Paul Lundberg, der zwar eher auf andere Musik steht, sich aber anscheinend auf den Stil von BATHORY einlassen kann.

Eines Tages jammen Quorthon und Paul zusammen in den Heavenshore Studios, dem Proberaum von BATHORY, in dem auch die frühen Alben der Band aufgenommen werden – trotz des noblen Namens nur eine angemietete Garage, wie Quorthon einige Jahre später zugibt. An jenem Tag spielt er Paul ein paar neue Riffs vor, nachdem er kurz zuvor die Fanpost zum letzten Album gesichtet hat. Auf diesem Wege holt sich Quorthon, der mit BATHORY niemals live spielen wird, das Feedback seiner Zuhörerschaft. „Enter The Eternal Fire“ scheint ein Fanliebling zu sein: Die stampfende Hymne an den Gehörnten, die in einem zerbrechlichen Solo gipfelt und späteren Black-Metal-Stars wie Abbath von IMMORTAL als maßgebliche Inspirationsquelle dienen wird.

Aufgrund der positiven Rückmeldungen hat Quorthon sich ein paar ähnliche Riffs ausgedacht und spielt sie seinem Schlagzeuger vor. Dieser meint schließlich, dass sie ihn an MANOWAR erinnern würden. Quorthon stutzt, denn diese Band kennt er zwar vom Namen her, hat sie aber noch nie zuvor bewusst gehört – so behauptet er zumindest. Die Ähnlichkeit zu Songs wie „Gates Of Valhalla“ ist jedenfalls durchaus vorhanden. Doch egal, woher die Inspiration kommt, Quorthon schafft etwas neues, das seinen ganz eigenen Platz in der Geschichte des Metal einnehmen wird: „Blood Fire Death“

Die Wilde Jagd hetzt durch die Plattenläden

Das Album sticht bereits durch sein Cover aus der Masse heraus, als es am 8. Oktober 1988 erscheint. Dominiert wird der Markt einerseits von den comicartigen Ed-Repka-Covern der Crossover- und Thrash-Metal-Bands, andererseits von den nach Haarspray stinkenden Selbstdarstellungs-Plattenhüllen der Glam-Szene aus L.A. Zwischen „State Of Euphoria“ von ANTHRAX und „New Jersey“ von BON JOVI, die wenige Tage vor „Blood Fire Death“ erscheinen, blitzt ein Gemälde der nordischen Nationalromantik im Plattenladen hervor. Die Wilde Jagd ist es, die Asgårdsreien, die angeführt von Odin und Thor majestätisch über den Himmel hetzt.

Jahre später wird Quorthon gefragt werden, wie er auf die Idee kam, die vorchristliche heidnische Religion der Wikinger für seine Textideen zu verwenden. „Anfang 1986 kam ich zu dem Schluss“, erinnert er sich 2001 in einem Interview, „dass die Verwendung satanischer Themen in unseren Texten Zeitverschwendung ist. […] Also schaute ich mich nach anderen Dingen um, über die man schreiben könnte. Wären wir eine japanische Band, wären es wahrscheinlich Samurais geworden. Wären wir Italiener gewesen, dann das Römische Reich. Aber wir waren nun einmal Schweden und ich dachte mir, dass das Wikingerzeitalter ein interessantes und erzählenswertes Thema wäre.“

Im Nachhinein wird „Blood Fire Death“ der Auftakt zu einer Trilogie um das heidnische Skandinavien, die mit den beiden Alben „Hammerheart“ und „Twilight Of The Gods“ in den Jahren 1990 und 1991 vervollständigt wird. Bis heute gilt „Blood Fire Death“ als eines der ersten Metal-Alben, das die Bezeichnung Viking Metal verdient. Das einzige Problem: Auf den ersten Blick sind nur sehr wenige Wikinger auf dem Album zu finden.

Im Angesicht des Feindes

Im Intro springt einem die nordische Mystik natürlich direkt entgegen. „Oden’s Ride Over Nordland“ ist eine dreiminütige reine Ambient-Nummer, die den Zuhörer mit auf eine Reise in den hohen Norden nimmt. Erhaben geht es weiter. Eine einsame Gitarre, begleitet von einem aushallenden Gesang eröffnet „A Fine Day To Die“, bevor der Song nach knapp zwei Minuten in raues Geschrei und ein stampfendes Riff übergeht. Geschickt platzierte Soli, deren Töne sich wehend über den Lärm legen, halten die Spannung in dem aufwühlenden Song, der von den Vorbereitungen für eine ruhmreiche Schlacht handelt.

Es geht weiter mit „The Golden Walls Of Heaven“. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger legt der harte Thrash-Metal-Song direkt los und wird auch nicht durch Soundeffekte oder Akustik-Gitarren gebrochen. Doch auch hier schaffen es die rasanten Soli, eine epische Stimmung zu erzeugen, während Quorthon von der Eroberung des Himmels durch antichristliche Horden krächzt.

Die beiden folgenden Nummern „Pace ´till Death“ und „Holocaust“, in denen es je nach Deutung um Drogenmissbrauch oder Raserei auf der Autobahn und den drohenden Atomkrieg geht, schaffen es nicht ganz, die Epik zu transportieren, durch die „Blood Fire Death“ ansonsten glänzt. Ohne Frage sind beide Songs gute Thrash-Gewitter, wirken bei der Hitdichte des Albums aber fast schon wie Filler. Verehrer der ersten beiden BATHORY-Alben dürften dies aber wahrscheinlich anders sehen und den kompromisslosen Black-Thrash-Metal feiern.

