End Of Green - Dead End Dreaming

Review

Beharrlichkeit, Unbeirrbarkeit und die Treue zu sich selbst sind die Eigenschaften, die zum Ziel führen. Den Weg des geringsten Widerstandes geht man damit in den seltensten Fällen. Den einzig wahren jedoch mit Sicherheit. Wie ein Schweizer Uhrwerk folgen END OF GREEN seit Jahren ihrem eigenen Weg, ohne sich je untreu geworden zu sein. Einfach war der selbst gewählte Weg sicher nie, da man den Verlockungen des schnellen Ruhmes stets entsagt hat, um sich mit den Jahren selbst ein Fundament aufzubauen, auf dem die hart erarbeitete Anerkennung langfristig Bestand haben kann, und das dafür sorgt, dass man nicht den Boden unter den Füßen verliert.
Dieses Vertrauen in das eigene Schaffen hat in der Vergangenheit neben stetig steigender Reputation und gesundem Wachstum Alben hervorgebracht, die weite Schatten werfen. Schatten, die es sogar der Band selbst schwer machen, aus ihnen hervorzutreten. Dass es END OF GREEN allerdings gelingen würde, den brillanten Vorgänger „Last Night On Earth“ so deutlich zu überbieten, hätte sicher niemand gedacht. „Dead End Dreaming“ ist zweifellos das stärkste und erwachsenste Werk der Schwaben. Der Grundton der elf Kompositionen ist zugänglicher, ja kommerzieller, geworden, aber auch viel intuitiver. Die Songs berühren einen ab dem ersten Durchlauf, vollbringen aber dennoch das Kunststück, bei jedem weiteren Hören weiter zu wachsen. Bei aller Zugänglichkeit birgt das Album nicht nur eine ungeheure kompositorische Reife, sondern auch eine emotionale Tiefe, wie man sie schon lange nicht mehr erfahren hat! Dabei schwelgen END OF GREEN nicht in unaufhörlichem Pathos und plakativer Todessehnsucht, sondern bieten auch Leuten Identifikationsfläche, die nicht dazu neigen, Mach-3-Klingen ihres angedachten Zweckes zu entfremden. Natürlich kommt die Scheibe nicht gänzlich ohne einschlägiges Vokabular aus, wahrscheinlich bin ich aber einer der Wenigen, die ob der Klischeeüberladung eine Aversion gegen das Wort „razorblade“ hegen. Trotzdem macht der Ton die Musik.
„Dead End Dreaming“ ist ein Spannungsbogen eigen, wie er kaum besser hätte inszeniert werden können. Während der Anfang des Albums mit Krachern wie „No Coming Home“, „Dead End Hero“ und „Speed My Drug“ ordentlich rockt und dabei internationale Konkurrenz wie THE 69 EYES mit Leichtigkeit übertrifft, nähert sich die Stimmung hernach an END OF GREEN typische Gefilde an, indem das Klangbild mit „Cure My Pain“ in triste, elegische Farben getaucht wird und immer weiter in die verzweifelten Abgründe menschlichen Elends abgleitet. Zwar bäumen sich „Weakness“ und „So Many Voices“ noch einmal auf, dem schleichenden tragischen Ende ist mit Gänsehautsongs wie „She’s Wild“, „Drink Myself To Sleep“ und „Sick One“ mit seinen kellertiefen Vocals aber nicht mehr zu entrinnen. Spätestens mit dem Einsatz des Cellos, das ab „Sick One“ den Rest der Platte mit verziert, erreicht „Dead End Dreaming“ eine emotionale Tiefe und Tristesse, die in Worten kaum mehr zu beschreiben ist.
Die auffälligste Entwicklung hat dabei Frontmann Michelle Darkness hinter sich, dessen Organ nunmehr Tiefen erreicht, die selbst einen Peter Steele blass aussehen lassen. Besonders deutlich wird seine Stimmgewalt im simplen, aber schlicht genialen Chorus von „Sick One“ oder auch in „Weakness“, das sich mit seinen niedrigen Frequenzen beim Hörer unmittelbar in der Magengrube bemerkbar macht.
Mit „Dead End Dreaming“ sind END OF GREEN ab sofort in einem Atemzug mit Größen wie KATATONIA oder TYPE O NEGATIVE zu nennen. Trotzdem klingen END OF GREEN nach END OF GREEN. Diesen Sound und diesen Nimbus hat sich die Band allein durch ihre Beharrlichkeit, ihre Unbeirrbarkeit und ihre Treue zu sich selbst erarbeitet und über Jahre hinweg geformt. Und diese Authentizität hört man „Dead End Dreaming“ an. Warum also „nur“ neun Punkte? – Weil dieser Band nach diesem Album ALLES zuzutrauen ist.

16.08.2005
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