Electric Callboy - Tekkno

Review

ELECTRIC CALLBOY sind in den letzten zwei Jahren ein bisschen zum Guilty Pleasure der Szene geworden. So ziemlich jede und jeder hat eine der Stories um die Band aus Castrop-Rauxel wohl mitbekommen. Entweder ging es um den leider gescheiterten Versuch, beim Eurovision Song Contest mitzumachen, um eines der viral gegangenen Musikvideos oder die Namensänderung von ESKIMO CALLBOY zu den Elektrikern. Fünf der zehn Songs von „Tekkno“ waren im Vorfeld bekannt, wie schlägt sich das erste Full-Length-Album unter neuem Namen?

ELECTRIC CALLBOY sprengen Genregrenzen

Gerade einmal 30 Minuten fräst sich „Tekkno“ in die Gehörgänge. Strategisch günstig eröffnen die beiden Hitsingles „Pump It“ und „We Got The Moves“ das Album, welche beide schon eine große Fangemeinde mit ihren kultigen Videos erspielt haben. Und, man muss es ihnen einfach lassen, der Pop-Appeal in Kombination mit den elektrischen Beats und der astreinen Metalcore-Instrumentierung geht von Sekunde eins an ins Ohr. Es ist kein Wunder, dass die Callboys in vergangener Zeit die Moshpits zum Kochen gebracht haben. Da ist es dann auch egal, ob die „DÖP-DÖPDÖPDÖPDÖP“-Bridge von „We Got The Moves“ nun etwas gewollt geplant klingt oder nicht.

Für „Fuckboi“ haben sich ELECTRIC CALLBOY Hilfe bei CONQUER DIVIDE geholt. Das Stück, das im Gegensatz zu den zwei vorangegangenen Trancecore-Stücken eher auf Alternative-Rock-/ Metal-Pfaden wandelt kommt gänzlich ohne Screams aus und besticht durch den Wechsel zwischen weiblichem und männlichen Gesang. Munter weiter geht die Genresause dann mit „Spaceman“, das ein Feature von Rapper FINCH beinhaltet. Die Idee ist allerdings nicht ganz neu, hat sich die Band doch bereits auf „Crystals“ für „Best Day“ mit SIDO zusammengetan.

„Tekkno“ bietet aber auch klassisches CALLBOY-Material

„Mindreader“ ist am ehesten einer der Songs, die auch auf älteren Werken der Band stehen könnte, es ist einfach ein relativ straighter Core-Song mit dem gewohnt elektronischen Einschlag. Es scheint fast so als wollten ELECTRIC CALLBOY erst einmal mit ihren komplett durchgeknallten Werken überraschen, bevor sie sich anschließend dann mit Stücken wie „Arrow Of Love“,  „Parasite“ und „Tekkno Train“ auf ihre bekannten Trademarks berufen.

Mit „Hurrikan“ wird es dann aber noch einmal grenzwertig, wie auch immer das jetzt auszulegen ist. Das Stück beginnt als lupenreine Schlager-Nummer, wie sie Florian Silbereisen oder der Wendler nicht besser hinbekommen hätten. Im ersten Moment, wenn der Brechreiz dann wieder runtergeschluckt ist, bleibt zumindest die Freude darüber, dass das Stück nur gut anderthalb Minuten lang ist. Die letzten 40 Sekunden des Tracks dann verzeihen ihm aber den Anfang, beziehungsweise relativieren ihn sogar und rechtfertigen ihn. Denn „Hurrikan“ klingt mit einem Sturm von einem Deathcore-Breakdown aus, der zu dem fettesten gehört, was die Band je produziert hat. Darauf wirkt der Rausschmeißer „Neon“ schon fast überflüssig unspektakulär.

ELECTRIC CALLBOY werden und wollen polarisieren

Platz 1 der deutschen Albumcharts, nächstes Jahr eine „Tekkno“-Tour durch die großen Hallen Deutschlands: ELECTRIC CALLBOY haben ihren Bekanntheitsgrad in den letzten Jahren seit dem Release der „MMXX“-EP exponentiell vergrößert. „Tekkno“ ist der Soundtrack für eine neue Generation Coreheads und ein Guilty Pleasure für alle, die nicht zugeben wollen, wie oft sie schon ihren Kopf im Takt zu „We Got The Moves“ haben mitwippen lassen.

24.09.2022

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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