Gràb - Zeitlang

Review

Mitten im Herbst, die Tage werden kürzer. Die Gedanken treiben um Verfall, Niedergang und Tod als natürlicher Zyklus. Der Mensch irrt umher und sucht Erklärungen, welche in volkstümlichen Erzählungen und Sagen Nachhall finden. Nehmen wir zunächst nur dieses Grundgefühl mit, wenn wir das Dickicht von GRÀB betreten: „Draußt werd’s koid, s‘ Liacht verglimmt. Bua, làf gschwind, da Nachtkrapp kimmt.“

GRÀB liefern mehr als Namedropping

Auf welchem Niveau GRÀB agieren, wird spätestens bei der Durchsicht der Liner Notes offenbar. Denn hier gibt sich wirklich die gesamte deutsche Szeneprominenz die Klinke in die Hand. Sänger Grant beziehungsweise Azathoth war bis 2007 Sänger bei DARK FORTRESS, Benjamin König hat das Artwork erstellt, die Drums wurden im Studio E aufgenommen und Schwadorf selbst hat das Instrumental „Auf da roas“ beigesteuert.

Aber dies alles ist nicht mehr als Namedropping, welches ein Album weder gut noch schlecht macht. Was ist also das Besondere an „Zeitlang“? Beeindruckend, bisweilen zum Niederknien, ist der Fluss der Melodien. Das Album gelangt zu einem weltentrücktem Schweben, einem vollständigen Eintauchen in die meisterhaft komponierten musikalischen Landschaften. Ja, „Zeitlang“ ist in der Tat ein Erzeugnis aus Meisterhand.

Über eine Stunde dauert „Zeitlang“ und es ist wirklich beeindruckend, wie perfekt die einmal gewählte Stimmung und Atmosphäre in jeder Sekunde des Albums gehalten wird. Auch in Kombination mit dem unglaublich starken Artwork wäre eine andere Zusammenfassung als Gesamtkunstwerk pures Understatement.

Aber ist die anfängliche Frage nach dem Besonderen damit endgültig geklärt? Noch nicht ganz, denn die zusätzliche Geheimzutat ist ein Hauch Nostalgie. Die zumeist dezenten Keyboards, der Sample-Einsatz im titelgebenden Stück, ja, einfach die gesamte Atmosphäre von „Zeitlang“ evoziert im positiven Sinne eine Rückwärtsgewandtheit, welche „Zeitlang“ von anderen aktuellen Veröffentlichungen abgrenzt.

Hört auf mit euren ständigen Vergleichen!

Dabei ist das Album ohne Zweifel der deutschen Szene zuzuordnen. Wer einmal den Geist von Bands wie LUNAR AURORA oder auch NAGELFAR gespürt hat, wird die entsprechenden Merkmale auch bei GRÀB mühelos wiederfinden können. Mist, jetzt ist es also doch passiert. Der unvermeidbare Vergleich mit LUNAR AURORA, welcher natürlich insbesondere aufgrund des Albums „Hoagascht“ (2012) auf der Hand liegt.

Allerdings greift dieses Denken in Schubladen deutlich zu kurz und wird der Leistung von GRÀB nicht ansatzweise gerecht. „Zeitlang“ steht auf eigenen Füßen und braucht den Vergleich mit den ganz großen Bands des Genres nicht zu scheuen. Und an dieser Stelle sind sowohl die Qualität, als auch die Eigenständigkeit des Albums gemeint. Gerade aus diesem Grund sind Parallelen zu anderen Bands mit Vorsicht zu genießen und, wenn überhaupt, nur sehr eigenschränkt anwendbar.

Hat „Zeitlang“ das Potenzial zum Klassiker?

„Zeitlang“ katapultiert sich mühelos in alle langsam dräuenden Jahresrückblicke und kann bei der Suche nach dem Album des Jahres ohne jeden Zweifel in die engere Wahl genommen werden. GRÀB ist ein unglaubliches Debütalbum gelungen, welches darbenden Freunden des urwüchsigen deutschen Black Metals als echter Lichtblick erscheinen wird. Ganz groß. Ein Album, über welches in zehn Jahren noch gesprochen wird, da legen wir uns jetzt einfach mal fest.

03.11.2021

Stellv. Chefredakteur

Exit mobile version