Overhead - Of Sun And Moon

Review

Ein schwarz/weiß-dominiertes Artwork, das mit leicht unschärf wirkenden blau/rot-Linien durchsetzt ist? Das schreit ja förmlich nach altmodischer Farbfilter-3D-Kunst! Zu schade, dass ich keine geeignete Folienbrille mehr herumliegen habe, um dieses wirklich schicke Design auch in seiner ganzen Pracht würdigen zu können, denn offensichtlich haben es diese Finnen (zumindest beim mir vorliegenden Rezensionsexemplar) leider versäumt, dem stylischen Digipack ein solches Hilfsmittel beizulegen. Doch belassen wir es bei leichten Abzügen in der B-Note und hören uns lieber einmal an, was OVERHEAD auf ihrem nunmehr vierten Album musikalisch so zu bieten haben.

Was im Opener „Lost Inside 2“ noch wenig spektakulär mit schleppend-schweren Heavy-Riffs beginnt, entpuppt sich als im besten Sinne des Wortes progressiver Metal-Mix, der Tradition und Moderne gekonnt verbindet. Von JETHRO-TULL-Gedächtnis-Flötenklängen über Hammond-Orgel-Teppiche und psychedelische Abfahrten bis hin zu elektronischen Effekten und bratendem Industrial-Riffing reicht das Klangspektrum. Dass da manches überladen wirkt, überrascht nicht, insgesamt funktioniert diese außergewöhnliche Mischung aber erstaunlich gut.

Die ersten Stücke klingen noch vergleichsweise harmlos und bieten abgesehen vom poppigen „Berlin“, das mit seinem tanzbaren Groove starkes Disco-Flair verströmt, recht unspektakuläre Kost. Erst in der zweiten Hälfte ziehen Komplexität und Ausgefallenheit der Kompositionen stark an. Und in gleichem Maße wächst auch der Spaß, den mir „Of Sun And Moon“ bereitet. Im Albumverlauf wächst was anfangs eher an Industrial-lastigen Alternative-Rock, streckenweise sogar an LINKIN PARK erinnert zu einer wunderschönen Prog-Blume heran, die nach dem instrumentalen „Grotte“ ihre Vollendung in den drei völlig voneinander verschiedenen aber für sich jeweils wunderschönen Blüten „Last Broadcast“, „Alive“ und „Angels And Demons“ findet.

Zugegeben, der Spannungsbogen stimmt und suggeriert dem Zuhörer effektiv, welche überirdische Schönheit die Band in ihren Kompositonen noch erreichen hätte können, wenn sie es nicht nach knapp 50 Minuten hätte gut sein lassen. Nüchtern betrachtet ist die erste Hälfte aber einfach eine Spur zu gewöhnlich geraten, um das Album auf Klassikerniveau zu bringen. Eine starke Prog-Scheibe ist „Of Sun And Moon“ dennoch geworden, gerade weil sie den Zuhörer mit vielen unerwarteten Wendungen immer wieder aufs Neue herausfordert.

09.07.2012
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