Cherubim Inc. - Never Trust The Living

Review

Das hätte ich nicht erwartet. Dachte ich bisweilen, die 69 Eyes wären mit „Wasting The Dawn“ auf dem Sektor des Gothicrocks als ein letztes Aufbäumen vor dem entgültigen Versanden dieses ausgetretenen Pfades zu verstehen gewesen, so war ich umso entgeisterter angesichts dessen, was mir auf der 3-Titel-Promo dieses 1997 gegründeten Quintetts entgegenschlug. Die fünf Niedersachsen stilisieren sich selbst über das Wortartefakt „Archaic Rock“ (man verzeihe mir das Schubfach „Gothic Rock“, irgendwo musste es ja rein…), eine Kunstrichtung, mit der man sich von jeglichen altbackenen Klischees (Gothic, Metal oder Generation X) zu distanzieren sucht, und das mit anklagendem Grundtenor… Naja, auch wenn das in der Band-Info sehr geschwollen klingt und aufgrund fehlender Lyrics-Beilage nicht wirklich überzeugt – die Musik tut das allemal. Die Eigenproduktion vom Winter ’99/00 lässt von Beginn an keine Wünsche offen. Spätestens wenn die charismatische, aggressiv-sinistre Stimme des Sängers Jaazon – guten Gewissens anzusiedeln nahe großer Namen wie Sven Friedrich (Dreadful Shadows) oder Pete Steele – die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf sich lenkt und komplett in Beschlag nehmen dürfte, wird klar, dass man es hier nicht mit einer x-beliebigen Gothicrock-Trend-Band zu tun hat, sondern einer Truppe durch und durch leidenschaftlichen Charakters. Diese wird zwar nicht die Musikwelt revolutionieren, aber dennoch frischen Wind in eingefahrene Gemüter schematischer Rezept-Musiker blasen. Zwei rauhe, aber füllige Gitarren sägen sich trotz Midtempi munter und ausgeschlafen durch die rockigen Songs, die Mischung der einzelnen Elemente verschafft diesen eine enorm ausgeglichene Gewichtung und Atmosphäre (ganz ohne subventionierende Keys) – der unzweideutige „Ohrenfang“ und Angelpunkt der Ganzheit bleibt jedoch das grandiose Organ Jaazons. Cherubim Inc. weisen mit ihrer Musik einen Weg auf, auf welchem allem Anschein nach noch frische, rauschhafte Rockmusik selbstbewusst zu schaffen ist, ohne in übermässige Experimente abzudriften. Die Ankündigung verstärker Live-Aktivitäten der Band im Süden Deutschlands in der kommenden Zeit sollten Anlass geben zu gesteigerter Aufmerksamkeit Indierock-begeisterter Musikfreunde!

28.04.2001
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