Disentomb - The Decaying Light

Review

Auch nach über dreißigtausend Reviews und dem ein oder anderen Abstecher in diese Schiene – Brutal oder Slam Death Metal hat augenscheinlich keine wirklich große Lobby auf metal.de. So fliegen wegen fehlender Expertise im Team (Hint!) regelmäßig starke Platten aus dem Bereich unter dem Radar. So auch die australischen Wüteriche DISENTOMB, die schon mit ihrem Zweitwerk „Misery“ im Jahr 2014 bei New Standard Elite, einem US-Label spezialisiert auf die brutale Grunz- und Pringles-Snare-Sause, innerhalb der Szene gut einschlugen, hier aber bislang vollkommen außen vor waren.

DISENTOMB spielen „Sloom“

Fünf  Jahre hat man sich nun für den Nachfolger „The Decaying Light“ Zeit gelassen, mittlerweile ist man mit Unique Leader auch bei einem verhältnismäßig größerem und wohl auch potenterem Label gelandet. Unterschiede zwischen Bands dieser Spielart im Metal werden Außenstehende (also SABATON- und POWERWOLF-Hörer, aber auch der gemeine METALLICA- oder SLIPKNOT-Fan) wahrscheinlich nicht attestieren können, da der Brei aus tiefgestimmten Riffs, Schweinenlauten, Slams und konstantem Blast-Beat-Hagel die meisten langweilt oder überfordert.

DISENTOMB nehmen sich allerdings ein Stück weit aus den „typischen“ Bands im Brutal Death raus, haben sie doch bereits auf „Misery“ immer wieder langsame, atmosphärischere Momente eingeflochten, die durchaus mal in Richtung Doom schlagen konnten. Das brachte ihnen die Bezeichnung „Sloom“, als Kunstwort aus Slam und Doom, ein. Auch auf dem neuesten Album wird das wieder als Auflockerung eingesetzt. So sind es doch gerade die atmosphärischen Ein- („Collapsing Skies“) und dieses mal sogar Ausleitungen (in Form vom mit klassischer Gitarre gezupftem „Withering“) der Alben, die DISENTOMB eine desolate, melancholische Atmosphäre verleihen, die man sonst in dem Brutal-Death-Bereich eher nicht so vernimmt.

Auch wenn immer noch gut durch die Bank gerödelt wird („Rebirth through Excoriation“) und ebenso Fronter Jordan James mit seinen abgrundtiefen Growls keine Zweifel an der Verortung auf der Genre-Karte aufkommen lässt, sind DISENTOMB eigentlich immer dann am besten, wenn sie die Handbremse ziehen und diese eingängigen und atmosphärischen Leads mit der szene-typischen Brutalität und den Slams verbinden, was dem als „Albumteiler“ fungierenden „The Great Abandonment“ und „Invocation in the Cathedral of Dust“ ausgesprochen gut steht und letzteren für einen der besten Songs auf dem Album adelt.

„The Decaying Light“ hat grundsätzlich mehr von allem als „Misery“: Songs, Spielzeit, Abwechslungsreichtum

Auch das neue Album braucht wie Vorgänger „Misery“ wieder mehrere Durchläufe um zu zünden und die im Sekundentakt umherspringenden Riffs sortieren zu können. Allerdings haben DISENTOMB trotzdem zündende Momente in den Songs, die bereits bei den ersten Songdurchläufen zumindest irgendwo im Hinterkopf bleiben. Nach ein paar Durchläufen kristallisieren sich beinahe schon „catchy“ und sehr traditionell todesmetallisch angegangene Tracks wie „Dredged Into Existence“ und „Droning Monolith“ heraus.

Es kommen weniger im Sinne frecher Kopie, sondern eher im Sinne geistiger Inspiration am ehesten SUFFOCATION und IMMOLATION als Referenzen auf. Im Gegensatz zum Vorgängerwerk, das kaum die halbe Stunde überschritt, haben DISENTOMB auf „The Decaying Light“ von allem mehr drauf gepackt: Mit dreizehn (respektive zehn, wenn man Intro und Outro sowie den „Filler“ „The Great Abandonment“ herauszählen möchte) Tracks und 45 Minuten Spielzeit bringt man schon ein wenig mehr Abwechslung und Material unter und behält sich seine Tugenden von „Misery“ weitgehend bei.

„Your Prayers Echo Into Nothingness“ und „Indecipherable Sermons of Gloom“ oder auch der Titeltrack könnten, unter den argwöhnischen Augen und vermutlich verächtlichem Schnauben von YES- und KING CRIMSON-Fans beim Lesen, schon fast als „progressiv“ betitelt werden, pendeln sie doch katzengleich elegant zwischen fingerbrechenden Griffbrettübungen, brutalen Slams und wieder diesen atmosphärischen Stopps oder Soli.

So kann das Hören nach den ersten Durchläufen von „The Decaying Light“ möglicherweise einer kleinen Enttäuschung nahe kommen, da der Brutalitätslevel und der Vorwärtsdrang nicht mehr ganz so hoch ist wie noch auf „Misery“. DISENTOMB sind anno 2019 weniger der Torture Porn à la Hostel, denn viel mehr ein wenig David Lynch oder existentieller, lovecraftscher Horror mit ein paar brutalen Zwischenszenen.

Brutal-Death-Fans mögen auch mitunter die etwas „weichere Produktion“ (keine Pringles-, sondern eine relativ dumpfe Snare, etwas dünnere Gitarren, hörbarerer Bass) und sehr viel weniger vorhandenen Slams vermissen. Auch sind trotz definitiv guten vorhandenen Riffs die Songstrukturen prinzipiell über Albenlänge austauschbar… ob man „The Decaying Light“ am Stück durchhört oder auf Shuffle sich reinfährt spielt fast keine Rolle.

Warum nicht mehr von solchen Lichtblicken wie dem Outro „Withering“ oder Doom, Entschuldigung „Sloom“-Bremsen wie „Invocation in the Cathedral of Dust“? Das reicht innerhalb des eigenen Genres bzw. Sounds schon aus, um Akzente zu setzen und  aufzufallen. So würden DISENTOMB in Zukunft es vermeiden, auf der Stelle zu treten. Trotzdem stellt „The Decaying Light“ eine klare Empfehlung für alle aufgeschlossenen Brutalos dar.

05.08.2019
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