Charon (D) - Sulphur Seraph (The Archon Principle)

Review

Ganze 15 Jahre haben sich CHARON für ihr Debüt Zeit gelassen, da wäre es doch in der Tat schade, wenn ich die Scheibe an dieser Stelle runterputzen müsste. Glücklicherweise ist das aber nicht nötig, denn das Zwickauer Projekt hat ein sehr gelungenes Stück Metal fabriziert, auch wenn große Erfolge mit derartigen Klängen anno 2012 wohl eher unwahrscheinlich sind.

„Sulphur Seraph“ ist ein räudiger Bastard aus altem Death, Black und Thrash Metal, und auch ein oder zwei Doom-Riffs haben’s auf die Scheibe geschafft. Die todesmetallische Urgewalt von CHARON erinnert mich mitunter an THORNESBREED, beispielsweise das mächtige „Ambassador of Bonds“ wäre mit seinen kurzen semimelodischen Einschüben auch auf „273.15 Degrees Below Zero“ nicht sonderlich fehl am Platze gewesen. Und die Quietschegitarren bei „Thy Weapon“ auch nicht. Was den Thrash-Anteil angeht, so kann ich der Truppe gottlob bescheinigen, fies, zerstörerisch und absolut finster zu klingen, mit Retro oder aufgesetztem Old-School-Gehabe hat das nichts zu tun (was selten ist), es handelt sich vielmehr um passende, sogar zwingende Bausteine in CHARONs Version von extremem, völlig unmodernem, dabei aber niemals überholt klingendem Metal. Atmosphärisch hat „Sulphur Seraph“ trotz Tempo und Gerüpel etwas Okkult-Beschwörendes, als Anhaltspunkt würde ich hier die stilistisch völlig anders gelagerten MARTYRIUM nennen wollen oder den ersten, noch ungeschliffenen Versuch von SOTM.

Woran es liegt, kann ich nicht genau sagen. Am Trinkwasser? An den Trabi-Abgasen? Man weiß es nicht. Aber aus irgendeinem Grunde kommt ausgerechnet aus Zwickau (und Umgebung) überdurchschnittlich viel großartiger Metal. ORLOG, KATHARSIS, THORNESBREED und jetzt auch noch CHARON. Sicher, „Sulphur Seraph“ wird nicht jedem munden, denn in Zeiten von Sojawürstchen ist ein halbrohes Steak durchaus eine gewisse Herausforderung. Doch CHARON machen schnell deutlich, dass sich bei ihnen Ideenreichtum mit dramaturgischem Geschick verbindet, so dass ihr erster Streich trotz aller Urgewalt und Vielfalt letztendlich doch irgendwie eingängig ist.

Braucht nun ein zweifellos großartiges Album tatsächlich soviel Zeit zum Reifen? Proust würde wohl mit ja antworten, aber ich will mich da nicht festlegen. Was ich aber weiß: Lieber nur ein Album wie „Sulphur Seraph“ als die fünf oder sechs Auswürfe, die manche viel bekannteren Truppen in den letzten 15 Jahren fabriziert haben.

11.03.2012
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