Mgła - Exercises In Futility

Review

„EXERCISES IN FUTILITY“: LANG ERWARTET, VIEL ERHOFFT

Das polnische Black-Metal-Duo MG?A darf getrost als eine DER Aufsteigerbands der letzten Jahre gelten – zumindest, was den Black Metal angeht. Es war wohl ein kluger Schachzug der beiden Herren M. (Gesang, Gitarre, Bass) und Darkside (Schlagzeug), ihren vertonten Nihilismus nach der Veröffentlichung ihres letzten Albums „With Hearts Toward None“ (2012) auch live zu bringen. So hat sich das Duo, erweitert um zwei Sessionmusiker, seit 2012 auch auf der Bühne ausgetobt, wobei das nihilistische, misanthropische Prinzip, an dem sich Texte und Musik bei MG?A seit jeher orientieren, auch dort zu tragen kam: schwarze Tücher vor den Gesichtern, schwarze Kapuzen, schwarze Lederjacken, so gut wie keine Bewegung auf der Bühne, und wenn das Licht gerade richtig fällt, sieht es auch gerne so aus, als wären die schwarzen Kapuzen komplett leer. In Zeiten, in denen sich jede schlechte Norweger-Kopie bei Liveauftritten Corpsepaint ins Gesicht schmiert, ohne damit irgendwas zu bezwecken, tritt die Entmenschlichung der Kunst bei MG?A deutlicher hervor.

Auf jeden Fall haben die beeindruckenden Liveauftritte der Band in den letzten drei Jahren so einiges ausgelöst: Vom Black-Metal-Geheimtipp haben sich MG?A seit 2012 zu einem wohlbekannten Namen gemausert, und so ist es kein Wunder, dass „Exercises In Futility“, das neue Album der Polen, in Szenekreisen zu einem der heißer erwarteten Alben 2015 gehört. Und trotzdem sind Zweifel da: Das musikalische Konzept der Band ist eben doch ein wenig eingeschränkt, und 2008 hat es auf dem Full-Length-Debüt „Groza“ schon einmal weniger gut funktioniert als auf anderen MG?A-Veröffentlichungen. Und dann die Erlösung: „Exercises In Futility“ steht seinem Vorgänger „With Hearts Toward None“ nicht nur in nichts nach, sondern kann sogar noch eine kleine Schippe drauflegen. Was etwas heißen will, denn auch das 2012er-Werk der Band hat sich bereits nahe an der Perfektion entlangbewegt.

ERFÜLLTE UND ENTTÄUSCHTE ERWARTUNGEN

Aber wie klingt es denn nun, dieses einmal mehr etwas undurchsichtig betitelte Album „Exercises In Futility“? Nun, Fans dürfen sich freuen, denn MG?A klingen darauf so, wie MG?A nun mal klingen – und trotzdem anders. Wer tatsächlich erwartet hat, dass die Polen auf Album Nummer drei dasselbe machen wie auf den Vorgängern, der ist sich der Entwicklung der Band nicht bewusst, denn zumindest der Sprung zwischen den beiden bisherigen Full-Length-Alben „Groza“ und „With Hearts Toward None“ war gewaltig – auch wenn beide unverkennbar nach MG?A klangen.

Wer erwartet, auf „Exercises In Futility“ ähnliche dominante Moll-Leads zu bekommen, wie sie das Klangbild des 2012er-Albums dominierten, der wird auf jeden Fall (fürs Erste) enttäuscht sein. Denn MG?A gehen auf ihrem neuen Werk einen Schritt weiter und verbleiben oft in repetitiven, im Midtempo vorgetragenen Riffs, die der Musik eine zusätzliche nihilistische Note verleihen und etwas Zeit brauchen, bis sie ihre Wirkung entfalten. Ja, „Exercises In Futility“ ist kein Album, das sich sofort in den Gehörgängen festsetzt, sondern es braucht definitiv mehrere Durchläufe, um zu wachsen. Und gewöhnt man sich an den zwar nicht neuen, aber doch erneuerten Klang der Band, dann findet man sie auch, die hochmelodische, mollerne Leadgitarre, zum Beispiel im vierten oder im sechsten Track. (Die Songs auf „Exercises In Futility“ sind wie auch auf allen anderen MG?A-Veröffentlichungen lediglich von „I“ bis x durchnummeriert.)

Höhepunkt des Albums sind jedoch nicht diese Melodien, sondern die Details, mit denen MG?A ihre sechs neuen Stücke versehen. Das eindringlich gebrüllte „Nether! Again, nether!“ in „Exercises In Futility II“ entfaltet erst beim zweiten, dritten Durchlauf des Albums seine eingängige und zugleich niederschlagende Wirkung. Dann wäre da noch der fünfte Track, dessen leicht disharmonisch anmutendes Mainriff so gar nicht MG?A-typisch klingt, das aber trotzdem nur schwer aus dem Kopf zu kriegen ist, hat man sich erstmal daran gewöhnt. Und obendrein darf Schlagzeuger Darkside im fünften Track einmal mehr beweisen, dass er im Black Metal zu den Besten seiner Zunft gehört, denn das schon im siebten Song von „With Hearts Toward None“ sehr eindrucksvolle Spiel mit den Becken wird hier, in „Exercises In Futility V“, auf die Spitze getrieben. Im abschließenden sechsten Track ziehen MG?A wie auch schon auf ihrem 2012er-Werk sämtliche Register des Albums, vereinen alle Facetten in einem Song und beenden „Exercises In Futility“ obendrein auf hochemotionale Weise.

MG?A BLEIBEN SICH TREU UND KLINGEN DOCH ANDERS

„Exercises In Futility“ ist also ein Album, mit dem sich MG?A selbst ein Stück weit dem Erfolg der letzten Jahre verweigern. Sie hätten so einfach in die Black-Metal-Bundesliga aufsteigen können (damit ist der kommerzielle Erfolg gemeint – denn künstlerisch sind sie dort ja schon längst angekommen), hätten sie so weitergemacht, wie sie mit „With Hearts Toward None“ aufgehört haben: mit dominanten Moll-Melodien und einem hohen Grad an Eingängigkeit. Und obwohl alle Trademarks des letzten Albums auch auf „Exercises In Futility“ vorhanden sind, machen es MG?A ihren Hörern doch schwerer als 2012; das Album will mehrmals gehört werden, es will sich langsam, aber zielstrebig in den Ohren festsetzen, es will dem oberflächlichen Hörer Probleme bereiten. MG?A wollen anno 2015 ihre Fans zufriedenstellen, aber sie sind nicht darauf erpicht, Musik für jene zu machen, die sich damit nicht auseinandersetzen wollen.

Und so bleibt nur eine mögliche Note für „Exercises In Futility“, denn was man auch immer an „With Hearts Toward None“ mochte, MG?A haben es auf ihrem neuen Album in petto, aber anders, besser, komplexer, klüger, nihilistischer. Die Polen waren schon immer eine Band, die sich – mit Ausnahme ihres Beitrags zur „Crushing The Holy Trinity“-Split und ihres Debütalbums „Groza“ – nahe an der Perfektion bewegt haben, mit „Exercises In Futility“ sind sie so nah dran wie nie zuvor. Jahreshighlight, was Black Metal angeht!

28.10.2015
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