Gallowbraid - Ashen Eidolon

Review

Die USA als Schatzkiste für guten Black oder Dark Metal sind lange unterschätzt worden. Vermutlich seit ABSU, spätestens mit WOLVES IN THE THRONE ROOM kann man aber nicht mehr ignorieren, dass dieses riesige Land unglaubliche Potenziale an wirklich talentierten Künstlern birgt. Das 2006 von dem offenbar leidenschaftlichen „Magic: The Gathering“-Spieler Jake Rogers gestartete Projekt GALLOWBRAID ist da nur ein Beispiel von vielen, die zeigen, dass es nicht immer skandinavische Wälder und Fjorde sein müssen, die zu guter Musik inspirieren. Manchmal reichen auch die weiten Steppengebiete, Canyons und Wintersportgebiete von Utah.

Auf GALLOWBRAIDs erstem, übrigens wunderschön betitelten und stimmig produziertem Minialbum „Ashen Eidolon“ geht es allerdings weder um heiße Sommer, noch um kalte Winter, sondern um die nachdenklich-melancholische Herbstzeit. Dazu passend hat Rogers mit dem fast fünfzehnminütigen Titelsong und dem gut elfminütigen „Oak And Aspen“ zwei folkige, getragene Dark Metal-Songs verewigt. Beide erinnern streckenweise mit schmissigen Drumbeats an KATATONIA und mit den dominierenden, schwebenden Leadgitarren entfernt an SUMMONING. Der deutlich metallische Unterbau der Songs weist eher Parallelen zu frühen AGALLOCH auf. Einmal schleicht sich sogar eine Keyboardmelodie vom LIFELOVER-Schlag ein.

Besonders „Ashen Eidolon“ ist durch das gekonnte, sehr flüssige Arrangement, die geschmackssicheren Riffs und die große Abwechslung in Dynamik, Gesang (männlicher und weiblicher klarer und Kreischgesang), Instrumentierung (E- und Akustikgitarren, dezente Keyboards) und Stimmungen zwischen betrübt, optimistisch und aggressiv ein mehr als gelungener Song. „Oak And Aspen“ fällt etwas ab, weil er weder so wiedererkennbar noch so zwingend wie der Titelsong ist. Die beiden „Autumn“-Tracks als Zwischen- und Ausleitungsstücke treiben die Spielzeit auf für eine Mini-CD spendable 31 Minuten, können aber nicht nur durch Spielzeit, sondern auch qualitativ überzeugen. Wer die reinen Akustikgitarren-, Chor- und Flötensongs von ULVERs „Kveldssanger“ oder die versunkene Atmosphäre von TENHI mag, dem wird hier eine kleine Träne aus dem Augenwinkel rinnen.

Festzuhalten ist: GALLOWBRAID sind ein echter Geheimtipp. Den süßlich-fauligen Geruch gefallenen Laubs, den kalten Windhauch, der den nahenden Winter ankündigt, die Nachdenklichkeit, wenn sich der Mensch früh am Tag in seine Behausung zurückziehen muss – alles das haben in diesem Jahr bestenfalls NÀTTSÒL so gut vertont, wie man es auf „Ashen Eidolon“ hören kann. Ein toller Einstand, der für das schon so gut wie fertige erste Album eine Menge verspricht.

20.08.2010
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