Gedenket der Gefallenen

Die zweite Hälfte des Albums beginnt mit „For All Those Who Died“, einem Song über die Hexenprozesse der Frühen Neuzeit, dessen Text einem Gedicht der Feministin Erica Jong entlehnt ist. Diese Nummer bietet einen Anknüpfungspunkt zum Vorgängeralbum „Under The Sign Of The Black Mark“, an dessen Hit „Enter The Eternal Fire“ sie durch Aufbau und Sound erinnert. Das Riff stampft aber etwas schneller und der Song steigert sich zu einem mitreißenden Nackenbrecher.

„Dies Irae“ legt noch eine Schippe drauf. Passend zum thematisierten Tag des Zorns knallt eine Hochgeschwindigkeitsabrissbirne aus den Boxen, bis der Song in der Mitte bricht und erneut ein treibendes Riff erklingt. Liest man die Anfangsbuchstaben der Textzeilen, erkennt man den Satz „Christ The Bastard Son Of Heaven Dies“. Ein letzter Gruß an den Gehörnten, übertrieben und ohne Augenzwinkern. Ein Ausdruck der Verachtung gegenüber Jesus Christus, der trotz aller Qualen demütig am Kreuz starb und sich nicht gegen seine Peiniger erhob.

Der Titeltrack, der „Blood Fire Death“ abschließt, ist ein Epos, wie es 1988 sonst nirgendwo zu finden ist – nicht einmal bei MANOWAR. Dabei ist Quorthons Gesang eine Mischung aus unverständlichem Kreischen und krächzendem Sprechgesang. Der Gitarrensound ist an manchen Stellen derart verwaschen, dass er neben den polternden Drums beinahe untergeht. Die Chöre, Keyboards und Akustik-Gitarren sind schlimmster wagnerianischer Kitsch. Aber trotz aller Unzulänglichkeiten blitzt überall das musikalische Genie Quorthons durch. Der Titelsong, das ganze Album, lässt Leidenschaft und Kompromisslosigkeit spürbar werden.

Ein Bollwerk gegen Unterdrückung

Zusammen mit „A Fine Day To Die“ rahmt „Blood Fire Death“ das Album ein. Zwei Hymnen, die eine voll angespannter Erwartung, aufputschend, die andere mystisch verklärend, befreiend. Durch seinen Text wird der Titelsong zum Lagerfeuer für all jene, die gegen religiöse und gesellschaftliche Unterdrückung kämpfen, auch zum Mahnmal der Gescheiterten. Die Sprengung von Ketten offenbart sich als übergeordnetes Motiv des Albums. Repressiven Religionen, Sucht, Angst und Ungerechtigkeit wird befreiender Hass entgegengestellt, der nicht zuletzt auch einigende Wirkung zeigen kann. Dies zeigen die letzten Zeilen des Albums, in denen schließlich doch noch die alten Götter des Nordens sichtbar werden und erkennbar wird: sie waren die ganze Zeit da.

„Children of all slaves
Unite be proud
Rise out of darkness and pain

A chariot of thunder and gold
Will come loud
And a warrior of thunder and rain

With hair as white as snow
Hammer of steel
To set you free of your chains

And to lead you all
Where horses run free
And the souls of the ancient ones reign“

„Blood Fire Death“ – Ein Fazit

Welche Punktzahl gibt man so einem Album nun? Bereits zur Veröffentlichung von „Blood Fire Death“ im Jahr 1988 waren die Rezensenten ratlos, wenn auch aus anderen Gründen. „Oh Gott, ´ne Note?“, fragt Holger Stratmann im Rock Hard, nachdem er BATHORY zunächst Verachtung zeigt, dann aber doch noch einigermaßen versöhnlich Respekt zollt und von Quorthons „Meisterwerk“ schreibt. „Na, wie wär’s mit ´ner 7?“, ist seine Lösung.

Der Autor dieser Zeilen steht eher vor dem Problem, dass das Album durch die intensive Beschäftigung mit „Blood Fire Death“ im Rahmen dieser Rezension noch ein ganzes Stück gewachsen ist. Sicher, nicht jeder der Songs ist ein Meisterwerk, aber eingebettet in zwei wahrlich großartige Hymnen blüht jedes Lied auf diesem Album auf. Auch wenn hiernach noch ganz andere Klassiker von BATHORY folgen sollten, ist „Blood Fire Death“ ohne Zweifel ein Album für die Ewigkeit und verdient die volle Punktzahl.

Das Wissen darüber, ob Paul Lundberg, der damals die Ähnlichkeit zu MANOWAR anmerkte, noch auf dem Album zu hören ist, verschwindet im Dunkel der Geschichte von BATHORY. Für „Blood Fire Death“ und die darauf folgenden fünf Alben sind als Mitmusiker neben Quorthon zwei Schattengestalten namens Kothaar und Vvornth verzeichnet. Es ist nicht klar, wie viele Personen diese Pseudonyme nutzen, wenn sie nicht überhaupt nur Erfindungen eines Musikers sind, der zunehmend keinen Bock mehr auf nur halb motivierte Gefährten hatte.

Einer von vielen Mythen über BATHORY, wie Quorthon in einem Interview im Jahr 2001 anmerkt: „Es gab schon immer so viele seltsame Gerüchte um die Band, welche die Wahrnehmung und das Image von BATHORY geprägt haben […] Ende der Achtziger hörte ich auf, mir darüber Gedanken zu machen.“ Ob „Blood Fire Death“ in diesem Zusammenhang auch als eine Art persönlicher Befreiungsschlag zu verstehen ist, werden wir nie erfahren. Quorthon starb im Jahr 2004 und hat das meiste Wissen über die Band mit ins Grab genommen – und nicht zuletzt auch zahlreiche ungeschriebene Lieder.

Åsgårdsreien – Das Cover von „Blood Fire Death“
08.10.2018
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