Ill Niño - Dead New World

Review

Was für ein Hitalbum! Man durfte ja mit Allem rechnen, aber dass ausgerechnet ILL NINO, die nach ihrem durchschlagenden Debüt trotz aller subjektiven Qualität zunehmend in die Bedetungslosigkeit versanken auf einmal mit wieder mit einer solch überzeugenden Leistung um die Ecke kommen, ist eine kleine Überraschung. Und das, obwohl das eigentliche Alleinstellungsmerkmal der Band, die lateinamerikanischen Einflüsse im Gitarren- und Percussion-Bereich, auch diesmal lediglich als kleiner Zusatzfaktor eingesetzt wurde und keineswegs mehr so präsent ist, wie zu den Anfangszeiten der Band.

Am auffälligsten wirken diese Elemente noch im sich etwas dem Nu Metal der späten Neunziger anbiedernden „Killing You, Killing Me“, oder bei diversen kürzeren Parts, in denen die Gitarren entsprechende Akkorde herbeizaubern, oder die Drums ein wenig brasilianisch klingen. Der wichtigste Faktor ist bei „Dead New World“ aber das griffige Songwriting, dass so ziemlich jeden der Songs zu einem wahren Ohrenschmaus macht. Die Monsterhooklines in „Killing You, Killing Me“, „Bleed Like You“ oder dem etwas anspruchsvolleren „Mi Revolución“ sind bei aller Prägnanz echte Herzerwärmer. Durch Christian Machados Gesang erhalten die Nummern außerdem eine besonders emotionale Note. Die Lyrics erscheinen oft wie authenthische Durchhalteparolen, und immer schimmert eine mitreißende Ghetto-Romantik durch, die einem den Gegensatz von Wohlstand und Armut nicht nur in südamerikanisch geprägten Gegenden der USA vor Augen führt. Auf „Dead New World“ geht es mal wütend und mal emotional aufwühlend zur Sache, und das alles bei einem Sound, der erfreulich wenig nach Computer klingt und einer Metal-Produktion vollends gerecht wird. Dass man die Band jederzeit identifizieren kann, beweist zudem, wie sehr sich ILL NINO schon ihre eigene Nische geschaffen haben, in einem Genre, dem es seit Jahren an frischen Ideen und Glaubwürdigkeit mangelt.

Der einzige Kritikpunkt ist das als vorletzter Song etwas ungeschickt platzierte und auch insgesamt wie ein Fremdkörper wirkende SMASHING PUMPKINS-Cover „Bullet With Butterfly Wings“. Als Bonustrack geht der Song in Ordnung, in dieser Form stört er den Albumfluss etwas. Der Abschluss ist versöhnlich: „Scarred“ ist noch einmal ein auf den Punkt kommender Hit, der mit Brülllgesang und eingängiger Melodieführung den Sound der Band in knappen vier Minuten zusammenfasst. Apropos Songlänge: Mit der Tatsache, dass kein Track mehr als viereinhalb Minuten dauert, haben ILL NINO sämtliche Gefahren bezüglich aufkommender Längen gekonnt umschifft: Es gibt nämlich keine.

„Dead New World“ ist also ein überraschend gutklassiges Werk, das in diesem Jahr sicher zu den Highlights im modernen Metal-Bereich gehört. Wenn man es Nu Metal nennen möchte, dann hat dieser auf diese Art und Weise auch heute noch seine Berechtigung. Sehr gelungen!

11.10.2010
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