ColdWorld - Melancholie²

Review

Wie mag sich wohl der Kältetod anfühlen? Wenn man wie ich noch nie erfroren ist, kann man das nicht mit letzter Gewissheit sagen. Sollte er allerdings in etwa den Bildern gleichen, die COLDWORLDs Debüt-Album „Melancholie²“ vor meinem inneren Auge hervorruft, dann würde ich damit nicht nur negative Emotionen verbinden. Man ahnt es nicht nur am Namen: In COLDWORLDs Werk spielen Kälte, Frost und verschneite Welten eine zentrale Rolle. Allerdings nicht in einem IMMORTAL-Proll-Kontext, sondern in der dezenten Einsamkeit PAYSAGE D’HIVERs oder VINTERRIKETs. COLDWORLD beschränkt sich nämlich auch nicht nur auf getragenen und hypnotisierenden Black-Metal, sondern lässt auch vermehrt Ambient einfließen. Darüber hinaus wird auch Inspiration aus der klassischen Musik verarbeitet. Jedoch kann man mit Fug und Recht sagen, dass sich der Einsatz klassischer Instrumente hier sehr von dem oftmals schwülstigen Standard-Keyboard-Gedudel anderer Schwarzkapellen abhebt. Stattdessen wurden die verschiedenen Einflüsse wesentlich feinsinniger und authentischer eingebracht, wie man zum Beispiel an den Streichern im zweiten Track „Tortured by Solitude“ hört.

Einzig mit dem Gesang bin ich nicht so ganz warm geworden. Aber um mal bei dem blöden Wortwitz zu bleiben, war das sicherlich auch nicht das Ziel. Die Vocals stellen sich als monotones Gekrächze dar und fügen sich damit nämlich schon in das Szenario von Kälte und Einsamkeit ein – für meinen persönlichen Geschmack hätten diese aber einfach mehr Variabilität vertragen können. Die Atmosphäre leidet darunter jedoch nicht, da sich der Gesang, wie eben beschrieben, sehr in das Gesamtbild einfügt, aber eben keine eigenen Akzente setzt. Der Titel „Melancholie²“ und auch das minimalistische Artwork von Sperber Illustrationen umschreiben den Höreindruck bereits ziemlich gut. Man fühlt sich, als könne man selbst der Wanderer auf dem Titelbild sein: einsam und verbittert durch eine karge Schneelandschaft irrend, die dennoch mit einer stillen Schönheit behaftet ist. Atmosphärisch arbeitet COLDWORLD auf jeden Fall sehr dicht, ohne allerdings zu sehr auf winterlichen oder depressiven Klischees rumzureiten. Auch wenn Alleinunterhalter G.B. nach neuen Ausdrucksformen sucht, so ist seine Musik doch klar im Black-Metal behaftet. Mit anderen Worten: Das Rad wird auch hier nicht neu erfunden, aber es werden einige erfrischende Akzente gesetzt, die das Werk deutlich aus dem Sumpf des Einheitsbreis erheben.

Jeglicher Freund anspruchsvoller und düster-melancholischer schwarzer Tonkunst sollte sich COLDWORLD zu Gemüte führen und dem Album vielleicht auch ein paar mehr Durchläufe geben, bevor man es bewertet. Nach einigen anfänglichen Zugangsschwierigkeiten gefällt mir „Melancholie²“ mittlerweile sehr und wird sich sicherlich noch vieler Durchläufe in meiner Stereoanlage erfreuen können.

05.06.2008
Exit mobile version