Flame, Dear Flame - Aegis

Review

Über zwei Jahre ist es nun schon her, dass FLAME, DEAR FLAME mit ihrer nur digital in Eigenregie veröffentlichten Debüt-EP „The Millenial Heartbeat“ das erste Mal etwas Staub im Underground aufwirbeln konnten. Seitdem ist eine Menge passiert und damit ist nicht nur eine globale Pandemie gemeint. Die Doom-Debütanten aus Braunschweig haben mit Eisenwald ein etabliertes und vor allem respektiertes Label gefunden, natürlich aber auch neue Musik geschrieben. Allerdings findet sich, neben dem neuen „Zyklus“ auch noch einmal die komplette EP mit auf dem ersten Longplayer „Aegis“. Zwei in sich abgeschlossene Zyklen auf einem Album – kann das funktionieren?

FLAME, DEAR FLAME – Zwei Teile, ein Album?

„Sehr gut“ und „grobe „Hippiekeule“ – Eure Meinungen zu „The Millenial Heartbeat“ gingen damals stark auseinander. Zwar wurden einige Spuren der drei Teile umfassenden Erzählung neu eingespielt, vor allem um den bei den damaligen Aufnahmen noch nicht beteiligten neuen Bandmitgliedern die Möglichkeit zu geben, etwas zum ersten Album beizusteuern. Dennoch handelt es sich natürlich um die gleiche Musik, die wirklich heraushörbaren Änderungen sind minimal. Es gilt also: Wer damals damit nicht warm wurde, wird es wohl auch jetzt nicht. Wir verweisen daher auf unsere damalige Review und steigen direkt mit dem neuen Material ein. Mehr zur Entstehung der Platte erfahrt Ihr übrigens im Interview mit Gitarrist David und Bassist Martin (demnächst).

„The Wolves And The Prioress Part I“ stößt den Hörer erst einmal vor den Kopf, ist doch der lockere Akustik-Beginn zunächst gewöhnungsbedürftig. Grund dafür ist vor allem, dass dieser stark nach Singer-Songwriter klingt und die im Metal-Kontext so ungewöhnliche Stimme von Maren Lemke dadurch etwas an Zauber verliert, ihr hier einfach das Besondere ein wenig fehlt. Wie so oft gilt aber: Dranbleiben lohnt sich. Wenn „Part I“ beginnt, Fahrt aufzunehmen, sind sie direkt wieder da. Die Trademarks der Niedersachsen, die spielerische Verflechtung verschiedenster Facetten melancholischer Musik.

Natürlich sind, besonders in den eher simpleren Riffs, die Referenzen zu den Genre-Klassikern wie BLACK SABBATH oder PENTAGRAM nach wie vor vorhanden, während das warm-romantische Thema im Mittelteil auch Erinnerungen an das Gitarren-Duo Craighan/Robertshaw (MY DYING BRIDE) wach werden lässt. Noch mehr Namedropping gefällig? Gen Ende biegt der Song noch einmal in Richtung Post-Metal à la SÓLSTAFIR ab.

Der zweite Teil von „The Wolves And The Prioress“ – der Zyklus erzählt im Übrigen die Geschichte eines Wolfskindes, das in die „Obhut“ einer Klostervorsteherin gerät – ist insgesamt geradliniger und für klassische Doom-Liebhaber etwas leichter zugänglich. Dennoch braucht auch diese Nummer, wie eigentlich alles auf „Aegis“ ihre Zeit, um zu zünden – dann aber richtig. Wer jetzt denkt, ab hier gehen FLAME, DEAR FLAME wieder auf Nummer sicher, sieht sich getäuscht.

„Part III“ ist sogar fast komplett akustisch gehalten, punktet aber mit einer stärkeren Folk-Schlagseite, die genau die Extraportion Atmosphäre bringt, die dem Beginn von „Part I“ vielleicht noch abging. Spätestens das traumhafte Solo gen Ende bildet die perfekte Vorbereitung auf das gut achtminütige Finale. Denn wie nicht anders zu erwarten, werden hier noch einmal alle Register gezogen.

Erstmals klingt die Band hier nach der Schublade, in die sie gerne gesteckt wird: Epic Doom. Gerade der Beginn erinnert glatt ein wenig an SOLSTICE. Der Rest besteht aus fluffigem Hard Rock, schweren Doom-Passagen, flirrendem Post-Rock und sogar ein wenig Black-Metal-Riffing – alles irgendwie eingängig und dennoch weit weg von ausgelutschten Song-Strukturen.

Durchdacht bis ins kleinste Detail – „Aegis“

Ist „Aegis“ nun der große Wurf, den sich der ein oder andere von den Niedersachsen erwartet hat? Ja und nein! Denn natürlich bleiben die ersten drei Songs für alle Kenner der EP bekannt und für diese lässt sich ein leichter Bruch zwischen neuem und alten Material nicht vermeiden. Dennoch heißt das nicht, dass „Aegis“ kein zusammenhängendes Werk wäre.

Zum einen liegt das daran, dass FLAME, DEAR FLAME zwar neue Elemente einfließen lassen, vor allem den gesteigerten Akustik-Anteil, letztlich aber eben doch konsequent ihren eingeschlagenen Weg weiter gehen. Das neue Songmaterial ist noch vielseitiger, macht es dem Hörer an manchen Stellen nicht leicht, alles zu erfassen. Dennoch wirkt alles bis ins kleinste Detail durchdacht, mit jedem Hördurchgang lassen sich wieder neue, kleine Nuancen entdecken. Es bleibt also dabei: FLAME, DEAR FLAME gehören zu den aktuell besten und vor allem vielseitigsten Newcomern im klassischen Doom.

16.07.2021

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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