Germ - Grief

Review

Experimentell sind GERM, Nischenmusik ohnehin. Bereits mit seinem Debütalbum „Wish“ und der anschließenden EP „Loss“ hat Alleinunterhalter Tim (u.a. AUSTERE und WOODS OF DESOLATION) den außergewöhnlichen Anspruch seiner Einmann-Band untermauert. Mit „Grief“, dem zweiten Full-Length-Album, ist GERM aber kompositorisch noch um einiges gewachsen und belohnt sich so mit dem Schritt, nicht nur ein sehr gute s, sondern ein ergreifendes Album erschaffen zu haben.

Wer GERM schon eine Weile verfolgt, dürfte merken, dass „Grief“ um einiges fokussierter wirkt, als die vorherigen Veröffentlichungen. Etwas mehr Black Metal, etwas getragener, aber immer noch unglaublich intensiv, vielschichtig und durch den Einsatz spaciger Keyboards fernab der Alltagskost – also schlichtweg eine konsequente Fortführung des bisherigen Material. Etwas anderes wäre auch nicht wünschenswert gewesen, und die Klasse der gut 70 Minuten gibt ihm recht. Dabei ist nicht nur das Gesamtbild, welches einen definitiv vorhandenen roten Faden folgt, spürbar gereift, sondern auch die vielen kleinen Mosaikstücke sind für sich genommen schon ein Hochgenuss – der Bonus sind schlussendlich noch einige wirkliche „Hits“, die sich gerade in der ersten Album-Hälfte finden. Hierbei sticht schon der Opener „Butterfly“ hervor, einer der Songs, in dem auch Audrey Sylvains (AMESOEURS, PESTE NOIR) wundervolle Stimme zu hören ist. Das treibende, verträumte Stück erhält gerade durch ihr Mitwirken eine überwältigende emotionale Komponente, die ähnlich ergreifend ist wie ihr Beitrag zur AMESOEURS-Debüt-EP „Ruins Humaines“. Gleich im Anschluss folgt mit „The Stain Of Past Regrets“ der nächste Höhepunkt, der neben Tims hohem, voller Gefühl steckenden Geschrei im klargesungenen Refrain schnell zur absoluten Sucht verführt.

Damit aber noch nicht genug, finden sich mit „Beneath The Kniffs“, das erneut durch den Einsatz spaciger Keyboards und ausladener Klanglandschaft in die weiten des Universums entführt, und dem sich träge und voller Wehmut steckenden „I Can See It In The Stars“ noch weitere absolute Hochkaräter. Die Vielseitigkeit auf „Grief“ ist schon bewundernswert, und Tim schreckt weder vor energisch, ekstatisch flotten Songs („It’s Over“) noch vor beinahe kitschigem Keyboard/Klargesang-Romanzen („How Can I“) zurück, letzteres ist übrigens der absolut beruhigende Ausreißer der Platte, aber bei weitem nicht von weniger „Seele“ belebt. Lediglich in geringfügigen Momenten enteilt GERM der selbst zu Beginn auferlegten Klasse und dümpelt etwas vor sich hin. Nämlich immer dann, wenn der Post Black Metal zu viel Dominaz erhält – das ist zwar keineswegs schlecht, doch diese weitläufigen Passagen kommen nicht an die ungewohnte Klasse des restlichen Materials heran und erinnern durchaus an Tims anderere Projekte, namentlich AUSTERE und WOODS OF DESOLATION.

Aber das macht schlussendlich eigentlich keinen Unterschied, denn „Grief“ ist ein unbeschreiblich ergreifendes Album, voller Wehmut, voller Gefühl und vor allem voller Hingabe. Audrey Sylvain entpuppt sich dann noch als absoluter Glücksgriff und lässt die Hoffnung aufkeimen, dass sie in der Zukunft vielleicht noch öfter bei GERM zu hören sein könnte. Alles in allem ist „Grief“ ein Album für musikalische Querdenker, die auch mal eine kleine Spur Kitsch oder Pop vertragen und die nicht unbedingt Kopfschmerzen bereitende Avantgarde brauchen, um ein vielseitiges Album mit einer unglaublichen Tiefe zu erkennen. „Grief“ ist in jedem Fall ganz weit oben bei meinen Jahres-Highlights!

06.10.2013

Chefredakteur

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