Made Out Of Babies - The Ruiner

Review

Mit Wehmut denken MADE OUT OF BABIES an die gute alte Zeit zurück, die man Anfang der 1990er-Jahre mit dem Noiserock, einem Label wie Amphetamine Reptile und einer Band wie JESUS LIZARD verbringen durfte. So walzt sich „The Ruiner“ mit einer garen Gewalt über eine verklärte Erinnerung, die dabei jedoch keineswegs platt gemacht wird, sondern sich so mächtig wie selten gehört vor dem Hörer aufbaut. Ein bisschen klingt das dann, als hätte ein Outfit der frühen Noise-Bewegung seine Misanthropie endlich gegen Melancholie eingetauscht, bleibt dabei doch erstaunlich kontemporär und weist darüber hinaus ein progressives, experimentierfreudiges Songwriting auf. Gleich der Opener „Cooker“ verdeutlicht in der schrägen Akkordwahl und den eigenwilligen Harmonien, einen Hang zur avancierten kompositorischen Praxis.

Das folgende Stück „Grimace“ präsentiert eine radikalere Struktur aus sich langsam vorwärts quälenden Klang-Kaskaden. Unterbrochen wird die Prozession von einem klangmalerischen Gitarrenexperiment, dem skelettierte Schlagzeugbeats und ein stoischer Basslauf den Weg weisen. „Invisible Ink“ tänzelt dagegen graziös, Julie Christmas‘ Stimme gibt dem Stück das Gewand, das es braucht, um im besten Licht zu erstrahlen. So ist es mit jedem Song: Sie singt eine geilmelancholische Melodie ganz schnell als Eichhörnchen, das nach oben auf die Baumspitze huscht, um von dort – schreitsingtröhrtkreischt – zu richten, die Lebenden wie die Toten. Musik und Gesang, zwei Gegensätze, die elegant funktionalisiert werden und einerseits die Songs vorantreiben, andererseits werden mit zerbrechlichen, zugleich opulenten Refrains musikalische Kontrapunkte gesetzt, die zu interessanten Reibungen führen.

Die Drums halten Balance, versuchen nie zu schwer ins Gewicht zu fallen, prügeln sich nicht in den Vordergrund, sondern sorgen wie ein schlecht aufgezogenes mechanisches Metronom ganz subtil für die Taktangabe. Die Gitarrenakkorde quälen sich lärmend langsam, kratzen und klagen. Besonders reizend sind die elektro-akustischen Einsprengsel, wie zum Beispiel zierliche Saitenschaber oder gleißende Equalizer-Modulationen. Und als wäre das noch nicht ausreichend um zu demonstrieren, dass man hier Musik hört, die nicht mit geöffneten Augen gespielt oder gehört werden kann, demonstriert schließlich auch noch der Bass, dass er im Noise-Kontext eine unverzichtbare lenkende und intervenierende Größe ist, indem er für das berühmte unangenehme Gefühl in der Magengegend sorgt.

MADE OUT OF BABIES setzen mit „The Ruiner“ genau dort an, wo sie vor zwei Jahren mit „Coward“ aufgehört hatten. Dennoch bleibt es abschließend immer noch unglaublich schwer, MOOBs Musik zu kategorisieren. Mich erinnern sie immer an die unkonventionelle Genialität von den bereits oben genannten JESUS LIZARD oder FUGAZI, oder an all das, was „Houdini“ stark und so herausragend macht. Auf jeden Fall aber transportiert ihre Kunst maximale Emotionen. Intensität gibt’s in der kleinsten Hütte, im spartanischsten Line-up.

26.08.2008
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