Horn - Mohngang

Review

HORN hat schon immer polarisiert. Dass hat sich trotz stilistischer Entwicklungen nie verändert. So wurde auch das letzte Album „Turm Am Hang“ zwiespältig aufgenommen. „Mohngang“ wird daran nichts ändern, und auch das achte Album der Einmannband dürfte seine Anhänger und Kritiker finden. Vor allem, weil auch auf „Mohngang“ wieder Vielseitigkeit, große Momente und ein paar Lücken aufeinanderprallen.

„Mohngang“ zeigt die typischen Trademarks

Nerrath hat sich vielleicht nur einen halben Gefallen getan, mit dem vorab veröffentlichten und großartigen „Satt scheint der Sud der Tat“ die Erwartungshaltung gewaltig zu steigern. Der Opener, der nach dem langen Intro „Einleitung – Der Wettlauf zum Meer“ folgt, verdient das Prädikat „Hit“. Auch wenn das in der stilistischen Form vielleicht nicht zutrifft, vereint „Satt scheint der Sud der Tat“ alles, was HORN ausmacht: Es nimmt spannende Wendungen, ist voller Energie, Atmosphäre und schafft es neben Mitsing-Momenten, nachdrücklich in den Gehörgängen zu verweilen. Gleichzeitig strahlt es, auch dank des starken Klargesangs, eine erhabene Eleganz aus. Ein Auftakt, nachdem es nicht leicht fällt, „Mohngang“ nicht zur Gänze an den gut sechs Minuten zu Messen und ständige Vergleiche zu ziehen.

Fast schon zwingend bedarf es folgend einiger Zeit, sich dem restlichen Material zu widmen, und siehe da, „Mohngang“ hat noch weit mehr zu bieten. Das achte Album zeigt, dass der kreative Kopf hinter HORN sich in einer stetigen Entwicklung befindet und beständig neue Inspirationsquellen in der Natur entdeckt. Die typischen HORN-Trademarks sind aber geblieben. Der naturverbundene Ansatz lässt sich in jeder Melodie, eigentlich in jedem Moment des Albums spüren. Seien es folkigere Ansätze oder kriegerische, deutlich im Black Metal verwurzeltere Songs („De står her somsletta“).

HORN überrascht nicht, bieten aber einige Highlights

Es wäre übertrieben zu sagen, dass „Mohngang“ eine Fülle an Überraschungen oder neuen Elementen offenbart. Zu sehr folgt HORN dem zuletzt eingeschlagenen Weg. Allerdings wirkt das Album auch in seiner Vielfalt etwas zwingender und ausgeklügelter als „Turm am Hang“. Nach und nach kristallisieren sich schließlich weitere Highlights heraus. Da wäre zum Beispiel das getragene „Upstream Canals, A Ship’s Bell Sounds“, das vor allem durch die Emotionen in Nerraths Klargesang kraftvoll und majestätisch wirkt. Zum Schluss folgt schließlich noch eine besondere Cello-Version von „Die mit dem Bogen auf dem Kreuz“. Nun ließe es sich vereinfacht als langes Outro abspeisen. Das würde dem aber zu keiner Sekunde gerecht werden. Denn durch das Streichinstrument in Kombination mit vereinzelten Pianoanschlägen entwickelt der Song eine einzigartige Dramatik, die Fans der Band ebenso wie Klassik-Liebhaber überzeugen sollte.

Dass sich in den restlichen Songs die Spannung mitunter etwas im Zaum hält, mag auch den herausstechenden Parts auf „Mohngang“ geschuldet sein. So fallen beispielsweise „Handkreis und Chor“ oder „Ødegård und Pendelschlag“ dezent ab – aber das ist natürlich eine Geschmacksfrage. Wie so vieles an HORN – „Mohngang“ sollte auf jeden Fall gehört werden.

14.05.2020

Chefredakteur

Exit mobile version