Blaze Of Perdition - The Harrowing Of Hearts

Review

Stillstand gab es jüngst bei den polnischen Black Metallern BLAZE OF PERDITION kaum. Spätestens seit dem tragischen Einschnitt 2013, bei dem die Band bei einem Autounfall verunglückt und ihr damaliger Bassist 23 dabei ums Leben gekommen ist, präsentierten sich die Polen mit dem von den Ereignissen stark beeinflussten „Near Death Revelations“ stärker denn je. Schließlich begannen sie, mit „Conscious Darkness“ zugänglicher zu werden. Dieser Prozess setzt sich mit der neuen Platte „The Harrowing Of Hearts“ konsequent fort: Der Metalblade-Einstand der Herren ist auch zugleich deren Rock-lastigstes Werk, auch wenn der Gesang weiterhin Black-Metal-typisch abrasiv bleibt.

„The Harrowing Of Hearts“ erzählt vom Begriff der Hölle

Das bedeutet ebensowenig gleich, dass BLAZE OF PERDITION ihre Hörer nun mit offenen Armen empfangen. Denn auf „The Harrowing Of Hearts“ ist doch nicht alles so einfach, wie es scheint. Der lyrische Kern ist eine philosophische, psychologische, aber auch theologische Betrachtung dessen, was „Hölle“ bedeutet – und durch das metaphorische Herz, oder besser: die Seele dargestellt wird. Theologisch deshalb, da sie sich laut Pressetext um „das christliche Verständnis vom Abstieg Jesu in die Hölle“ bezieht und den Begriff von „Hölle“ vor diesem Hintergrund beleuchtet. Das geschieht Black-Metal-typisch gerne mal recht einschlägig und graphisch wie in „What Christ Had Kept Apart“:

Crucify me now
On a tree of broken faith
Use folded hands to sink the nails
Vilify me now
And adorn my face with shame
For I shall wear it as a crown

Doch natürlich geht der textliche Gehalt der Platte noch tiefer und würde seine eigene Betrachtung verdienen, aber musikalisch bietet sich mindestens ebenso Interessantes. Denn „The Harrowing Of Hearts“ ist eines dieser seltsamen Alben, die man so gerne als „Grower“ bezeichnet. Brachiale Breaks, chaotische Klangkaskaden und vielschichtige Songkonstrukte sucht man hier vergebens, ganz zu schweigen von klarem Gesang. Doch just, wenn man im Begriff ist, das Album abzuschreiben, kommen die kleinen, feinsinnig gewobenen Riff- und Melodievariationen an, um ihre Fühler gen Hörer auszustrecken und diesen auf unterschwellige Weise langsam aber sicher in den Bann zu ziehen.

BLAZE OF PERDITION meistern die Macht der Unterschwelligkeit

Das Geheimnis liegt in der gelungenen Mixtur aus Black Metal und Rock, letzterer vor allem mit markanter, stimmungsvoller Gothic-Einfärbung und vereinzelten Verweisen in Post-Rock-Gefilde versehen – was sich besonders im Bonustrack „Moonchild“ offenbart, bei dem es sich um ein FIELDS OF THE NEPHILIM-Cover handelt. Das Tempo hat sich diesem prominenter gewordenen Einfluss angepasst und geht weniger auf heftige Tuchfühlung, sondern treibt die Songs mit mehr Eleganz nach vorne, auch wenn Blastbeats immer noch regelmäßig zum Einsatz kommen. Den Grad an purer Heaviness haben BLAZE OF PERDITION ebenfalls etwas heruntergefahren, im Mittelteil vom Opener „Suffering Made Bliss“ zum Beispiel drückt’s aber doch noch mal ordentlich.

Die Gitarren flechten passend zum etwas subtileren Grundton der Platte einen für Schwarzmetall ungewöhnlich warm klingenden Klangteppich, in den sich sowohl die verträumten Post-Rock-Leads wie solche gegen Ende von „Królestwo Niebieskie“ wunderbar geschmeidig in den Sound einfügen, als auch die etwas schärferen, kratzigeren Gitarren, die das folgende „What Christ Has Kept Apart“ zum Beispiel wunderbar verzieren. Der Sprung auf den Black-Rock-Zug bedeutet also nicht gleich, dass hier die Fetzen im hohen Bogen fliegen. „The Harrowing Of Hearts“ ist ein Album, das man vor allem fühlen muss und dem man Zeit einräumen sollte.

Dem Funken sollte man zum Überspringen etwas Zeit geben

Es ist eben ein schwermütiger, gehaltvoller Grower, dessen Faszination erst nach und nach einsetzt, umso mehr im Zusammenspiel mit der textlichen Ebene des Werkes. Es sind diese unterschwelligen, melancholischen Melodien, die immer wieder aufhorchen lassen und den Hörer am Ball halten, bis der Funke endlich überspringt. Und ein moderner Sound hält das Gebilde zu jeder Zeit gekonnt und wohlklingend zusammen. „The Harrowing Of Hearts“ hat Melodien, Tiefgang und einen angenehmen Fluss – BLAZE OF PERDITION bleiben also stark, konsequent und in Bewegung, auch mit neuer Labelheimat.

13.02.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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