Der Trauerschwan - Sanguinare Vampiris

Review

DER TRAUERSCHWAN – hinter diesem pathetischen Namen verbirgt sich die neue Ein-Mann-Formation des ehemaligen HETROERTZEN-Bassisten Ham, der nunmehr als Tristan Moreau in Erscheinung tritt. Mit „Sanguinare Vampiris“ gibt er sein Debüt als Solokünstler und Vampirversteher. Doch Vorsicht mit voreiligen Schlüssen!

„Sanguinare Vampiris“ ist nicht, was es auf den ersten Blick scheint

Bei der stilistischen Einordnung lässt man sich besser nicht vom ersten Impuls verleiten. Sowohl der Bandname als auch die Blutsauger-Thematik unter Einbezug romantischer, englischer Poesie suggerieren eine Nähe zu Gothic- und Dark Metal. Die visuelle Ausrichtung mit Friedhofscover und der vampiresken Selbstdarstellung des Künstlers, ja sogar die das Werk eröffnenden sakralen Orgelklänge, lassen ähnliche Schlüsse zu. Aber dicht daneben ist bekanntlich auch vorbei.

Tristan Moreau lebt seine musikalische Kreativität auf „Sanguinare Vampiris“ lieber in doomigem Black Metal aus. Seine vornehmlich düsteren, beklemmenden Kompositionen bewegen sich durchgängig im niederen BPM-Bereich, die geschaffene Soundlandschaft ist aber dem Black Metal wesentlich näher, nicht zuletzt durch Moreaus kratzig-verhallte Vocals.

DER TRAUERSCHWAN greift den Spirit des Black- und Doom-Metals der frühen Neunziger auf. Phasenweise, wie bei „The Malady Of Mortality“, fühlt man sich an KATATONIA zu deren Anfangstagen erinnert. An anderer Stelle schimmert ein wenig Verehrung für SUMMONING durch, und das nicht nur aufgrund des sehr ähnlichen Songtitels „To Where No Pathway Goes“. Die Violinenklänge in „Cor Cordium“ liefern wiederum gewisse Reminiszenzen an MY DYING BRIDE.

Der Opener „Of Broken Vows And Sorrow“ sticht in Sachen Stimmungstransfer hervor und erweist sich als unerwarteter „Ear-Catcher“. Moreau erzeugt darin eine dem Songtitel entsprechende, von Schmerz und Reue zehrende Atmosphäre, die vor allem in der melancholischen Melodie in Verbindung mit dem noch bedrückenderen Chorus zum Tragen kommt.

Leider erreichen die übrigen Stücke trotz patenter Anläufe und Reizen des Nostalgie-Nervs nicht die gleiche Überzeugungskraft und verblassen gegenüber dem gelungenen Eröffnungsstück auch nach mehrmaligem Hören schnell wieder.

Schwarzer Schwan im Werden

„Sanguinare Vampiris“ verströmt einen eigenwilligen Retro-Charme, schreit aber gleichzeitig nach mehr Souveränität. Das Gesamtkonzept wirkt konfus, da sich die künstlerischen Dimensionen noch nicht zu einer ästhetischen Einheit zusammenfügen. Tristan Moreaus Auftakt als DER TRAUERSCHWAN ist mitnichten das Werk eines blutigen Anfängers, zeigt jedoch, dass die Identität des schwarzen Schwans noch in Formung ist.

28.11.2022
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