Coroner - Dissonance Theory

Review

Was lange währt, wird endlich gut. Selten hat dieser Spruch so sehr wie Arsch auf Eimer gepasst wie beim hier vorliegenden, nun endlich WIRKLICH erscheinenden neuen CORONER-Album „Dissonance Theory“. Der Weg hierher war ein langer, nicht nur hat die Band einstweilen auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegen, die Gerüchte neuen Materials geisterten seit Wiedervereinigung schon eine ganze Weile durch den Äther. 2022 kam endlich ein erstes, neues Stück in Form von „Sacrificial Lamb“ in den Live-Umlauf und von hier an sollte sich langsam aber sicher manifestieren, was nun in Form von „Dissonance Theory“ Wirklichkeit geworden ist – ein neues Album der legendären Schweizer Band, die in den Achtzigern und Frühneunzigern großen Einfluss auf die Entwicklung des zeitgenössischen Metal ausüben sollte.

Mit „Dissonance Theory“ liefern CORONER endlich das lang erwartete, neue Album

Doch wie klingt eine solche Band, die nach über 30 Jahren – das letzte Studioalbum „Grin“ erschien 1993 – erstmals wieder ein neues Album auf die Welt loslässt? Immerhin spalten sich die Meinungen über das letzte richtige Werk der Band. Würde ein Comeback also an die alten Tage anknüpfen, vielleicht sogar den vielerseits als Opera Magna gehaltenen Klassikern „No More Color“ oder „Mental Vortex“ nacheifern? Die Antwort lautet nein. Damit ist „Dissonance Theory“ in gewisser Weise ein kleines Wagnis, denn obwohl Elemente des Thrash und Groove Metal enthalten sind und durchaus dominieren („Renewal“), klingt es doch hochmodern, abwechslungsreich und mit der Zeit gehend, um nicht zu sagen: progressiv.

Eigentlich ist es sogar recht schwer, den Sound der Band anno 2025 mit einer der klassischen Schubladen auf den Punkt zu bringen. Es klingt in jedem Falle dystopisch, unterkühlt und atmosphärisch, insgesamt aber deutlich zugänglicher und weniger lebensfeindlich als bei den Kanadiern VOIVOD beispielsweise, im Gegenteil mitunter sogar regelrecht episch („Sacrificial Lamb“). Die klangliche Transparenz von „Dissonance Theory“ ist indes essentiell, da sich CORONER auch anno 2025 durch die agile Riffarbeit von Tommy Vetterli auszeichnet, der in praktisch allen Stimmungsladen ins Schwarze trifft. Man ist jedoch betont songorientiert unterwegs und obwohl Tieftöner Ron Broder sein Geschimpfe zu keiner Zeit wirklich ablegt, wirken Tracks wie „Consequence“, „Crisium Bound“ oder „Trinity“ wie waschechte Hymnen dank ihrer knackigen Hooks.

Und sie liefern ein würdevolles Comeback ab

Dennoch schlagen die Songs ihre Haken und zeichnen sich durch interessante Layer aus. Dass man auf Empfängerseite nicht durch Komplexität überrollt wird, zeigt wiederum das geschickte, abgebrühte Händchen bei der Songstrukturierung. Vetterli wirft der Hörerschaft stets neue Gitarrenphrasen vor den Latz, sodass es technisch keine Wiederholungen gibt, während der 2014 neu hinzugestoßene Schlagzeuger Diego Rapacchietti das Geschehen in ein lockeres Gewand einfasst. Elemente von Bands wie MASTODON oder GOJIRA (besonders in „The Law“) manifestieren sich immer wieder im Songwriting, wobei natürlich immer die Frage vom Schädelinneren an die Stirn klopft, wer hier wen beeinflusst hat.

Es ist eine absolute Freude, berichten zu können, dass CORONER keine Versuche unternehmen, um ihre alten Fans mit irgendwelchen rückwärts gewandten Zugeständnissen oder Friedensangeboten Honig ums Maul zu schmieren, sondern sich wirklich ernsthafte Gedanken gemacht haben, wie sie als Band anno 2025 zu klingen haben. Und „Dissonance Theory“ zeigt die Schweizer in einer modernen, zeitgemäßen Form, die frisch und relevant wirkt. Das kommt sicher nicht von ungefähr, da speziell Vetterli als Produzent von Bands wie u. a. ELUVEITIE immer irgendwie am Nabel der Zeit gesessen hat, was die Entwicklung des Metals als Genre angeht. Doch es ist erfrischend, dass ein solch überfälliges Comeback so begangen wird, als wären CORONER nie weg gewesen.

16.10.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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