Face Down - The Twisted Rule The Wicked

Review

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Nein, nicht die Tatsache, dass Nuclear Blast einen Höchstnoten-Aspiranten in die Metall treibende Gemeinde geboren hat – das soll vorkommen. Vielmehr verblüfft mich der Umstand, dass diese Band trotz Majordeals und einem gnadenlos baumstarken Brecher von Output nur als ein kaum Gehör findender Eintagsbrummer 1997 kurz auf diverse Heftchen-Sampler aufschlug und dann sehr bald vom Gros der Übergrößen ihres Genres zerquetscht wurde. Dabei könnte man anhand der Musik auf diesem Longplayer einen eher gegenteiligen Vorgang vermuten. Mit gnadenlos militanter Konsequenz nämlich und einem Mordssound zermahlen die vier Schweden unaufhaltsam und genüßlich jede einzelne Note zwischen ihren steinernen Mühlen, entsaften mit ungeheurer Motorengewalt jede Hoffnung auf Barmherzigkeit. Dennoch wird bei Face Down keineswegs platt der 7-Saiter auf ‚drop C‘ gedroschen. Vielmehr umwuchten muskelbepackte Riffs das präzis kampffähige Schlagzeug, das je nach Gefechtsgier mal vernichtende Salven aus dem Rohr feuert, mal in quälendem Stottern Ladehemmungen vortäuscht („Life Relentless“) oder gemeinsam mit dem Saitenmassiv in brutaler Erhabenheit Freund und Feind überrollt. Kommandeur dieses Hirn-Invasoren ist unumstritten das unbarmherzige Organ von Sänger Marco Aro. Maximal in semi-cleaner Melodie, sonst stets in besinnungslosem Donnern erinnert dieses Bollwerk an Killer wie Chuck Billy oder Phil Anselmo. Ohnehin sollten Freunde von Testament-Werken u.ä. hierfür mal den Kopf zwischen die Boxen senken; die Inspirations-Quellen zu dem zwei Jahre später erschienenen „The Gathering“ sollten hiermit geklärt sein. Kurz vor der Halbzeit der Spielzeit sorgt ausgerechnet Drummer Stjärnvind mit seiner Komposition „Autumn Scars“ für eine nachdenkliche Zäsur, allein zelebriert von Gitarrenspiel und einer sonoren Rezitation herbstlicher Poesie. Dieser unerwarteten wie attraktiven Mußestunde jedoch folgt das schleppende Gewitter von „Bed Of Roaches“ (keine Coverversion von Bon Jovi…!), das ein bedrohliches Wiederaufflammen ankündigt, den Anfang darstellt einer kontinuierlichen Gewaltensteigerung bis letzlich hin zum finalen Overkill von „Cleansweep“, dem nur noch das postatomare „With Unseeing Eyes“ folgt, das den Hörer schließlich in verwüstete, ruinöse Ödnis entlässt. Damit wird die Dramaturgie der (musikalischen) Ereignisse zuletzt vervollkommnet. – Wer den Begriff Face Down also bis jetzt nur mit eindeutigen Instruktionen an den weiblichen Geschlechtspartner assoziierte, sollte sich seine sexistischen Abschweifungen von dieser Death/Thrash-Walze aus den Denkhöhlen planieren lassen.

31.12.2001
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