Ion Dissonance - Minus The Herd

Review

ION DISSONANCE standen bisher vollkommen zu unrecht im Schatten anderer Genregrößen und mussten sich dadurch immer mit den unteren Rängen zufrieden geben. Dass sie das eigentlich gar nicht brauchen, haben sie zuletzt im Jahre 2005 mit „Solace“ bewiesen, einem Album, das vielleicht nicht unbedingt optimal produziert war, aber musikalisch einiges zu bieten hatte.
Sie werden dem Bereich Metalcore zugeordnet, was ich aber nicht so ganz nachvollziehen kann. Hardcore kann ich kaum aus der Musik herausfiltern, was den Core-Anteil somit fast gänzlich zu Nichte macht. Vielmehr spielen sie eine groovige und vertrackte Mischung aus Death Metal und Neo Thrash. Allein der extreme Schreigesang erinnert an eine gewöhnliche Metalcore-Combo, was aber auch das einzige Anzeichen diesbezüglich ist; es sei denn, man bezeichnet modern polyrhythmische Parts als Metalcore, denn darin sind ION DISSONANCE nämlich Meister.

„Minus The Herd“ heißt das neue und dritte Album der Kanadier, die zudem bereits eine Split mit DESPISED ICON unters Volk gebracht haben. Geboten wird vertrackter Riff-Metal mit verqueren Beats und einer gehörigen Portion Brachialität. ION DISSONANCE gehen dabei jedoch meistens in gedrosseltem, groovendem Tempo vor und brechen nur selten die Lanze hin zum Geballer. Blastbeats werden lediglich als kurze Gewaltausbrüche benutzt und stellen eher die Ausnahme dar. Es regiert verschachteltes Drumming, kurze, verkopfte Breaks, wirres Riffing und Disharmonien, die einen gewissen Psychofaktor hervorrufen.
Wirklich Melodisch sind ION DISSONANCE zwar nicht, kratzen aber auch nicht bloß dickköpfig ihren Stoff runter. Es werden immer wieder klitzekleine Melodien eingeflochten, die zwar als zweitrangig zu betrachten sind, aber der Musik den nötigen zusätzlichen Inhalt geben, damit sie nicht zu stumpf und langweilig wirkt.

Im Ganzen gesehen fehlt „Minus The Herd“ allerdings etwas ganz Wichtiges. Seele! Das Album ist nicht gerade die Ausgeburt an Eigenständigkeit und auch wenn ION DISSONANCE produktionsmäßig einen deutlichen Sprung nach vorne vollbracht haben, wirkt das Album nicht wirklich frisch.
Keine Frage, die Grooves sind extrem hart und heftig, die Riffs und das Drumming sehr schmerzhaft brachial und gehen voll auf die Kauleiste, aber das schaffen und machen mittlerweile auch viele andere Bands. Die Songs an sich auf dem Album zünden nicht richtig, bzw. können nicht nachhaltig punkten. Man hört es, lässt sich von dem einen oder anderen Part umblasen, aber das war’s auch schon. Es gibt kaum wirkliche Höhepunkte, was schnell den Eindruck vermitteln kann, dass die Scheibe zu oft einfach nur in blutigen Gewässern dahinplätschert.

Schade, denn ich habe mir eigentlich etwas Größeres von ION DISSONANCE erhofft, aber es kann ja nicht jeder eine derartige Harke vorlegen, wie DESPISED ICON mit ihrem aktuellen Album „The Ills Of Modern Man“.
Aus dem Schatten der Großen haben sich ION DISSONANCE mit „Minus The Herd“ nicht herausgespielt. Hoffentlich das nächste Mal.

25.06.2007
Exit mobile version