Dog Fashion Disco - Adultery

Review

Heißa, sie sind wieder in der Stadt: Jener wahnwitzige Zirkus mit den vier kreischbunten Gauklern und ihrer legendären Mischung aus halluzigener Surrealität und blutiger Inszenierung, jene Meister der knallig bemalten musikalischen Grauzonen – lasst sie nur herein! DOG FASHION DISCO laden in die Manege, und Kinder bleiben besser vorm Zelt und bespucken Lamas, da sich drinnen in diesem Jahr ein Film Noir in Echtzeit abspielt, der in hypnotisierender Intensität Gewalt, Musik, Hardcore-Sex und einen skrupellosen Outlaw-Humor auf den Zuschauer übertragen möchte – so scheint es.

Das Perverse an dieser Mixtur allerdings ist (auf „Adultery“ nicht zum ersten Mal), dass sie kaum als pervers erlebt wird – denn anders, als man es oft etwa von MIKE PATTON kennt, verdienen die einzelnen Songs ihre Bezeichnung als solche – hier lauscht man keinen Fragmenten, hier sind stimmige Songs zu hören, die nicht zuletzt von der phantastischen Vocalleistung von Mastergenius Todd Smith umspannt werden. Obendrein ergeben die Tracks untereinander wie Puzzlestücke im Rahmen eines Konzepts ein schillerndes Gesamtbild. So wird dieser Film in jedem Fall zum abendfüllenden Programm.

Zunächst chloroformiert von einem glamurösen, meisterhaft komponierten Klavier-Intro, wird das Publikum Augenzeuge einer irrwitzigen Jagd durch Hardcore, Film-Noir, Jazz, Ska, Westernpop, Smooth-Rock, Punk und Schnulze, dass einem ganz blümerant werden mag. Nach einigen nervenaufreibenden Runden in der Manege, nach denen man die SYSTEM OF A DOWN-Fratze nicht mehr vollends aus dem benebelten Kopf kriegt, läutet „Desert Grave“ die langersehnte Ruhephase ein: Die schmusige CHRIS-ISAAK-Banjopop-Nummer schlägt ebenso unverhofft ins Kontor wie die tarantinoeske Sexszene (!) im hitzeflirrenden „Private Eve“. Danach setzt der Überrefrain von „Darkest Days“ Maßstäbe.

„Dead Virgins Don’t Sing“ verstört mit dissonanter Cello-Gewalt in Kombination mit morbiden Sprechchören. Und schließlich, nach weiteren exorbitanten Hooks, viel Anarchie und einem letzten Höhepunkt, dem jazzig-smoothen, anfangs eher unauffälligen Titeltrack, enden die unzurechnungsfähigen Protagonisten des wunderbaren Wahnsinns ihren Reigen mit einem bizarren APOCALYPTICAtischen Cello-Outro.

Bei aller Anarchie kann man DOG FASHION DISCO ihre Zielgenauigkeit nicht hoch genug anrechnen: Während sich die hyperkreativen MR. BUNGLE sich nicht selten in burleskem Stückwerk verzettelten, gelingt es diesen vier Amis (trotz unüberhörbarer Anleihen bei Letztgenannten), den roten Faden zu einem Werk zu weben. Wie schon auf „Anarchists of Good Taste“ und der ebenfalls brillanten „Commited To A Bright Future“ gilt auch für „Adultery“ einmal mehr: Die Kostümkammer des Quartetts scheint unerschöpflich, unzählige Figuren in allen möglichen Gewändern jagen durch die Szenerien, jede von ihnen detailverliebt und schrill.

DOG FASHION DISCO haben es mit Adultery geschafft, ein zweites Meisterwerk in Folge zu kreieren, das die selbst abgesteckten Maßstäbe in Sachen unkonventioneller, innovativer und doch eingängiger Rockmusik noch einmal in beeindruckender Weise einreißt und erweitert.

13.05.2006
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