Prymary - The Tragedy Of Innocence

Review

Progressive-Bands, die sich in Konzeptalben ernster Themen annehmen, sind natürlich nichts Neues. Der Ansatz, den die Kalifornier PRYMARY wählen, ist dennoch mutig. „The Tragedy Of Innocence“ erzählt die Geschichte einer schwer traumatisierten jungen Frau, die als Kind von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde. Dass dabei eine reale Leidensgeschichte – nämlich die von Chris Quirartes Frau Valerie – Pate stand, glaubt man leider nur allzu gerne, so eindringlich und realitätsnah präsentiert die Band das Konzept.
Reißerische Sensationsgier, die sich kaum verhohlen daran erfreut, das Leid anderer Leute für die Titelseite der BILD-Zeitung auszuschlachten, oder den überzogen-theatralischen Druck auf die Tränendrüsen sucht man hier vergebens. Stattdessen gehen PRYMARY mit viel Feingefühl zu Werke. Wenn man bedenkt, wie nahe es den Musikern gegangen sein muss, eine Geschichte aus dem direkten familiären Umfeld musikalisch zu verarbeiten, verdient dieses Ergebnis eine Extra-Portion Respekt!

Doch ein gut präsentiertes Konzept macht natürlich für sich noch kein gutes Album aus. Im Mittelpunkt sollte immer die Musik stehen. Und auch wenn der Beipackzettel behauptet, dass man sich von den in diesem Genre nahezu unvermeidlichen DREAM THEATER-Vergleichen freigeschwommen hätte, muss man die New Yorker Progressive-Götter doch einmal mehr als unerreichtes Vorbild zitieren.
PRYMARY erreichen das spieltechnische Niveau der Mannen um John Petrucci nicht. Vor allem aber fehlt ihnen noch das gewisse Etwas, um die potentielle Zuhörerschaft lange genug bei der Stange zu halten, um die Musik völlig durchdringen zu können. Hat man dies nämlich einmal geschafft, entfaltet sich „The Tragedy Of Innocence“ zu voller Pracht und wartet mit einigen musikalischen Leckerbissen auf.

Einzelne Tracks herauszugreifen, macht hier nicht wirklich Sinn. Das intelligente Songwriting des Quintetts präsentiert zahlreiche Grundthemen, die später wieder aufgegriffen und variiert werden und nur im Zusammenhang des kompletten Albums ihre wahren Qualitäten entfalten können. So können beispielsweise die verträumten Clean-Gitarren von „Born Again“ nur in direktem Kontrast zur zynisch-brutalen „What Little Girls Are For“-Thematik bestehen.
Einige Passagen hätten für meinen Geschmack etwas weniger Keyboard-lastig ausfallen können, zumal sich das abwechslungsreiche Gitarrenspiel von Sean Entrikin beileibe nicht zu verstecken braucht. Über allem schwebt die Stimme von Mike Di Sarro, die unheimlich große Emotionen vermittelt und der es lediglich an einigen Stellen etwas an Power fehlt.

Fans von SYMPHONY X, DREAM THEATER oder FATES WARNING sollten PRYMARY eine Chance geben. „The Tragedy Of Innocence“ ist ein mit viel Liebe zum Detail gemachtes Konzeptalbum, dass nicht mehr weit hinter den Spitzenbands des Genres zurücksteht.

12.12.2006
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