Eis - Wetterkreuz

Review

Kalter, böiger Sturm empfängt den Hörer, darüber taucht als Einstieg die Stimme Klaus Kinskis auf und ergänzt die Kälte der Sturmsamples mit einem melancholischen Text, seiner unnachahmlichen Stimme und seinem einmaligen Sprachrhythmus. Einsame, verzweifelte Kälte: Das ist, was „Wetterkreuz“ ausmacht, der Weg, den Bandkopf Alboin und seine Mannschaft einschlagen, und das Intro des Albums macht die Marschrichtung direkt klar.

Seitdem die damals noch unter dem Namen GEÏST agierende Black-Metal-Formation aus Bielefeld 2009 „Galeere“ veröffentlichte, war es irgendwie still und doch nicht still um die Band geworden: Man musste den Namen ändern, ein Großteil der restlichen Bandmitglieder verließ das Schiff und nicht zuletzt wurden letztes Jahr die ersten beiden Alben, „Patina“ und „Kainsmal“ teilweise neu eingespielt, zusammen mit Markus Stock klanglich überarbeitet und über das Label Lupus Lounge wiederveröffentlicht. Allein: Auf neues Material mussten die Fans drei Jahre lang warten.

Nun ist es soweit, die „Galeere“ ist in ihren Heimathafen eingelaufen, die Seemanns- und Meeresthematik (vorerst?) ad acta gelegt. Mit „Wetterkreuz“, dem ersten Album unter dem neuen Namen EÏS (sieht man von den beiden Re-Releases ab), kehrt Hauptsongwriter und Texter Alboin thematisch zurück in die ruhelosen, einsamen Gefilde eines „Kainsmal“ – und auch musikalisch macht man im Hause EÏS (wenn ich mal eine ausgelutschte Redewendung bemühen darf) einen Schritt zurück, zu „Kainsmal“, und zwei nach vorne. Wem „Galeere“ zu glatt war, der könnte an „Wetterkreuz“ Gefallen finden, denn das Material darauf ist nicht nur wieder etwas kantiger produziert, sondern geht auch in Sachen Riffing zurück zur einfachen, kompakten, dafür aber sehr wirkungsvollen Gitarrenarbeit, die nur zwischendurch und passagenweise durch einige an „Galeere“ erinnernde Parts ergänzt wird. Dabei sorgen die Riffs, die Texte und nicht zuletzt auch die kühle Produktion für eine wirklich kalte Stimmung, die Alboin, mittlerweile auch für den Gesang zuständig, mit seiner emotionalen, aber auch harten Stimme zu unterstützen weiß.

Insofern wäre „Wetterkreuz“ also vielleicht eine Zusammenkunft des Feelings, des Songwritings und der thematischen Ausrichtung von „Kainsmal“ (nur kälter) und dem besten von „Galeere“ (die einzelnen Songs sind, wie auch auf dem Vorgängeralbum, durch ambiente Parts verbunden, es gibt sehr rhythmische Parts, …). Aber es ist nicht nur das, was „Wetterkreuz“ zu dem vielleicht Besten macht, das EÏS/GEÏST je veröffentlicht haben: Es ist auch die (wieder) einfache, aber wirkungsvolle, emotionale, teils auch wahnsinnig epische Leadgitarre, die hier wie noch nie zuvor bei EÏS eher in den Hintergrund gemischt ist, sich so „hinterrücks“ ins Bewusstsein schleicht, seine Widerhaken ansetzt und nicht mehr allzu schnell loslässt. Es sind auch die Details wie ein gesprochener Part („Auf kargen Klippen“), der eine oder andere Übergang, mal auch ein Keyboard, das nach Art der ersten beiden DIMMU-BORGIR-Alben einen stimmungsvollen Klangteppich unter die Gitarrenarbeit legt, ohne sich zu sehr nach vorne zu drängeln. Es ist die Tatsache, dass EÏS ein Album geschaffen haben, das sich sehr straight forward anfühlt, das nicht mit wildem Auf-den-Punkt-Riffing und ebensolcher Melodieführung geizt, das aber dennoch (oder gerade deshalb) sehr detailreich und hintergründig, atmosphärisch und emotional ist.

Es fällt schwer, einen einzelnen Song herauszuheben – jeder davon steht zwar individuell für sich und trägt seine ganz eigenen Trademarks, aber jeder davon bewegt sich auch auf einem ähnlich hohen qualitativen Niveau. Die Zeit muss zeigen, ob mir dieses Album auch auf Dauer so gut gefallen wird wie seinerzeit „Kainsmal“ und „Galeere“, aber ich wage die Prognose, dass dem so sein wird – wahrscheinlich sogar besser.

09.09.2012
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