In The Woods... - Cease The Day

Review

Zwei Jahre nach dem Comebackalbum „Pure“ steht mit „Cease The Day“ eine neue Scheibe der Norweger IN THE WOODS… an, und diese markiert den vorläufigen Endpunkt einer Entwicklung, die man sich getrost hätte schenken können.

Wir erinnern uns: Die Avantgarde-/Progressive Rocker IN THE WOODS… verkündeten 2014 ihre Reunion, zwar ohne den damaligen Sänger Jan Transeth, dafür aber mit den Gründungsmitgliedern Christopher „C:M.“ (Bass) und Christian „X“ Botteri (Gitarre) sowie Anders Kobro (Schlagzeug). Statt des exzentrischen Transeth verpflichteten die Norweger den Briten James Fogarty (Mr. Fog). Auf „Pure“ ließ sich das alles noch ganz gut an, doch schon die Live-Shows zeigten die Schwächen des Neusängers auf, dessen Gesangsleistung zwar in Ordnung ging, der aber als Frontmann keine souveräne Figur abgab. Zudem verließen die Botteri-Brüder die Band alsbald wieder, und jetzt blieben einzig der Schlagzeuger und der Sänger mit einer Reihe von angeheuerten (Live-) Musikern übrig.

IN THE WOODS… ist das Kreativzentrum abhanden gekommen

Diese Entwicklung mag man im Sinne der Tradition und der vergangenen Magie bedauerlich finden, ist allerdings noch nicht das größte Dilemma. Denn „Cease The Day“ offenbart, dass der Band durch den Abgang der beiden Botteri-Brüder auch das Kreativzentrum abhanden gekommen ist.

Der Reihe nach: Der Opener „Empty Streets“ entwickelt sich nach einer etwas zu lieblichen Gesangseinlage immerhin zu einem recht spannenden Song. Das Soundgeflecht mit den Riffs und den flächigen Keyboards machen recht bald klar, dass wir es rein formal mit derselben Band zu tun haben, die Klassikeralben wie „HEart Of The Ages“ und „Omnio“ eingespielt hat. Das klingt abgesehen von der Einleitung nach IN THE WOODS…, und das nicht unüberzeugend. Das folgende „Substance Vortex“ enthält immerhin spannendes Riffing, allerdings passt der fauchende Gesang nicht so recht zum Song. „Respect My Solitude“ beginnt mit einem tollen gezupften Gitarrenpattern, verliert sich danach (d.h. nach wenigen Sekunden) aber in teils biederen Harmonien. Unverständlich ist zudem das schreddernde Zwischenstück, das im Song wie ein Fremdkörper wirkt. Songschreiberische Finesse sieht jedenfalls anders aus.

Songschreiberische Finesse sieht anders aus

„Cloud Seeder“ knüpft im Intro zunächst lose an „Blue Oceans Rise (Like A War)“ vom „Pure“-Album an, mäandert danach aber zwischen gemächlichem Rocker und fauchendem Double-Bass-Etwas am Tiefgang vorbei. Große Erwartungen weckt der nächste Song – ohne sie ansatzweise erfüllen zu können: „Still Yearning“ möchte an den Opener des ersten Albums anknüpfen, aber sobald die zitierten ursprünglichen Riffs verklungen sind, sind die Bemühungen fast schon als hilflos anzusehen. Das Riffing ist einfallslos, der Gesang bieder, dieses „hey, wir fühlen immer noch dasselbe wie früher“ einfach nur blutleer. Und das beileibe nicht nur, weil lediglich einer der sechs damals mitwirkenden Musiker noch dabei ist.

Da lobt man sich, wenn Anders Kobro offenkundig seine songschreiberische Note mit einbringt, die „Strike Up With The Dawn“ wie einen GREEN CARNATION-Song klingen lässt. Leider fehlt dem Stück durch seine Progressivität jedoch überwiegend die Linie. Bei „Transcending Yesterdays“ irritiert der eingemischte Publikumsjubel – abgesehen davon, dass der fauchende Gesang wieder nicht so recht passen möchte und die metallischen Drums in erster Linie einen Selbstzweck erfüllen. Egal, ob der Promozettel von „a new-found aggressive live sound“ spricht oder nicht. Das abschließende „Cease The Day“ wiederum ist eine Reprise des eingangs schon als zu lieblich empfundenen Chorknabenstücks.

Vieles auf „Cease The Day“ bleibt Stückwerk

Nein, mit „Cease The Day“ haben sich IN THE WOODS keinen Gefallen getan – weder sich als aktiver Band noch dem Vermächtnis der ehemaligen Inkarnation der Band. Stilistisch mag das ja irgendwie als IN THE WOODS… durchgehend, aber musikalisch ist das Album Stückwerk, ja reichlich mittelmäßig. Vor allem der selbstgewählte Vergleich mit „Still Yearning“ verdeutlicht, dass IN THE WOODS… anno 2018 kreativ nicht an die (eigene) Vergangenheit anknüpfen können. Gleichzeitig schaffen sie es aber auch nicht, bedeutend neue Wege zu gehen. Die progressiveren Anleihen wirken halbgar, die aggressivere Grundausrichtung unausgegoren. Avantgarde ist das beileibe nicht mehr: Statt mit dem Kopf in den Wolken vorweg zu gehen, hecheln die Norweger dem eigenen Vermächtnis hinterher. Diese Entwicklung ist einigermaßen bedauerlich, und dass sie alsbald einen entscheidenden Wendepunkt nehmen könnte, erscheint derzeit eher unwahrscheinlich.

19.11.2018

- Dreaming in Red -

Exit mobile version