Flaming Row - Elinoire

Review

„Elinoire“ ist ein Mammut-Werk, so viel steht fest. Gut dreißig beteiligte Musiker, von denen sich die Hälfte gesanglich beteiligt; achtzehn Songs, die mit fast achtzig Minuten Spielzeit hart an die physikalische Grenze des Formats CD gehen; ein Konzept, eine Geschichte auf Albumlänge, die FLAMING ROW auf ihrem Debut über „Elinoire“ erzählen.

Und eben weil „Elinoire“ ein solches Mammut-Werk ist, für das den beteiligten Künstlern – allen voran Songwriter Martin Schnella und Lead-Sängerin Kiri Geile – gehöriger Respekt gebührt, fühle ich mich beim Verfassen dieser Rezension nicht wirklich wohl. Denn – um es vorweg zu nehmen – wirklich vom Hocker reißt mich „Elinoire“ nicht.

Dabei fängt das Album recht vielversprechend an: Der Opener „Elinoire’s Theme“ erinnert ein wenig an PINK FLOYD-Keyboards zu Zeiten von „The Division Bell“, das nachfolgende „Initiation Fugato“ macht seinem Namen alle Ehre und präsentiert eine mutige Gesangs-Collage, die nicht ganz so abgefahren wie QUEENs „Bohemian Rhapsody“, nichtsdestoweniger aber kreativ und unverbraucht klingt.

Das kann ich von den nachfolgenden Stücken leider nur sehr eingeschränkt behaupten. Ich hätte nicht ins Booklet schauen müssen, um John Petrucci als (Haupt-)Inspiration für die Gitarrenarbeit von Bandkopf Martin Schnella auszumachen. Tatsächlich ist Schnella ein ganz Schnella auf dem Griffbrett und steht seinen Vorbildern (zu denen auch David Gilmour, Steve Vai und Eddy Van Halen gehören) technisch in nichts nach – aber in meinen Ohren leuchtet über jedem Gitarrensolo in großen Leuchtbuchstaben „DREAM THEATER“ auf. Und es wird noch besser: Selbst die Keyboard-Soli sind technisch, klanglich und in ihren Skalen dermaßen nah an Jordan Rudess‘ künstlerischer Arbeit (Kompliment an Marek Arnold, das ist sicherlich nicht einfach!), dass ich mir in regelmäßigen Abständen bewusst machen muss, dass FLAMING ROW eben nicht DREAM THEATER sind.

Sicher, viele – wenn nicht gar die meisten – Prog Metal-Bands würden es als eine Ehre empfinden, mit Petrucci & Co. verglichen zu werden (lediglich Drummer Niklas Kahl muss ich hier ausschließen, der bleibt nämlich ziemlich farblos). Der Vergleich ist auch zweifellos ein Kompliment an das technische Niveau, auf dem FLAMING ROW sich bewegen. Aber ganz ehrlich: Mir fehlt über fast die komplette Distanz „Elinoire“s die eigene Note. Und noch einmal ganz ehrlich: Die emotionale Tiefe von DREAM THEATER erreichen FLAMING ROW auch nicht.

Dabei hätte das Konzept durchaus das Potential: Die Geschichte um Liebe, Verlust und die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit dreht sich um Elinoire, das Kind der tragischen Figuren Lea und Adam Baltwin. Dazu kommen ganze Heerscharen an zusätzlichen Figuren und Anthropomorphien von Konzepten wie Schicksal, Geist, Gewissen und so weiter und so fort. Woran die Geschichte Elinoires bei mir scheitert, ist einerseits die riesige Menge an Text, die zum Teil einfach herunterge“rattert“ wird, andererseits bewegen sich FLAMING ROW sprachlich nicht gerade auf sicherem Terrain. So sind die meisten Metaphern entweder ausgelutscht (weil woanders entlehnt) oder schief, dazu gesellen sich einige zum Teil haarsträubende sprachliche und grammatische Fehler, über die ich nicht hinwegsehen kann und will – schon gar nicht bei einem solch ausgereiften und anspruchsvollen Konzept!

Insgesamt bestehen überhaupt keine Zweifel daran, dass „Elinoire“ ein technisch brilliantes, klanglich ordentliches, durchdachtes Album ist, das unter Frickel-Freunden viele Anhänger finden wird; dem man zu jeder Sekunde die viele Mühe anhört, die in seine Fertigstellung geflossen ist; das aber auch – sowohl musikalisch/emotional als auch inhaltlich/textlich – noch deutlich Luft nach oben zeigt. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es das Debut einer ambitionierten Band ist – deren Entwicklung ich auf jeden Fall verfolgen werde.

27.07.2011
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