Mental Cruelty - A Hill To Die Upon

Review

Die Karlsruher MENTAL CRUELTY starteten mit ihrem Full-Length-Debüt „Purgatorium“ als relativ gewöhnliche Deathcore-Abrissbirne. Genreklischees wie das maschinelle Doublebass-Dauerfeuer, die klangliche Nähe zum Slam gepaart mit Hardcore-typischen Breakdowns sowie das Gegurgel und Gegrunze von Muskelmann (noch so ein Deathcore-Klischee) Lucca Schmerler schnürten ein Paket, in dem sich Genrefans direkt heimisch fühlen sollten. Mit dem folgendem Full-Length-Werk „Inferis“ entdeckten sie dann orchestrale Samples für sich und lenkten ihren Deathcore in eine atmosphärischere, finsterere Richtung, allerdings möglicherweise noch auf etwas wackeligen Beinen stehend, was den Kurswechsel anging.

„Inferis“ legte vor, „A Hill To Die Upon“ legt nach – und zwar richtig

Mit ihre neuem Album „A Hill To Die Upon“ intensivieren die Karlsruher diesen Pfad nun etwas mehr, indem die qualitativen Stellschrauben an vielen Stellen ein Stück weiter angezogen worden sind. Das Album hat nicht mehr mit so einem breiigen Sound zu kämpfen, bringt wieder vermehrt die verschwitzten, beefigen Deathcore-Machismen in den Sound zurück (man höre nur „Death Worship“ mit seinem herrlichen Caveman-Slam-Intermezzo), klingt aber gleichzeitig breiter aufgestellt. Der Bombast hilft hier, ja, aber auch ein geschicktes Händchen für epische Melodien macht sich hier bezahlt. Der unbestrittene Star der Show sind dabei die Orchestral-Arrangements, die heuer richtig gut geworden sind. Zwar (noch) nicht ganz auf dem Level gewisser Italiener sondern schon mit klar erkennbarer Herkunft aus der digitalen Konserve, sind sie aber doch verdammt gut in Szene gesetzt.

So gut sogar, dass die Gitarren für den Orchestral-Bombast regelmäßig in den Hintergrund abwandern. Die Saitenfraktion Marvin Kessler/Nahuel Lozano unternimmt in diesen Passagen wenig gegen ihr selbstauferlegtes Schattendasein, kommt so dem musikalischen Geschehen wenig in die Quere. Dankend füllen die beiden Herren die Lücken, die ihnen von den Arrangements gelassen werden, zum Beispiel gerne mal mit dem ein oder anderen mitreißenden Solo wie in „Extermination Campaign“, aber auch vermehrt mit typischem Deathcore-Meathead-Gepumpe und vereinzelten Djent-Light-Chugs, beides weniger eindrucksvoll, aber zweckdienlich. Heuer tauchen allerdings vermehrt auch mal aufjaulende, beinahe Black-Metal-taugliche Leads wie in „Abadon“ oder im Titeltrack auf.

MENTAL CRUELTY servieren bombastische Kost für die Stiernackenfraktion

Das ist alles natürlich kein Hexenwerk und nicht so technisch und clever aufgezogen wie bei den schwedischen Labelkollegen HUMANITY’S LAST BREATH, aber dennoch sehr souverän durchgezockt und mit Nachdruck in Szene gesetzt. Apropos souverän: Großes Lob verdient an dieser Stelle auch der Gift und Galle spuckende Herr Schmerler, der die Kulisse in herrlicher Manier zerkaut, sich dazu beispielsweise in „Ultima Hypocratica“ auch mal ominös von einem Chor doppeln lässt. Man nehme dazu das herrliche Gesichtsfasching, das er im unten eingebetteten Musikvideo zu „King Ov Fire“ zur Schau stellt und man kommt irgendwie aus dem warmherzigen Schmunzeln und Kichern nicht mehr heraus. Von dem wünsche ich mir mal ein Musikvideo der Marke „Wishing Wells“.

MENTAL CRUELTY klingen fett und bombastisch. Und das war sicher auch ein Stück weit die Absicht hinter „A Hill To Die Upon“. Es ist bombastische Kost für die Stiernackenfraktion, die den Spagat zwischen Ernsthaftigkeit und überzogenen Macho-Gebärden ziemlich souverän meistert, bei aller, mit Orchestration suggerierter Gravitas aber doch ziemlich bodenständig geblieben ist. „A Hill To Die Upon“ lässt natürlich den Kalk aus den Ohren rieseln, wirkt dabei aber zu keinem Zeitpunkt verbissen oder übertrieben selbstgefällig. Und damit dürften MENTAL CRUELTY auf dem richtigen Weg sein. War der Gang der Karlsruher auf „Inferis“ noch nicht ganz ausgereift, so sind sie auf „A Hill To Die Upon“ schon einen gewaltigen Schritt voran gekommen.

20.05.2021

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

Exit mobile version