Creatures - Creatures II

Review

CREATURES aus Brasilien unterbreiten der Gemeinde ihr zweites Album. Es heißt „Creatures II“ und erscheint über High Roller Records, die das Werk mit Verweisen auf JUDAS PRIEST, RATT und DOKKEN bewerben. So weit, so supergeil.

Nach Betrachtung aktueller Bandfotos könnte man allerdings erwägen, spontan in Panik zu verfallen. Nur 3,25 von notwendigen vier Schnurrbärten wurden kultiviert. Man kann jedoch Entwarnung geben, denn: Bandboss, Songwriter und Gitarrist Mateus Cantaleäno hat sich verantwortungsbewusst die folgende stählerne Schlüsselerkenntnis in Schriftgröße 1985 auf sein wichtigstes Körperteil tätowieren lassen:

„Ein klassischer Metalsong ohne größenwahnsinniges Gitarrensolo ist wie Bier ohne Schnapseinlage, Boxen mit Handschuhen oder nicht frittierte Schokoriegel: bestenfalls sinnlos, eigentlich aber ein Grund, um der Kultur/Welt desillusioniert zu entsagen.“

„Creatures II“ ist sicher in den Achtzigern verplombt

Und so wird praktisch jedes der 12 eingängigen Stücke auf „Creatures II“ über Saitenakrobatik in seiner zweiten Hälfte zuverlässig inmitten der Achtziger verplombt. Der Gitarrensound gemahnt darüber hinaus naheliegend und passgenau an die OZZY-Scheiben rund um „Bark At The Moon“. Zudem liegt ein Hauch VAN HALEN in der von ehrlichem Schweiß und noch ehrlicherem Parfüm geschwängerten Luft. Der hohe, aber kraftvolle Gesang vermittelt die Dringlichkeit des jeweiligen Anliegens (Rituale, Gefahr etc.). Auf dem Schlagzeug liegt ausreichend Hall für das große Stadion und CREATURES liegen damit sehr richtig. Wichtig in dem Kontext: Die Refrains sind auch nicht auf die Bahnhofskneipe zugeschnitten, sondern auf die Arena ohne Dach. Das Sprungbrett der Kehrreime sind mehrstimmige Gesangsharmonien, ihr Treibstoff vielfache „Ohohohoooos“ der enthusiastischen Variante.

Fachkundiger Blick in den Rückspiegel

Die tendenziell dunkle Grundstimmung erdet das Ganze und erinnert an die JUDAS PRIEST der späteren Siebziger oder eben an den Madman in genannter Phase. Die Heroen vom metallischen Ende der Haarspray-Szene der Achtziger sind mindestens ebenso präsent: Neben DOKKEN und RATT kann man hier und da einen bunten Funken CINDERELLA ausmachen.

Schließlich beherrschen CREATURES alle einschlägigen Varianten des in diesem Kontext Notwendigen: die getragene Hymne („Beware The Creatures“), den schnellen Rocker („Devil In Disguise“) und – Faust hoch! – die Powerballade („Dreams“). „Creatures II“ beamt das Los Angeles der goldenen Achtziger über seine flüssig arrangierten Songs souverän nach Brasilien. Die Helden aus Birmingham haben seinerzeit ohnehin die City Of Angeles präferiert.

Es hilft daher alles nichts …

Der nächtliche Blick in den Rückspiegel (des Cabriolets) macht Spaß. Das lässt den Rückschluss zu: CREATURES sind, anders als die meisten, nicht so dreist und begehen Diebstahl. Sie sind fachkundig und zitieren elegant. So muss es sein.

07.11.2025
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