Desolate Shrine - Fires Of The Dying World

Review

Wem es im Death Metal gar nicht düster und heavy genug sein kann, braucht dieser Tage nur mal einen Blick in Richtung Helsinki werfen. Aus der finnischen Hauptstadt nämlich stammen neben diversen anderen, bekannten Schlagetoten auch DESOLATE SHRINE, eine dreiköpfige Death-Metal-Band, die sich dem Klischee der ewigen, finnischen Melancholie erneut mit nunmehr ihrem fünften Album „Fires Of The Dying World“ widersetzt und einen finsteren, bösartigen und von einer geradezu monströsen Präsenz beseelten Riffklumpen auf die Menschheit loslässt. Angesichts der Zeiten, in denen wir uns befinden, scheint der ruppige Umgangston, den Roni Sahari, Markus Tuonenjoki und Lauri Laaksonen anschlagen, mehr als angebracht, der Titel irgendwie programmatisch.

DESOLATE SHRINE entfesseln einen finsteren Riffklumpen

Dabei trifft die Beschreibung des Sounds, die der geschätzte Vorredner Peter zum Vorgänger „Deliverance From The Godless Void“ seinerzeit fand, immer noch zu. DESOLATE SHRINE bedienen einen facettenreichen Mix aus Black und Death Metal mit gelegentlichem Hang zum Doom. Die Gewichtung liegt dieses Mal allerdings deutlich mehr auf dem Death Metal. Die Atmosphäre spielt jedoch weiterhin eine zentrale Rolle, die gerne mit unterschwellig auftauchenden Synths untermauert wird. Wie bereits oben erwähnt, zeichnet sich der Death Metal klangtechnisch durch eine enorme, geradezu körperliche Präsenz aus, die sich in oppressiver Weise im Äther ausbreitet. Das verleiht speziell den Doom-lastigeren Cuts á la „My Undivided Blood“ besonders viel Schwere.

Den Eindruck, hier irgendwie irgendeine Eingängigkeit oder irgendwelche songdienlichen Zugeständnisse ausfindig machen zu können, zerschlagen die Finnen nach atmosphärischem „Intro“ mit „Echoes In The Halls Of Vanity“ recht zügig und bestimmt, indem sie einen tonnenschweren, brutalen Death Metal der stimmungsvolleren Art entfesseln, der das niederschmetternde Riff als solches in den Mittelpunkt stellt. Der Track bricht mit Wall Of Sound-artigen Riffkaskaden und den biestigen Growls der beiden Sänger Sahari und Tuonenjoki auf den Hörer herein. Die gedrosselte, nichtsdestotrotz wuchtig in Szene gesetzte Rhythmik verleiht dem Song eine mächtige Gravitas, die ihn wie einen wütend aufstampfenden Giganten erscheinen lässt.

Der Ton macht die Musik erst richtig mächtig

Die Produktion lässt vor allem die Gitarren richtig monströs klingen. Es türmen sich massive Gitarrenwände vor dem Hörer auf, während die oberen Tonlagen über gerade genug Höhen verfügen, um aus dem Dickicht hervorzustechen. Die Stimmen der beiden Brüllwürfel hallen wie das Bellen zweier Höllenhunde durch die Songs, während sich das Schlagzeug ausgesprochen tight durch die Songs peitscht, als gäbe es kein Morgen mehr. Dabei brilliert der dicht gepackte Sound sowohl in den Downtempo-Passagen als auch in den feisten Kloppern, von denen DESOLATE SHRINE tatsächlich auch was in petto haben. Es herrscht rege Variation innerhalb der Trackliste. Dabei lässt sich kaum ein Song auf einen Modus festnageln. Die einzelnen Tracks klingen dabei dennoch jederzeit so, als würde sich ein konsistenter Schlund in den endlos schwarzen Abgrund öffnen.

Tatsächlich drücken die Finnen zwischenzeitlich sogar mal richtig feste auf die Tube. Die erste Hälfte von „Cast To Walk The Star Of Sorrow“ ist in dieser Hinsicht ein echt fieses Highlight, da sich der Song so richtig schön biestig durch die Wallachei trümmert, dabei jedoch – wiederum durch den Sound – weiterhin diese charakteristische Heaviness innehat. Im zweiten Teil des Tracks drosseln die Finnen den Song dann ins Midtempo ab, nicht aber ohne ihn dabei richtig abartig grooven zu lassen. Dass sie dabei so sehr auf diesen überwältigenden Sound setzen, ist geschickt kalkuliert, da das Songwriting kaum auf Hooks im klassischeren Sinne ausgelegt ist. Die meist überlangen Songs winden sich mehr durch diverse, wiederkehrende Motive und erfordern einiges an Hörarbeit seitens der Rezipienten.

Die Antithese zum Wohlfühl-Melodeath

Das managen die Finnen allerdings über die meiste Zeit sehr kompetent, da sich kaum ein Track zu lang anfühlt. Lediglich zu Beginn des Quasi-Titeltracks „The Dying World“ kommen DESOLATE SHRINE mal durch etwas zu forcierte Tempowechsel ins songschreiberische Schlingern, doch die intensive Stimmung, die durch die Straffheit des gebotenen Death Metals, das gerne mal recht nah an der Dissonanz grenzenden Breitband-Riffings und nicht zuletzt die infernalische Produktion geschaffen wird, kittet das glücklicherweise souverän zusammen, sodass der Song kaum auseinander fällt. Doch nicht nur äußeres gefällt. Obendrauf gibt es jede Menge liebevoller Verneigungen vor klassischen Death-Metal-Tropen v. a. der Stockholmer Schule, die man relativ deutlich erkennt, ohne dass die Finnen gleich mit dem HM2-Zaunpfahl winken müssen.

Fürwahr: „Fires Of The Dying World“ ist die Antithese zu Wohlfühl-Melodeath á la DESERTED FEAR: Ungemütlich, unbehaglich, ungeheuerlich. Während die Thüringer eher einen recht bekömmlichen Sound fürs fröhliche Kreisellaufen im Pit schaffen, kommt der Genuss von DESOLATE SHRINE eher dem Spielerlebnis von Elden Ring gleich. Die Finnen setzen ihre Hörer mitten in einer lebensfeindlichen Welt aus und machen unmissverständlich klar, dass sie dort nicht willkommen sind. Sie kreieren ein erdrückendes Gefühl von ständiger Bedrohung, das unter die Haut geht und ein ständiger Begleiter ist. Die Finnen schaffen schlicht atmosphärisches Death-Kino, das man zu spüren bekommt. Ist natürlich nicht für die große, bierselige Festivalsause geeignet.

18.03.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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