Disconnected - We Are Disconnected

Review

Das hier ist mal wieder eine der Platten aus der Modern-Metal-Ecke, die aus Promo-Zwecken als Prog bezeichnet wird. Ein paar Djent-verwandte Riffs sind hier und da zu hören, aber das war es dann auch. So wirklich progressiv ist hier nichts. DISCONNECTED aus Frankreich spielen einen in weiten Teilen recht gebräuchlichen Modern Metal mit ausgeprägtem Trendbewusstsein, will sagen: Alles was irgendwie irgendwo angesagt ist und die Kids vor die Bühne holt, steckt hier im quasi-selbstbetitelten Album „We Are Disconnected“ drin, von besagten Djent-artigen Gitarrenfiguren über zeitgemäß aufpolierte Synths und durchaus straff gezogene Grooves bis hin zum Wechselspiel zwischen Gebrüll und Klargesang, das sich praktisch seit dem Metalcore-Boom anfang des Jahrtausends bewährt hat. Fehlen eigentlich nur noch der Papst und seine Kardinäle

Moderner Metal mit Hochglanzpolitur

Aber zurück zum Album: Was man den Franzosen zugute halten muss, ist der Grad an Politur, den das Album aufweist. Dieses Ding klingt wie eine Platte, die ein nicht zu verachtendes Budget hat, da der Sound erfrischend transparent und knackig ist. Unabhängig davon, wie man zur metallischen Moderne steht, lässt sich ihr in diesem konkreten Falle also wenigstens keine schlampige, breiige Produktion unterstellen, was das Hörvergnügen gleich viel angenehmer macht. Ebenfalls ein Plus ist, dass die Herren im Gegensatz zu mancher musikalischer Untat aus der bodenlosen Kloake, die sich „Pop-Metal“ nennt, hier tatsächlich ein paar headbang-würdige Riffs und Grooves unterbringen, die einen Muffel wie den Verfasser durchaus mal im positiven Sinne auf dem falschen Fuße erwischen.

Lobend muss man auch erwähnen, dass Ivan Pavlakovic definitiv ein paar solide Refrains aufs Parkett zaubert, die gerade mit mehrstimmigen Hooklines gesungen ordentlich was her machen; „King Of The World“ und „Primal Rage“ sind tolle Beispiele hierfür. Aber diese blitzblank polierten Cleans, denen definitiv etwas mehr Soul nicht schaden könnte, muss man eben mögen. Wie sehr das hier Geschmackssache ist, wird besonders in „I Fall Again“ klar, ein Song, der sich sehr in seiner Rolle als Alternative-Hymne der Platte gefällt. Besonders die Hook versucht sich an dieser dramatischen Gesangslinie, aber ohne besagten Soul bleibt es weitestgehend beim Versuch. Es tut wenigstens nicht weh und hört sich im Auto recht bekömmlich weg.

DISCONNECTED schaffen einen Leckerbissen für Fans – dem Rest tut’s wenigstens nicht zu sehr weh

Dann ist da aber noch der Fall, in dem sich die Franzosen beim Verfasser doch richtig unbeliebt machen. Das passiert nämlich dann, wenn sie versuchen, diesen Sound in eine Ballade zu stopfen, namentlich „Your Way To Kill“ und „That’s How I’ll Face The End“. Es spricht nichts gegen eine Ballade innerhalb einer sonst eher von Dampf gezeichneten Trackliste, aber das hier ist absoluter Nuller-Radio-Rock-Käse und lässt ganz böse Erinnerungen an Post-Grunge-Unrat der frühen 2000er wach werden, die man eigentlich zu Recht im Gedächtnisnirvana archiviert hat. Hier klingen die Franzosen wie das Schlimmstmögliche, was man sich von Bands wie HOOBASTANK vorstellen kann. Und nein: Der härtere Part zum Ende des letztgenannten hin rettet diesen Stinker von einem Song leider auch nicht.

Allein wie gut hier alles in Szene gesetzt ist und welche Mühe hier offenbar nicht nur hinter der Produktion sondern letzten Endes auch hinter der tadellosen Instrumentierung steckt, verdient Anerkennung und Respekt, auch wenn DISCONNECTED hier und da vielleicht ein bisschen zu sauber und glatt klingen. Was genau sich die Herren bei den beiden gefühlsduseligen Entgleisungen gedacht haben, bleibt zumindest für unsereins ein Rätsel. Aber alles drum herum ist zumindest genießbar genug, um ihm eine Chance zu geben. Etikettenschwindel hin oder hier: Hier steckt was dahinter.

24.03.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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