Isis - In The Absence Of Truth

Review

Nach dem genialen Vorgänger „Panopticon“ haben sich ISIS gute zwei Jahre zeit gelassen, um den Nachfolger „In The Absence Of Truth“ sorgfältig vorzubereiten. Die Zeit hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn ISIS-Anhänger werden vollends auf ihre Kosten kommen. Natürlich hat diese Band nicht den Fehler begangen und ihren eingeschlagenen Weg verlassen, sondern ihr eigenes musikalisches Konzept erneut verfeinert und intensiviert. Mittlerweile muss man mit Abstrichen sogar den Begriff Post Rock in den Mund nehmen, denn die Pfade des Metal haben ISIS längst verlassen und bewegen sich vermehrt und ausschweifend auch in anderen Gefilden. Somit verschwinden die stilistischen Grenzen immer mehr und mit „In The Absence Of Truth“ baut diese Band ihre eigene kleine Nische in der Musikwelt weiter aus.

ISIS verstehen es äußerst eindrucksvoll, mit vertonten Emotionen zu arbeiten und den Hörer in einen Kokon aus Klängen und Tönen einzuhüllen. Sie beginnen zaghaft, mit verträumten Melodien und Formen, die sich zunehmend zu einem tosenden Gewitter aufbäumen, um letztendlich den Orkan über einen hinweg fegen zu lassen. Feinste Zerbrechlichkeit wird von Gewalt verdrängt, nur um Augenblicke später wieder wie ein von Schizophrenie geplagter Mensch in sich zusammen zu fallen und der zügellosen Depression freien Lauf zu lassen. ISIS beherrschen die Laut-/Leise-Dynamik wie derzeit kaum eine andere Band. Sie verstehen es spielerisch, musikalisch sensible Gebilde zu erschaffen, nur um diese Sekunden oder Minuten später wieder unbarmherzig und gewalttätig zu zerstören. Das Instrumentale spielte ohnehin seit jeher eine größere Rolle als der Gesang und so verhält es sich auch auf „In The Absence Of Truth“, selbst wenn der Stimme mittlerweile ein wenig mehr Bedeutung geschenkt wird als in der Vergangenheit. Klare, mit Hall unterlegte melancholische Gesänge wechseln sich mit wütendem, aufbrausendem Geschrei ab und untermalen dadurch einmalig die vorzügliche gebotene tonale Kunst. Dabei benötigen ISIS keine minutenlangen Soli oder andere ausschweifende Eskapaden, es stehen stets der gesamte Song und seine Wirkung im Vordergrund. Überflüssiges Gefiedel ist da ebenso fehl am Platz wie ein handelsüblicher Songaufbau, den man bei keinem einzigen Lied vorfinden wird.
Diese Band weiß, wie man Spannungen erzeugt und Emotionen vertont. Diese Band weiß, wie man den Hörer auf eine Achterbahn der Gefühle schickt und ihn erst dann wieder freilässt, wenn der letzte Ton des Albums verklungen ist.

„In The Absence Of Truth“ ist definitiv nicht dazu geeignet, in fröhlicher Stimmung gehört zu werden. Dieses Album ist entweder der verdiente Entspannungstrip nach einem harten Arbeitstag oder der Gnadenschuss nach einer Hiobsbotschaft oder einem Schicksalsschlag. Auf jeden Fall sollte man die Musik ISIS‘ bei gehobener Lautstärke mit geschlossenen Augen genießen und alles in sich aufsaugen, was sie zu bieten hat. Belohnt wird man mit intensivstem Kopfkino und rund einer Stunde gelungener Flucht vor dem Alltag.

05.11.2006
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