Pig Destroyer - Natasha

Review

Eine neue Platte von PIG DESTROYER bedeutete immer eine gehörige Portion Gesichts- und Trommelfellmassage. Ein ganz neues Album ist „Natasha“ zwar nicht, dennoch dürfte es bei allen, die PIG DESTROYER bisher nur als blutige Metzger wahrgenommen haben für eine kleine Überraschung sorgen.

Denn wo üblicherweise gleich die Motorsäge angeworfen wurde, baut sich ganz allmählich eine wabernde, pulsierende und brummende Ambient-Klangkulisse auf. Nach ca. fünf Minuten steigen dann die schweren Gitarren ein, mächtig und langsam. Mächtig und langsam?? Einfach unglaublich! PIG DESTROYER goes Doomcore? Ich war ja schon beim Betrachten des ungewöhnlichen Covers sehr gespannt, was mich erwarten würde, aber schon jetzt ist ihnen ein genialer Coup gelungen. Ich zittere mit der Musik und den flüsternden Lauten, während sich die Spannung immer weiter hochschraubt. Gleich müsste das Inferno losbrechen…

Doch das Ganze ist kein überlanges Intro, es ist bereits von Anfang an das gewaltige Songgebilde „Natasha“. Ein Album, ein Song, ursprünglich erschienen als Zusatz-DVD zum „Terrifyer“-Album (auf der man das ganze im 5.1-Surround-Sound genießen kann).

Langsam und wuchtig gibt das Schlagzeug den Takt vor, die anfänglich gesprochenen Zeilen intensivieren sich zu wütendem Geschrei, verstärkt durch die schweren, hypnotischen Riffs der Gitarren. Die erste Viertelstunde ist noch nicht ganz um, als sich immer mehr monotoner, hochfrequenter Noise in den Vordergrund drängt, und den Hörer vor die erste Belastungsprobe stellt.
Allzu lange muss er jedoch nicht ausharren, der Noise verfliegt und es erklingen fast schon versöhnliche Akustikklänge und zarter, klarer Gesang. Bald wird es wieder leise im Vordergrund, sodass die unterbewussten Geräusche und Klänge wieder zutage treten. Leises Flüstern, Brummen, plätscherndes Wasser.

Nach gut 21 Minuten beginnt dann der zweite große Abschnitt mit Gitarren, Schlagzeug und Gesang. Melodisch kraftvoll, emotional verstärkt durch die Grundierung mit Synthesizer und wieder mit der Geschwindigkeit am Abgrund. Acht Minuten später erreicht diese Phase ihren Höhepunkt der Intensität: extremer Schreigesang, repetitives Riffing und ein erhabenes Schlagzeug.
Dann entgleitet der Hörer allmählich dieser Umgebung, wie bereits vorher, sämtliche Musik verschwindet aus seiner Wahrnehmung. Was bleibt, sind Umgebungsgeräusche, beunruhigende Stimmen und Schreie im Hintergrund. Der Wind weht immer heftiger, bis letztendlich heftiger Regen einsetzt. Bei der Zeitmarke 35:13 ist der Spuk, der Traum, der Trip vorbei. Stille.

Man kann es immer noch nicht so recht glauben, doch die unumstößlichen Fakten liegen klar erkennbar auf dem Tisch: Das waren eben PIG DESTROYER. Schon während des ersten Durchlaufs dämmerte es mir, dass Scott Hull’s letzte Soundtrack-Arbeiten maßgeblichen Einfluss auf die Entstehung von „Natasha“ geübt haben müssen. Das Album ist in jeglicher Hinsicht vollkommen anders, als alles, was man bisher von PIG DESTROYER kennt. Kein unberechenbarer Wirbelsturm, kein Riffgemetzel, keine stumpfe Brutalität. „Natasha“ ist eine Geschichte, wie sie die Band noch nie erzählt hat, die aber auf ihre Weise die gleiche Intensität erreicht und unterschwellig vielleicht sogar erschreckender wirkt, als die bisherigen Werke.

Regiert auf den regulären Alben bahnbrechender Hass an der Oberfläche, so ist „Natasha“ wohl die Welt der Alpträume und Abgründe, die sich darunter verbergen. Wer also PIG DESTROYER bisher nur als Krachmaten kennengelernt hat, sollte alle Erwartungen, die mit ihren Trümmerwerken verbunden sind, fallen lassen und möglichst offenherzig an dieses Werk herangehen. Es hat auch ein bißchen Experimentalcharakter und wird genau aus diesem Grund für viele andere Leute interessant, die sich solchen Klängen hingezogen fühlen.

12.11.2008
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