Callejon - Metropolis

Review

Eines muss man CALLEJON lassen: Erwartungen und Standards, egal ob aus einer sogenannten Szene oder aus den Kommentarspalten sozialer Medien heraus formuliert, haben die Band noch nie sonderlich beeindruckt. So gibt es seit den Tagen des „Zombieactionhauptquartiers“ gute Kontakte und eine hörbare Affinität zur hiesigen Rap-Szene (namentlich zu den im Metal ohnehin sehr einschlägigen K.I.Z.), die schließlich im vergangenen Jahr folgerichtig im Deutschrap-Coveralbum „Hartgeld im Club“ kulminierten. Nach „Man spricht deutsch“ und sicherlich auch „Fandigo“ einer von vielen Affronts gegen die metallische Geschmackspolizei.

Gesellschaftskritik statt „Porn From Spain“

Bei so viel offensichtlichem Spaß wurden CALLEJON so manches Mal vorschnell in eine Schublade mit ESKIMO CALLBOY, GRINDFUCKERS und Co. gesteckt. Das in diesen Tagen erscheinende Warner-Debüt des Fünfers mit dem Titel „Metropolis“ zeichnet jedoch ein vielschichtigeres und differenzierteres Bild.

„Metropolis“ nimmt den Filmklassiker nur als Ausgangspunkt, um ein weitestgehend ernstes und düsteres Portrait der modernen Großstadt, ja des modernen Lebens zu skizzieren – auf musikalischer und lyrischer Ebene gleichermaßen. Der Anarcho-Humor der „Porn From Spain“-Reihe wird auf ein Minimum beschränkt. Stattdessen kotzt Bastibasti sich mal mehr und mal weniger innovativ über entfesseltes Wachstum, westliche Doppelmoral, Konsum, Boomer und den nahenden Weltuntergang aus.

CALLEJON sind so stark wie lange nicht

Eine traditionelle Rap-Qualität, die CALLEJON sich erhalten haben, ist dessen Zitatwut. Auch hier: Musikalisch (vgl. Sampling) und lyrisch. So ist „Blut“ stilistisch doch ziemlich nah dran am Signature-Sound von LAMB OF GOD und „Gestade der Vergessenheit“ erinnert in seiner melodischen Gitarren-Verspieltheit an TRIVIUM. Weitere Referenzen, nicht neu, aber auf „Metropolis“ deutlicher als zuletzt hörbar, sind PARKWAY DRIVE, SOILWORK und gesanglich sicherlich auch FJØRT. Textlich referenziert „Fürchtet euch“ den  „Friedenspanzer“ der ÄRZTE und „Die Fabrik“ GEIER STURZFLUG – um nur einige Querverweise zu nennen.

Das funktioniert und ist vor allem deshalb sympathisch, weil CALLEJON ihre kleinen Verbeugungen in eine Reihe wirklich packender Songs einbetten. Vom euphorischen Opener und Titeltrack, der das Album in bester HEAVEN-SHALL-BURN-Manier einleitet, über die erwähnten „Fürchtet euch“ und „Die Fabrik“ bis hin zum starken Albumfinale mit „Katakomben“ und „Dies Irae“ werden die Stärken des modernen Metalcore auf „Metropolis“ bestmöglich ausgespielt. „Gottficker“ mag etwas kalkuliert kontrovers daherkommen, „Die Krähe mit dem Schädelbauch“ beschwört größere Metaphern und mehr Pathos, als ihr stehen und auch „Der Wald“ zündet nicht direkt – der Gesamteindruck von „Metropolis“ bleibt jedoch ein sehr positiver. Der Major-Vertrag hat CALLEJON gutgetan. Schön, so etwas auch mal sagen zu können.

Wer übrigens auch im Cover eine Hommage zu erkennen meint, liegt nicht völlig falsch. Bastibasti hat schon „Iconoclast“ für die Kollegen von HEAVEN SHALL BURN gestaltet und kann seinen Stil auch beim Artwork von „Metropolis“ schwer verleugnen.

31.08.2020
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