Nug - Alter Ego

Review

NUG ist also der Vaddern von einem alten Bekannten aus dem Lovecraft-Universum: Cthulhu. Wieder was gelernt. Die Ukrainer haben abgesehen von ihrem Namen mit kosmischem Horror und brutalem Death Metal oder atmosphärischem Black Metal, der da ob dem Namen erwartet werden könnte, herzlich wenig am Hut. Auch die Labelwahl für ihr Debütalbum „Alter Ego“ fällt mit Willowtip, die sonst eher auf technisches Gehacke spezialisiert sind, überraschend aus.

„Alter Ego“ zeigt uns die andere Seite

Viel eher wird von NUG eine moderne, progressive Variante von Metal gespielt, durchaus mit Anleihen an Djent und allem Hartmetallischem, dem ein Post- vornan oder -core hintenan steht. Somit kommen eher Bands wie THE OCEAN und NEUROSIS oder ihre Landsmänner JINJER, hinsichtlich musikalischer Ausrichtung, in den Sinn. Ganz so hit-tauglich wie ihre gefeierten ukrainischen Kollegen mit der stimmgewaltigen Dame sind NUG auf „Alter Ego“ nicht, allerdings auch alles andere als langweilig oder fade. Viel mehr sind sie nachdenklich und entschleunigt, aber trotzdem noch „metal“: Der aggressiven Grundnote wird durch die gut komponierten und durchstrukturierten Songs an der ein oder anderen Stelle Überraschungen verliehen etwa in Form von Ambient-mäßigen Einleitungen oder auflockernden Breaks, die das Material stets interessant und spannend halten. Atmosphäre und Groove hat NUG eben auch im Portfolio.

Hassbatzen neben zerbrechlicher Ruhe

Für einen groben Rahmen kann eine weniger „T H I C C“ ‚e, also in Downtuning und Brutalität deutlich abgespeckte und zerebralere, Version von VILDHJARTA oder TEXTURES (ohne cleanen Gesang) als Referenz stehen. So kann ein Song wie „Dorian / Доріан“ als dicker Hassbatzen mit fiesem Bass, lauernden Riffs und brutalen Growls eröffnen, aber elegisch-andächtig wie typisch für so Post-Rock Bands wie CRIPPLED BLACK PHOENIX oder LONG DISTANCE CALLING ein Zwischenspiel bieten, nur um dann wie moderner, rhythmisch orientierter Metal auszuklingen. Und das klingt zu keinem Zeitpunkt wie Stückwerk.

„Shores“ leitet gemächlich, soundtrack-mäßig und beinahe zerbrechlich schön ein, bevor dann die so Djent-typischen Palm-Muting-Techniken anklopfen. Aber auch das interessante Bassspiel in „Radiance“ vermag Akzente zu setzen. Textlich geht es um den „spirituellen Kampf mit sich selbst“ laut Bandaussage: Mentale Erschöpfung, Depression und so weiter. Daraus kann „Alter Ego“ hoffentlich reissen, musikalisch spannend genug ist es dafür allemal.

NUG könnten das nächste große Ding aus der Ukraine werden

Das „Alter Ego“ kann sich also durchaus sehen lassen für ein Debüt. Denn NUG können nicht nur verfrickelt und vertrackt oder garstig, sondern auch atmosphärisch und emotional und bringen das alles wunderbar in anspruchsvollen, aber trotzdem einigermaßen eingängigen Songs unter. Alles in allem fehlt den Newcomern für eine höhere Benotung noch die gewisse Stringenz und die besondere Dringlichkeit der Songs, kurz die Songs sind gutklassig, aber es ist noch Potential nach oben da.Wer hier mehr „in-your-face“-Riffs und Rhythmen wie bei oben genannten Referenzen erwartet, wird eher enttäuscht werden. Es gibt „heavy“ Riffs bei NUG, aber die Musik von NUG ist reduzierter und hintergründiger. Dieser unmittelbare Zwang, die tanzbaren Elemente, das eine Hit-Riff, das findet der Hörer hier weniger. Aber wie es so schön heißt: Die Reise ist oft wichtiger als das Ziel. Und auf eine solche kann „Alter Ego“ den Hörer entführen, wenn er sich darauf einlässt.

Osteuropa mausert sich langsam aber sicher zu einer neuen, spannenden Anlaufstelle für atmosphärische, aber auch technisch sehr ambitionierte Metalbands. Eine größere Bekanntschaft und Erfolg wäre solchen Bands wie NUG, die keine 500 Facebook-Likes zählen, als Ziel also nur zu wünschen. Komme also 2021, kommen die ersten Touren, kommen Chancen für Bands wie NUG mit „Alter Ego“, die es redlich verdient hätten.

05.08.2020
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