Bellgrave - Kindertotenlieder

Review

Von der Insolvenz eines gewissen norddeutschen Vertriebs mit angeschlossenem Label wurden wohl so einige Bands kalt erwischt, BELLGRAVE sind eine davon. Die Berliner haben aber schon ein paar Jahre auf dem Buckel und haben Zeit ihres Bestehens kein allzu glückliches Händchen bei der Labelwahl gehabt. Also was bleibt einem übrig? Genau, einfach selber machen. So erscheint das vierte Album „Kindertotenlieder“ auch in Eigenenergie.

Zwei Dinge muss ich BELLGRAVE aber von Beginn an lassen: Erstens ist ihr Stil wirklich interessant, aber dazu gleich mehr. Zweitens ist ihr Konzept mit Auszügen aus „Kindertotenlieder“ von Friedrich Rückert ziemlich interessant, auch wenn die Musik selbstredend im Vordergrund steht. Hier bieten die Berliner eine recht melodische Mixtur aus Death ’n‘ Roll und Neuer Deutscher Härte – ein paar RAMMSTEIN-Erinnerungen inklusive. Letzteres ist aber eher als Randnotiz zu verstehen. „Kindertotenlieder“ braucht ein gewisses Maß an Zeit um zu wirken, nach und nach kristallisieren sich aber ein paar richtige hochkarätige Momente heraus. Vor allem Gitarrist Ulf Oestermann kann immer wieder Akzente setzen, so geraten gerade seine klar gesungenen Parts schnell zu Ohrwürmern (z.B. „Du Bist Ein Schatten Am Tage“), wobei sein rollender „R“-Gesang mir manchmal nicht ganz so mundet. Musikalisch verhält es sich ähnlich. BELLGRAVE lassen immer dann aufhorchen, wenn die Melodien in den Vordergrund rücken und die stampfenden Parts etwas zurückhalten. Zwar legen die Berliner durchgehend viel Wert auf Eingängigkeit, doch der melodische Death ’n‘ Roll-Anteil übt schlicht mehr Anziehungskraft aus als die zwar schnell ins Ohr gehenden, aber ebenso schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwindenden Neue-Deutsche-Härte-Einflüsse.

Ja, mit „Kindertotenlieder“ zeigen BELLGRAVE, dass sie auch nach über 25 Jahren im Geschäft noch nicht die Schnauze voll haben. Bemerkenswert ist dabei neben dem eigenen Stil der Truppe auch der Sound, der ordentlich drückt und doch in genau dem richtigen Maß etwas dreckig wirkt – fein. Klar, das vierte Album strotzt nicht vor überragenden Songs, bietet aber kurzweiligen Spaß mit einigen Hit-verdächtigen Nummern, welche die paar eher gering überzeugenden Songs aufwiegen.

26.03.2013

Chefredakteur

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