Chelsea Wolfe - Abyss

Review

Auch wenn die Anzahl ihrer Facebook- (knapp 120.000), Twitter- (knapp 20.000) und Instagram-Follower (knapp 40.000) kaum noch das Attribut „Geheimtipp“ rechtfertigt, begegnen mir im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Künstlerin CHELSEA WOLFE immer wieder ratlose Gesichter und die Frage „Wer?“. Es ist schwer vorherzusagen, ob sich das mit „Abyss“ irgendwie ändern wird – sollte CHELSEA WOLFE in diesen Längengraden auch weiterhin weitgehend unterhalb des musikalischen Radars fliegen: An der Qualität ihres nunmehr (je nach Zählweise) achten Albums wird es nicht liegen.

„Abyss“ ist nämlich – so viel sei bereits jetzt verraten – nicht nur der nächste und folgerichtige Schritt einer Entwicklung, die bereits auf den Vorgängern „Ἀποκάλυψις“ (2011) und „Pain Is Beauty“ (2013) spürbar war; nein, gerade weil „Abyss“ in der Tradition seiner Vorgänger steht, sie aber gleichzeitig hinter sich zurücklässt, ist es der bisherige Höhepunkt des WOLFEschen Schaffens.

Welche Entwicklung ist aber gemeint? CHELSEA WOLFE gelingt auf „Abyss“ mit scheinbar traumwandlerischer Sicherheit und in diesem Ausmaß erstaunlicher Souveränität der Spagat zwischen sperrigen, zuweilen gar abstrakten, Klängen und unmittelbarer atmosphärischer und emotionaler Dichte. Die tieftraurige, melodramatische Welt CHELSEA WOLFEs versteckt sich hinter dicken Vorhängen schwer zugänglicher Musik; hinter fordernden Klangkonstrukten, die sich zunächst nur widerwillig und spröde im Gehör festsetzen. Dem geduldigen Hörer eröffnet sich jedoch nach und nach ein stimmungsvolles Juwel.

Sei es der geradezu hypnotische Industrial-Opener „Carrion Flowers“, zu dem CHELSEA WOLFE ein Musikvideo veröffentlicht haben (siehe unten); sei das brachiale an NEUROSIS erinnernde „Iron Moon“, das zwischen Passagen fragilen Gesangs und tonnenschweren Gitarren oszilliert, sei es das unheimliche „Dragged Out“ oder das melancholische „Maw“ – dieses Juwel namens „Abyss“ besitzt elf Facetten, die, wenngleich unterschiedlich, einer künstlerischen Vision entsprungen sind.

Selbst Songs wie das akustisch angelegte, jedoch zielsicher mit Verzerrung versehene „Crazy Love“, (das seine Verwandtschaft zur 2012 veröffentlichten Compilation „Unknown Rooms: A Collection Of Acoustic Songs“ nicht leugnen kann) oder das minimalistische „Simple Death“, in dem der Gesang in völlig neue Dimensionen der Zerbrechlichhkeit vordringt, fügen sich stimmig in das dunkle Gesamtbild, das CHELSEA WOLFE mit „Abyss“ entwirft.

Dieses Bild mag seine Zeit brauchen, um sich in allen Details und in seiner gesamten Tiefe zu entfalten – belohnt den Betrachter dann aber mit einem überwältigenden Blick in den Abgrund…

„…wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
(Friedrich Nietzsche)

Mist, hier tut was nicht.Whoops! Hier sollte eigentlich ein Video- oder Audio-embed erscheinen. ...
23.08.2015
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