Lou Reed & Metallica - Lulu

Review

2009 war es, als sich LOU REED, Ex-Sänger der Avantgardisten THE VELVET UNDERGROUND, und METALLICA das erste Mal trafen – damals noch, um bei einem METALLICA-Gig die beiden Songs „Sweet Jane“ und „White Light/White Heat“ von Reeds ehemaliger Band zu spielen. Beeindruckt von der Kreativität des jeweiligen Gegenüber entschloss man sich (relativ) kurzer Hand, zusammen ein Projekt zu starten – zunächst war lediglich geplant, ein paar von Reeds alten Songs einen neuen Anstrich zu geben, wie es Lars Ulrich in der „About“-Section der offiziellen Homepage des Projekts ausdrückt. Dann, ein paar Wochen, bevor es losging, meldete sich Mr. Reed jedoch noch einmal und sagte, er habe da diese andere Idee … . („Listen, I have this other idea…“ – Zitiert nach http://www.loureedmetallica.com/about.php) Um zwei Theaterstücke sollte sich das Projekt spinnen, namentlich „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“, beide vom Expressionisten Frank Wedekind. In beiden Dramen geht es um Lulu, ein junges, freizügiges Mädchen, das ihren Aufstieg und Fall erlebt, als sie von einem reichen Herrn von der Straße geholt, erzogen und zu seiner Geliebten wird. Eine harrsche Kritik am Bürgertum und seiner Doppelmoral stellten die Stücke ihrerzeit dar – und wurden nun in einer Kollaboration von Künstlern musikalisch aufgearbeitet (beziehungsweise haben sie diese inspiriert), von denen böse Zungen behaupten, sie hätten ihren musikalischen Zenit längst überschritten.

Und schon im Vorfeld, nachdem bekannt wurde, dass es diese Kollaboration geben würde, häuften sich die kontroversen Kommentare – viele befürchteten Schlimmes, andere gaben sich der Hoffnung hin, dass diese Zusammenarbeit vielleicht allen beteiligten Künstlern neue Inspiration verleihen könne. Aber was ist es denn nun geworden?

Nun ja – im Grunde haben beide Gruppen Recht. Ja, „Lulu“ ist mal was anderes und hebt sich deutlich von allem ab, was sowohl LOU REED als auch METALLICA je gemacht haben … aber gut im herkömmlichen Sinn ist dieses Album dennoch nicht.

In zehn Songs mit fast anderthalb Stunden Spielzeit ziehen LOU REED & METALLICA sämtliche Register, die sie nie zuvor gezogen haben, schaffen ein avantgardistisch, aber auch unglaublich monoton anmutendes Gefüge von Rifffolgen und eindringlichem Sprechgesang und können auf musikalischer Ebene nur in ganz, ganz wenigen Momenten begeistern. Teilweise sind es nur zwei Riffs, die pro Song verbraten werden – viel zu wenig bei Songs, die im Schnitt bei acht Minuten Spielzeit liegen. Nicht, dass etwas gegen Lieder mit Überlänge einzuwenden wäre – aber dann muss eben etwas passieren, sei es in Form von emotionalem Tiefgang oder verkopfter Komplexität. Beides sucht man auf „Lulu“ vergebens, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, die Musiker würden sich um ersteres bemühen.

Diese Bemühungen scheitern dann jedoch wiederum an anderen Mängeln: LOU REED klingt zum Beispiel so, als wolle er den späten JOHNNY CASH imitieren. In Sachen Intonation und Rhythmik gelingt ihm das auch – aber nicht was die emotionale, eindrucksvolle Stimme des verstorbenen Meisters angeht. Hinzu kommt ein merkwürdig distanzierter Mix, der den eintönigen Gesang dann auch noch stark hervorhebt und die METALLICA-Anteile des Ganzen auf ein (soundtechnisches) Minimum herunterfährt, die Instrumentalisierung teilweise beinahe zur Nebensache kommen lässt. Natürlich geht es auf „Lulu“ hauptsächlich um das lyrische Konzept. Und natürlich kann man sich fragen, inwiefern die Monotonie die Message der Lyrics unterstreichen soll. Aber: Musikalisch funktioniert das nicht.

Sicher hat auch „Lulu“ seine Momente – das Eröffnungsriff in „Frustration“ zum Beispiel. Oder die eine oder andere Stelle im Opener „Brandenburg Gate“. Und vielleicht würde das Ganze viel besser funktionieren, wäre es näher an die ursprüngliche Geschichte gekoppelt worden – in Form einer DVD mit passenden Bildern vielleicht, oder als musikalische Untermalung einer Bühnenshow. So, wie es ist, scheint mir „Lulu“ jedoch ein weitgehend uninspirierter Befreiungsschlag von gealterten Musikern zu sein, die es sich noch einmal beweisen wollten – insofern könnte man auf der METALLICA-Seite vielleicht sogar von einem zweiten „St. Anger“ sprechen.

Oder kurz: Ja, man hat sich Gedanken gemacht, ja, das ganze ist professionell gespielt und produziert – aber Musik, die man sich gerne anhört, ist trotzdem was anderes.

09.11.2011
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