Maybeshewill - Fair Youth

Review

Normalerweise schreibe ich Reviews mit der zum dritten Mal gefüllten Kaffeetasse in der Hand an meinem meist frisch entstaubten Schreibtisch. „Fair Youth“ hingegen hörte ich zum ersten Mal bei einem stürmischen Spätsommer-Besuch am Strand. Erschien mir irgendwie passend. Natürlich könnte man da als eine objektive Musikkritik erwartender Leser befürchten, so eine Kulisse würde das Hörerlebnis (und damit die Punktzahl) subjektiv zum Positiven beeinflussen. Mag ja auch so sein. Trotzdem gebe ich Entwarnung: MAYBESHEWILL haben im Nachhinein auch den Kaffeetassen-Schreibtisch-Test bestanden.

Um mal zum Punkt zu kommen: Im Jahre 2014 muss man sicher nicht mehr erläutern, wie „ganz normaler“ Post-Rock klingt. Deshalb zeigen uns die fünf Briten von MAYBESHEWILL viel lieber, wie ein auf dem überfluteten Markt überdurchschnittlich daherkommendes Album zu klingen hat. Auch auf Album Nummer vier haben sich James Collins, Matthew Daly, John Helps, Robin Southby und Jamie Ward den eher sanfteren Tönen des Genres verschrieben, was sich nach wie vor am massiven Einsatz von Klavier und Streichern bemerkbar macht. Sicher, das verschafft schon mal einen gewissen Vorteil gegenüber allen Zwei-Gitarren-und-zwanzig-Pedal-Gruppen und macht die Sache mit der Atmosphäre auch ein ganzes Stück einfacher. Der ganz große Soundtrack-Post-Rock also.

Neben der makellosen Gitarren- und Keyboardarbeit sind es aber vor allem die kleinen Feinheiten mit denen MAYBESHEWILL zu glänzen wissen. Immer wieder mischen sich Bläser ins Klangbild, auch Glockenspiel, Violine, sogar ein kleiner Chor ist zu hören. Jeder Hördurchlauf fördert neue Details dieses unfassbar gut durchdachten Werks zu Tage. So sind auch die auf dem Vorgänger „I Was Here For A Moment, Then I Was Gone“ deutlich angeschraubten elektronischen Facetten immer irgendwie da, fügen sich aber wesentlich natürlicher ins Gesamtbild ein als noch zuletzt. Eine perfekte Balance, wie sie nicht alle Bands des Genres zu halten wissen. (Man denke nur zurück an die Electronica-Eskalation von 65DAYSOFSTATIC auf „We Were Exploding Anyway“.)

Daran nicht verloren gehen natürlich aktuellere Trenderscheinungen wie die gesamplete E-Drum-HiHat oder diese kleinen, charmanten 8-Bit-Momente. Den Gipfel der Spielereien stellt wohl dieses sich im Titelsong breitmachende Etwas dar, das ich nur als Synthie-Akkordeon zu umschreiben vermag. Wenn selbst jeder Note dieses organischen Klanges Herzblut innewohnt, nennt sich das, glaube ich, Qualitätsmerkmal.

Auflegen und Ausspannen. Egal ob am Schreibtisch oder am Strand.

„Fair Youth“ bietet keine Anspieltipps, keine Hitsingle und auch keine Ausfälle. Rhythmik, Dynamik, Tempo, Melodien, Harmonien – ausnahmslos erstklassig. Der offen propagierte DIY-Approach zahlt sich aus.

Dieses Album ist ein Statement. Eine Manifestierung des modernen Post-Rocks. Diesen kann man im Jahre 2014 nämlich nicht besser spielen.

15.09.2014
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