Bring Me The Horizon - Suicide Season

Review

Britische Trends in der Musik gab es schon des Öfteren. Meistens waren sie zwar kurzlebig, aber dafür umso prägender. Und fast nie dauerte es wirklich lange, bis der ganze Modekrams inklusive Outfit, Attitüde, und dem ganzen Tammtamm auch zu Europas größter Nation überschwappte. Die Insel beschert uns dieser Tage wieder einen neuen ganz und gar hippen Ausdruck von Szenezugehörigkeit: Den von gut durchgestylten, typisch frisierten und übellaunigen jungen Menschen mit einer erneut daraus resultierenden Gleichschaltung von Fangruppen, die ihre Bands so lange als Helden feiern, bis ihnen die Nächsten den neuen angesagten Stil vorleben werden. So ist das nunmal mit der Mode, und auch für das derzeitige Teens n Twens-Identifikationsfeld gibt es den entsprechenden Soundtrack, deren Protagonisten oftmals als Sprachrohr und Helden gefeiert werden.

BRING ME THE HORIZON um den stets im Vordergrund stehenden Trendsetter Oliver Sykes (der 22-jährige wurde in den letzten Monaten nicht selten als verachtenswerte Skandalnudel verkauft, weil er beim Streit mit einer Weiblichkeit von stets wachsamen Trendkillern erwischt wurde, die, wie zu jeder Zeit, jegliche Form von Negativpublicity als Widerstand gegen eine drohende Massensympathie vermarkten) sind Sheffields neue große Aushängeschilder in Sachen Deathcore mit Metal-Tendenz. Die Philosophie der Band ist: Wut, Aggression, Hass und Verzweiflung verarbeiten und dabei gut aussehen. Eine große Gefolgschaft scheint sich damit anfreunden zu können. Die neue Scheibe „Suicide Season“ wurde in Schweden mit Produzenten-Legende Fredrik Nordström aufgenommen, der die musikalische Entwicklung der Band seit dem Vorgänger „Count Your Blessings“ bestens in Szene gesetzt hat. Paradox wirkt es schon fast: Die neuen Nummern haben mehr Struktur, die Gewöhnungsphase ist aber doch länger als bisher, zumal auch noch mit zufriedenstellenderem Ergebnis. Vielleicht liegt das an der teilweise überraschenden und verbüffenden Musikalität. Oli Sykes schreit, keift, brüllt und stänkert sich durch die Songs, beißt sich fest an den ausdrucksstarken und dennoch irgendwie angenehm unplakativen Texten, die zwischen Ernsthaftigkeit, Feierlaune und Zynismus schwanken, und auch die Instrumentalfraktion zieht ordentlich vom Leder. Nicht mit den ausgefeiltesten technischen Raffinessen, aber passend, effektvoll und souverän.

Der Titelsong bietet beinahe schon so etwas wie epische Breite, „The Comedown“, „Chelsea Smile“ und „Football Season Is Over“ bescheren der Zielgruppe die volle Breitseite im ausgefeilten Gewand. Stragtegisch geschickt, dass „It Was Written In Blood“ an dritter Stelle das Tempo herauszunehmen scheint, ohne es wirklich zu tun, während sich immer wieder das vertraute Gefühl von glaubwürdiger emotionaler Entladung breit macht, eine sehr metallische Eigenschaft. Wer gegen die Erscheinung der Band Einwände pflegt, beim Hören der neuen Songs aber die Augen schließt und ohne Wissen, um wen es sich handelt, den Klängen lauscht, der dürfte entweder die musikalische Substanz eingestehen, oder sich selbst etwas vormachen.

Wenn BRING ME THE HORIZON auf dieser Welle weiter schwimmen, die Musik zumindest gleichberechtigt neben den „Trend“ zu stellen, dann können sie eine der Bands sein, die nach dem Abflauen des Tornados von ihrem eigenen Sog profitieren. Wenn es niemanden mehr interssiert, wie sie sich kleiden, darstellen und ausschauen, dann haben sie’s. Ich bezweifle, dass es soweit kommt, das Image ist heilig. Dennoch: „Diamonds Aren’t Forever“, der Titel eines Songs, bringt es auf den Punkt. Der diamantene Glanz eines Erfolgs aus Fashion-Gründen wird erlischen. Bleiben werden jedoch die amtlichen Nummern dieses Batzens Energie. Klassikerpotenzial? Vielleicht? Vielleicht aber auch Opfer von den Gegnern, die den so furchtbar hip aussehenden Briten im Grundsatz nichts zutrauen. Hoffen wir mal auf Ersteres. Man nennt sowas auch Gerechtigekit.

07.10.2008
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