Mike Patton - Mondo Cane

Review

Beginnen wir beim Titel dieser Platte. Wörtlich übersetzt heißt „Mondo Cane“ die „Hundswelt“. „Mondo Cane“ lässt sich aber auch als Ausruf ungläubigen Erstaunens auffassen: Nun schau‘ Dir das einmal an! Oder vielmehr: Nun hör‘ Dir das einmal an! Das ist doch nicht der Mike Patton, der als Sänger von FAITH NO MORE auf Bühnen urinierte! Es muss sich um einen Irrtum handeln. Auf „Mondo Cane“ interpretiert jedenfalls einer, der sich Mike Patton nennt, italienische Schlager und Popsongs der fünfziger und sechziger Jahre – mit Hilfe eines vierzigköpfigen Orchesters, zusätzlich begleitet von einem Chor und einer Band. Tatsächlich erklingt aber die unverkennbare Stimme jenes Mannes, der seit Jahren mit seinem Label Ipecac und mit Projekten wie MR. BUNGLE, FANTÔMAS, TOMAHAWK oder PEEPING TOM festgefahrenen Hörgewohnheiten aushebelt.

Patton weiß um das irritierende Moment, das eine konsequent durchgezogene Ehrerbietung an Italo-Populärmusik haben muss. Dabei ist „Mondo Cane“ bei aller Lust an verschrobenen Abgründigkeiten, die man ihm so gerne zugesteht, so unavantgardistisch wie kaum etwas, was er in den letzten Jahren auf Band schrie, zirpte, zwitscherte und röchelte. Dennoch fügt sie sich hervorragend in seine Diskographie ein, veranschaulicht sie doch ein weiteres Mal Pattons chamäleonhaften Charakter und seine antizyklische Arbeitsweise. In welche musikalischen Gefilde es ihn auch verschlägt, er überrascht mit jeder seiner Platten. Er sucht immer neue Formen der Ausdrucks, die ihn als Sänger fordern und auf die Probe stellen.

Inbrünstig, mit großem Respekt und mit einer ebenso großen Lust an der Zurschaustellung großer Gesten, nicht ohne sängerische Versiertheit, stellenweise sogar mit ordentlich Schmelz auf der Stimme, intoniert Patton die ursprünglich von Barden wie Ferdinando Buscaglione („Che notte!“), Gino Paoli („Il cielo in una stanza“), Fred Bongusto („Ore d’amore“) und Nico Fidenco („L’uomo che non sapeva amare“) interpretierten Schlager im Original-Idiom, also: auf Italienisch und sogar auf Neapolitanisch. Das Ganze ist in seiner Dramaturgie federleicht, unfassbar cheesy, aber auch ebenso catchy, was als eingehende Stärke ausgespielt wird: es sind wunderbare Gefühlsminiaturen, in hochauflösende Breitwandarrangements verpackt, die zum Mitwippen einladen.

Seinen experimentellen Forscherdrang – als wenn nicht die Interpretation italienischer Evergreens schon Experiment genug wäre! – behält er weitgehend im Zaum; einzig in „Urlo Negro“, einem Stück der Beatkapelle THE BLACKMEN, ist ein bisschen looney Gegenkultur zu spüren: Nach einigen Sekunden Shout-Eruption geht es allerdings wieder in einen breit grinsenden, harmonischen Tanzmusik-Refrain. Der croonernde Mike Patton offenbart hier eine Seite, von der man immer bereits schon ahnte, dass er sie hat, weil sie überall durchscheint, die er aber nie in so unglaublicher Größe entfaltet hat.

21.06.2010
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