Gingerpig - The Ways Of The Gingerpig

Review

Was treiben Musiker von erfolgreichen Death Metal Institutionen so nebenher und vor allem nach der Auflösung? In der Regel erfreuen sie uns mit netten Projekten, deren Platten sogar ab und an gekauft werden, weil sie irgendwie noch etwas vom alten Glanz ausstrahlen. Bei Boudewijn Bonebakker, dem Gitarristen von den nun endgültig verblichenen Niederländern GOREFEST, sieht es ganz leicht anders aus. Wer hätte gedacht, dass er den gewaltigen Death-Attacken vergangener Zeiten vollständig entsagt und sich sogar weitgehend vom Metal im allgemeinen abwendet? Nun, scheinbar hatte er die Schnauze gestrichen voll und suchte sich eine illustre Runde sehr fähiger Musiker zusammen, um uns in Zukunft mit einer herrlich saftigen Mischung aus Blues, etwas Funk und einem teils experimentellen, groovigen Rock zu beglücken. Warum dieses Review dann hier auf metal.de steht? Einfach weils sich lohnt, basta!

GINGERPIG zeigen auf ihrem Album etwas, was man gar nicht so häufig zu hören bekommt: ehrliche und ernstgemeinte (und verflucht gute) Musik. Dabei profitieren die Stücke aufs herrlichste davon, dass sie, bis auf den Gesang, am Stück mit allen Instrumenten gleichzeitig aufgenommen wurden. Die ohnehin sehr einfallsreich und warmherzig komponierten Tracks wirken so sehr unsteril und menschlich, wozu auch die gut dosiert eingesetzte Hammond-Orgel beiträgt. Zu allem Überfluß hat Boudewijn auch noch eine astreine Stimme, die er, warm und etwas kratzig, sehr prägnant einsetzt – soll heißen, dass er nicht einfach nur singt. Jede Zeile klingt wie ein Statement, dass er uns aus den Boxen um die Ohren haut. Und das kann er mal mit ziemlicher Wucht und auch mal ganz sanft…

Das Album scheint keinem bestimmten Konzept zu folgen, dafür sind die Lieder zu verschieden. Zwischen sehr bluesigen Stücken und etwas Soul („Pipedream“) finden sich sehr rockige mit einem interessanten Riffing („Blind To Reason“) zu einem bunten Eintopf zusammen. In „indefinite muddle of conspiracies“ wird ein Solo zum besten gegeben, das direkt von der original Woodstock-Bühne stammen könnte. Mit „Joe Cool (The Fool)“ lassen sich entspannte Cocktailabende im Sonnenuntergang feiern. Insgesamt ist also für fast jeden etwas dabei.

Eine wahre Freude sind dabei zwei besonders besondere Songs, die gleich beim ersten Hören nicht mehr aus dem Kopf wollen und für mich das Album zu meinem ganz persönlichen Frühjahrshighlight machen. „dimlighted heart“ ist ein wunderschöner, progressiver Rock, der den Zuhörer mit viel Groove, geschickten Breaks und gekonnten Übergängen in transzendentale Höhen pustet. Eigentlich ein Wunder, dass der mit der anstrengenden Aufnahmetechnik überhaupt seinen Weg auf die Scheibe gefunden hat. „Dimlighted Heart“ hat auf jeden Fall das Zeug zu einem Klassiker! Als zweites muss ich „undefined call“ erwähnen, das ein kantiges Bluesrock Stück ist, auf dem die Jungs ein sehr breites musikalisches Spektrum auffahren. Hier wechseln sich komplexe Rhythmik mit eingängigen Riffs mit offenen, beinahe ins Leere laufenden Parts ab, die ich sonst nur beim Jazz in der Art kennengelernt habe.

Warum sollten nun alle Leser dieser Seite ein ernsthaftes Interesse an GINGERPIG mit ihrem ersten Album entwickeln? Zur Beantwortung möchte ich mein Review auf drei wesentliche Punkte konzentrieren: erstens zeigt uns Boudewijn Bonebakker in einer Vorbildfunktion (weil Death-Prominenz), dass auch Metaller einmal in fremden Gewässern schippern sollten, weil es dort, zweitens, musikalisch sehr geile und lohnenswerte Dinge zu fischen gibt. Und drittens macht „The Ways of the Gingerpig“ einfach schweinisch Spaß, weil die Scheibe ein bunter Strauß an Abwechslung ist. Für mich ist sie eine ganz große Leistung einiger wirklich toller Musiker und ich hoffe, dass Mr. Bonebakker seinen Bekanntheitsgrad als Starthilfe sinnvoll nutzen kann.

Ach so: den einen Punkteabzug gibt’s dafür, dass das Vergnügen viel zu schnell vorbei ist und ich mir von der ein oder anderen Stellen gewünscht hätte, sie wäre etwas ausführlicher aufgeführt. Aber das sind nun wirklich Kleinigkeiten, doch für 10 Punkte sollte es die, meiner Meinung nach, auch nicht geben… Auf jeden Fall reinhören!

04.05.2011
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